Europäische Union:Angela Merkel - eingeklemmt zwischen Macrons Elan und Italiens Rebellion

Italien droht offen mit dem Bruch der Regeln, die das Land einst unterschrieben hat. Das ist höchst problematisch - und bringt die Kanzlerin in Bedrängnis.

Kommentar von Cerstin Gammelin

Wer von außen auf die europäischen Verhältnisse schaut, der wird das mit einem Gefühl aus Staunen und Grusel tun. Selten zuvor sind die drei größten Staaten der Euro-Zone politisch so weit voneinander entfernt gewesen wie heute. Und das, obwohl sie durch den Euro, das große europäische Einigungsprojekt, ihr Schicksal miteinander verwoben haben. In Frankreich sitzt ein reformeifriger Präsident. In Berlin regiert eine zögerliche Kanzlerin. In Italien startet ein rechtspopulistisches Regierungsprojekt. Paris, Berlin und Rom streben in verschiedene Richtungen und die große Frage ist jetzt, ob und wie diese auseinanderstrebenden politischen Vorstellungen innerhalb der Euro-Zone wieder zusammengeführt werden können.

Das sich abzeichnende Regierungsbündnis aus Rechten und Populisten in Italien stellt insbesondere die Kanzlerin vor eine ganz neue Herausforderung. Angela Merkel ist ja durchaus versiert im Umgang mit italienischen Regierungschefs. Selbst Silvio Berlusconi konnte ihr am Ende nichts anhaben, er musste im Jahr 2011 auf dem Höhepunkt der Euro-Krise abdanken, Merkel ist immer noch im Amt. Aber jetzt ist die Lage vertrackter. Denn die neue italienische Regierung, so sie denn kommt, verkompliziert nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen Berlin und Rom. Sie macht es der Kanzlerin auch so gut wie unmöglich, auf die Ideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron in adäquater Weise zu antworten. Merkel ist eingeklemmt, hier die hohen französischen Ansprüche, dort die italienischen Turbulenzen, das lässt den Handlungsspielraum schrumpfen.

Die Italiener drohen offen mit dem Bruch der Regeln, die sie einst unterschrieben haben, als sie der Währungsunion beigetreten sind. Sie wollen mehr Schulden machen, liebäugeln mit einem Schuldenerlass, haben keine Lust auf regelkonformes Haushalten. Die bloße Ankündigung ist für alle 19 Länder der Währungsunion ein Desaster, schließlich geht damit ein massiver Vertrauensverlust untereinander und in den Euro einher. Man hat Verträge unterzeichnet und sich über eine Währung aneinander gebunden im Glauben, dass sich alle daran halten. Für die Bundesregierung allerdings ist die Ankündigung aus Italien ein unmissverständliches Stoppschild, auch nur einen Schritt weiter in Richtung Risikovergemeinschaftung zu gehen. Gerade in Deutschland, wo ganz besonderer Wert auf Ordnungspolitik und Regeltreue gelegt wird, wird kein Politiker bereit sein, mit einem Partner zu kooperieren, der offen mit dem Bruch der Regeln spielt.

Angst, die lähmt

Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Merkel auch schon ohne Italien große Schwierigkeiten hat, innenpolitisch an den von Marcon geforderten Reformkurs in Europa anzuknüpfen. Die eigene Fraktion von CDU/CSU hat sogar öffentlich darüber debattiert, ob sie der Kanzlerin ein entsprechendes Verhandlungsmandat für Brüssel und Paris mitgeben sollte. Die begrenzte Vollmacht für die Kanzlerin scheiterte, auch, weil der Koalitionspartner SPD dagegen war. Selbst bei den von Paris und Brüssel vorgeschlagenen Reformen haben vor allem Unionspolitiker, aber auch Ökonomen die Sorge, dass sie dazu führen, dass Deutschland weitere Risiken von anderen Euro-Staaten übernehmen und am Ende auf der Rechnung sitzenbleiben könnte. Diese Angst lähmt den politischen Betrieb in Berlin, die Kritiker einer Reformpolitik versuchen beinahe jede Debatte zu ersticken, indem sie vor einer Haftungsunion warnen. Das ist ein Schlagwort aus der Mottenkiste, schürt aber die Angst vieler Bürger. Resultat der Furchtsamkeit ist, dass die Kanzlerin bisher keine Antwort oder gar eigene Vorschläge zur Weiterentwicklung der Euro-Zone vorgelegt hat.

Die sich abzeichnende Regierungsbildung in Italien dürfte nun dazu führen, dass selbst Merkels durchaus vorhandener Eifer vollends erlahmt und die Angst vor den Entwicklungen in Rom und zu Hause alles blockiert. Das ist doppelt bitter. Denn einerseits zeigt Italien, wie anfällig die Währungsunion für politische Kursänderungen in einzelnen Ländern ist. 18 Staaten werden in Mithaftung gezogen, wenn ein Land ausschert. Was wiederum die Notwendigkeit vor Augen führt, nötige Reformen anzugehen, um den politischen Einfluss eines Einzelnen zu minimieren und den Euro stabil zu halten. Andererseits sind aber genau diese Reformen nun dadurch blockiert, dass die Unsicherheit über eine desaströse Politik der nächsten Regierung in Rom auch im Deutschen Bundestag dazu führen wird, dass es keine Mehrheit für ein engeres Zusammenrücken in der Währungsunion geben dürfte. Eine solche Absage an Macron wiederum macht Europa und den Euro noch unsicherer.

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