Italien:Fiat statt Ferrari

Roms Bürgermeisterkandidat will volksnah wirken: Er versteckt seinen Reichtum und fährt mit einem Fiat Panda vor. Sein Problem: ein nächtlicher Autotausch an der Raststätte.

Von Oliver Meiler

Reichtum kann manchmal schön blöd sein, schrecklich unpassend. Dem Römer Alfio Marchini, Spross einer Bauherrendynastie und Polospieler, ist sein Reichtum gerade so unangenehm, dass er ihn auf rührende Weise zu verstecken versuchte und dabei - nun ja - ganz dumm erwischt wurde. Vor einigen Tagen war das, in einer Raststätte auf der Ringstraße der Stadt, dem Grande Raccordo Anulare, zwischen Aurelia und Flaminia, auf dem Parkplatz vor dem Autogrill. Ein Leser der Zeitung La Repubblica sah dort, wie Marchini aus einem Fiat Panda stieg und sich hinter das Steuer seines grauen Ferrari setzte. Es war schon spät abends. Den Ferrari fuhr er selber heim, den Panda überließ er seinem Fahrer. Ein Ritual, wie die Römer bald erfahren sollten. Und das ist politisch durchaus relevant. Alfio Marchini möchte Bürgermeister von Rom werden. Die Wahl findet in zwei Wochen statt.

Getragen wird der 51-jährige Unternehmer von der bürgerlichen Rechten und von der Enkelin des Duce, von Alessandra Mussolini. Von allen Plakatwänden lacht Alfio Marchini sein gewinnendes Lachen, es ist das gebräunte Lachen eines Glücksgesonnenen. Neben seinem Gesicht prangt ein großes, rosa Herz. Er tritt in Altersheimen auf, auf Gemüsemärkten, vor frustrierten Bewohnern der Vorstädte. Immer auf Achse - mit dem Panda, dem Durchschnittswagen der Italiener, dem Auto der Plebs, einem fahrenden Understatement. Als er in einer TV-Talkshow gefragt wurde, ob es tatsächlich wahr sei, dass er vor dem Autogrill den Panda mit dem Ferrari tausche, sagte Marchini: "Ja, immer. Man hat mir beigebracht, dass es nicht opportun ist, den Reichtum hervorzukehren."

Nun, die Erklärung machte seinen Fall nicht wirklich besser. Sie offenbarte vielmehr das System der Anbiederung, diese hervorgekehrte Bescheidenheit, den politischen Opportunismus hinter dem heimlichen Autotausch an der Raststätte. Und so ergoss sich in den sozialen Netzwerken viel Häme über den armen reichen Mann. In den Zeitungen gab es auch Kommentare, die Marchini verteidigten, schließlich habe der nichts verbrochen. Solche auch, die den Spieß umdrehten und den Kritikern Heuchelei vorwarfen. Und dann noch solche, die mit Verve versuchten, die Debatte auf die höhere Ebene des sozialen Neids zu heben.

Man erinnerte auch daran, dass Roms vorläufig letzter Bürgermeister, der unlängst ruhmlos geschasste Chirurg Ignazio Marino, sich während des Wahlkampfs gern auf dem Sattel eines Fahrrads zeigte, um damit seine Volksnähe zu bezeugen - obschon sich aus diesem Volk ja kaum einer mit dem Rad in den römischen Verkehr wagt. Francesco Rutelli wiederum, Bürgermeister von 1993 bis 2001, fuhr während seiner Kampagne lässig und demonstrativ Mofa. Als er dann gewählt war, saß er immer im Fond einer Dienstlimousine. Doch Marchinis Geschichte bedient natürlich alle Klischees. Wäre er einfach mal zwei, drei Monate nur Panda gefahren, den ganzen Weg, von Zuhause bis in die Stadt und wieder zurück, wäre ihm die Polemik wohl erspart geblieben. Nun verlor er in den Umfragen in wenigen Tagen fast zehn Prozent der Wählergunst.

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