Italien:Enrico Letta will Vertrauensfrage stellen

Mal wieder Krise: In Italien deutet sich an, dass das Bündnis aus Sozialdemokraten und der konservativen PdL am Ende ist. Ministerpräsident Enrico Letta hat angekündigt, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen. Grund ist ein Streit über Silvio Berlusconi.

Italiens Regierung will die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Ministerpräsident Enrico Letta habe sich dazu entschlossen, nachdem er sich bei einer mehrstündigen Kabinettsitzung am Freitagabend nicht die Unterstützung innerhalb seiner Koalition für ein Paket von fiskalpolitischen Maßnahmen sichern konnte, sagte der Minister für Regionales, Graziano Delrio.

Das Kabinett hatte unter anderem über Möglichkeiten beraten, eine umstrittene Steuererhöhung zu verschieben. Doch Letta erklärte anschließend, solange die politische Lage im Parlament nicht geklärt sei, werde vorübergehend jede Regierungsentscheidung, sogar zu Steuern oder Wirtschaftsfragen, gestoppt.

Hintergrund ist der Streit um den rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilten ehemaligen Regierungschef Silvio Berlusconi, der möglicherweise seinen Sitz im Senat einbüßen wird. Zahlreiche Parlamentarier von Berlusconis Partei Volk der Freiheit (PdL) hatten deswegen zuletzt mit ihrem Rücktritt und damit mit dem Bruch der Regierungskoalition gedroht.

Fragwürdige Argumentation

Letta erklärte, Drohungen werde er sich nicht länger bieten lassen. Er fügte hinzu: "Entweder wir gehen voran, wobei an erster Stelle die Interessen des Landes und seiner Bürger stehen. Oder die gemeinsame Erfahrung ist hiermit beendet." Die Regierungskoalition zwischen Lettas linksbürgerlicher Demokratischer Partei und der PdL ist seit fünf Monaten im Amt.

Die Berlusconi-Partei hatte in den vergangenen Wochen wiederholt damit gedroht, aus dem Regierungsbündnis auszuscheren. Berlusconi, der am Sonntag 77 Jahre alt wird, war am 1. August in letzter Instanz wegen Steuerbetrugs bei seinem Medienkonzern und Korruption zu vier Jahren Haft verurteilt worden, wovon er drei Jahre nicht verbüßen muss. Weitere Verfahren sind anhängig, darunter eines wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit einer minderjährigen Prostituierten.

Die Anhänger des Medienunternehmers argumentieren, dass das sogenannte Severino-Gesetz von 2012, wonach jeder zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilte Politiker sein Mandat verliert, nicht auf frühere Delikte anwendbar sei. Der Immunitätsausschuss des Senats muss am kommenden Freitag in zweiter Abstimmung entscheiden, ob Berlusconi trotz seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs seinen Sitz in der zweiten Parlamentskammer behalten kann. In einer ersten Abstimmung hatte der Ausschuss dies mehrheitlich abgelehnt. Die endgültige Entscheidung soll voraussichtlich Mitte Oktober im Senatsplenum erfolgen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: