Europa:Lega und Cinque Stelle suchen verzweifelt Verbündete

Italien di Maio Salvini

Digitales Daumendrücken: Italiens Vizepremiers Luigi Di Maio (li.) und Matteo Salvini in einem Streetart-Werk des Künstlers Tvboy.

(Foto: Getty)
  • Beide italienischen Regierungsparteien suchen nach der Europawahl immer noch Verbündete im Europäischen Parlament.
  • Lega-Chef Salvini hatte sich mehr Stimmen für die gemeinsam mit AfD, FPÖ und Rassemblement National gebildete rechte Fraktion erhofft und sucht nun nach weiteren Gleichgesinnten.
  • Für die Cinque Stelle geht es möglicherweise um die politische Existenz im Parlament.

Von Oliver Meiler, Rom

Stark in Italien, aber allerhöchstens halbstark in Europa. Die Isolierung der populistischen römischen Regierungsparteien Lega und Cinque Stelle im europäischen Kontext nimmt dramatische Ausmaße an. Beiden droht die politische Bedeutungslosigkeit, den Fünf Sternen noch mehr als der rechten Lega.

Bis 1. Juli bleibt Zeit, um sich im neu gewählten Europaparlament wenigstens so breit zu verbünden, dass man ein bisschen mitreden kann bei der Vergabe von Posten und bei der Bestimmung der Agenda. Und das ist schon bemerkenswert: Nie in der Geschichte der Europäischen Union waren die Regierungsparteien in Italien - immerhin ein Gründungsmitglied der EU - in Europa in der Opposition.

Im Moment stellen die Italiener noch den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, den Präsidenten des Europaparlaments, Antonio Tajani, und die Beauftragte für die europäische Außenpolitik, Federica Mogherini. Drei Topjobs, höchste Hierarchiestufe. In Draghi hatte man einen wichtigen Fürsprecher in schwierigen Zeiten. Dessen Geldpolitik war eine Lebensgarantie für Wirtschaft und Staatsfinanzen während der Krise. Viel besser sind die Zeiten unterdessen nicht geworden, doch Draghis Mandat läuft im Herbst aus. Italien riskiert diesmal, leer auszugehen.

Die rechte Allianz kommt auf 73 Abgeordnete. Salvini hatte mit etwa doppelt so vielen gerechnet

Die beiden Regierungsparteien sind auf der Suche nach Alliierten, fast schon verzweifelt. Der Lega von Innenminister und Vizepremier Matteo Salvini gelang bei den Europawahlen ein spektakulärer Sieg: 34,3 Prozent der Stimmen. Das gibt 28 Sitze, ein Plus von 23. Salvini gilt überdies als Chef des Lagers europäischer "Souveränisten", auch als "Internationale der Nationalisten" bekannt, die nun zusammen eine neue Fraktion formen wollen: In der sogenannten "Europäischen Allianz der Völker und Nationen" sitzen dann neben den Abgeordneten der Lega auch jene von Marine Le Pens Rassemblement National, der AfD, der FPÖ und anderer Parteien.

Die Gruppe erfüllt die Fraktionskriterien leicht, sie zählt also weit mehr als 25 Mitglieder, mit Vertretern aus sieben unterschiedlichen Ländern der EU. Im Moment kommt sie auf 73 Abgeordnete. Das ist zwar eine stattliche Anzahl, aber weit entfernt von den Vorstellungen Salvinis. Vor den Wahlen hatte der von 120 oder 140 Mandaten gesprochen. Er sagte auch gerne, diese "Familie" werde nach den Wahlen noch zusätzlich wachsen; wie ein Magnet werde sie wirken und dann Europa umkrempeln. Doch abgesehen von der Lega und Le Pen haben die meisten Alliierten enttäuscht.

Salvini erhält Absage um Absage. Selbst Viktor Orbán will nun lieber bei der EVP bleiben

Es ist nicht einmal sicher, ob man es mit 73 Abgeordneten zur viert- oder gar nur zur fünftgrößten Fraktion schafft. Davon wiederum hängt ab, wie viel Einfluss man in Zukunft haben wird. Um Platz vier oder fünf läuft ein Duell mit den Grünen, die leicht vorne liegen, seitdem sie einige kleine Parteien gewinnen konnten. Salvini dagegen erhält Absage um Absage, die wichtigste von allen war jene der ungarischen Partei Fidesz von Premier Viktor Orbán, der nun doch lieber bei der Europäischen Volkspartei bleiben möchte. Orbán rechnet sich da mehr Einfluss aus.

Die Lega hat es offenbar im Stillen auch noch einmal mit der polnischen PiS versucht. Doch die Partei kann sich schlecht mit Politikern zusammentun, die offen mit Wladimir Putin sympathisieren, wie das Salvini und Le Pen tun. Ein Nein gab es auch vom "Forum für Demokratie" von Thierry Baudet, dem niederländischen Rechtspopulisten. Dessen drei Abgeordnete schließen sich der Gruppe "Europäische Konservative und Reformer" an, genauso wie die drei Entsandten von der spanischen Partei Vox.

Eine Absage gab es auch von Nigel Farage und dessen Brexit Party, der Wahlsiegerin in Großbritannien. Die scheidet zwar aus, sobald die Briten die Europäische Union verlassen. Eine Zusage wäre Salvini dennoch ganz genehm gewesen, für das Duell mit den Grünen.

Farage saß in der vergangenen Legislatur in derselben Fraktion wie die Cinque Stelle, zusammen mit einer Reihe kleinerer Rechtsparteien aus dem östlichen Europa. Doch bleibt er auch da für die kleine Weile? Für die Fünf Sterne entscheidet sich gerade alles. Vor den Wahlen war ihr "Capo politico" und Vizepremier durch Europa getourt, um neue Alliierte zu finden. Er traf sich in Frankreich mit Vertretern der Gelbwesten und mit polnischen, finnischen, kroatischen Rechtsextremen. Er sagte gerne, man werde dann bald das "Zünglein an der Waage" sein.

Die meisten neuen Freunde gewannen keinen einzigen Sitz, sie scheiterten schon am Quorum, und die Cinque Stelle stellen nur noch 14 Abgeordnete. Es besteht jetzt die Gefahr, dass die stärkste Partei im italienischen Parlament in Europa keine Fraktion findet, die sie aufnehmen möchte. Die Grünen, mit denen sie einige Kämpfe verbindet? Haben recht brüsk abgesagt. Die Liberalen? Hat man vor einigen Jahren schon einmal umbuhlt, ohne Erfolg. Die großen Bündnisse der Sozialdemokraten und Bürgerlichen? Passt nun wirklich nicht zusammen. So droht den Sternen, dass sie am Ende in der Gruppe der Fraktionslosen enden. Ohne Subventionen für Büros und Mitarbeiter. Ohne Stimme im europäischen Konzert.

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