Krise in Rom:Italiens Regierung vor dem Aus

Krise in Rom: Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi forderte die Parteien am Mittwoch dazu auf, sich auf einen neuen Vertrauenspakt zu verständigen - vergebens.

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi forderte die Parteien am Mittwoch dazu auf, sich auf einen neuen Vertrauenspakt zu verständigen - vergebens.

(Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Einen ganzen Tag lang versucht der italienische Ministerpräsident Mario Draghi, die Regierung zu retten. Doch mehrere Parteien entziehen ihm das Vertrauen. Dennoch tritt er zunächst nicht zurück.

Von Oliver Meiler, Rom

Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat bei der Vertrauensabstimmung im Senat die von ihm gewünschte breite Zustimmung deutlich verfehlt. Der 74-Jährige gewann zwar am Mittwochabend in Rom das Votum mit 95 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen, doch seine großen Regierungsparteien Lega, Forza Italia und die Fünf-Sterne-Bewegung stimmten erst gar nicht mit ab. Damit war es wahrscheinlich, dass der parteilose Draghi erneut seinen Rücktritt bei Staatschef Sergio Mattarella anbieten würde. Formell stünde noch eine weitere Vertrauensabstimmung am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer, der größeren der beiden Kammern, an. Draghi will dort erscheinen. Zurückgetreten ist er zunächst also nicht. Italien steht nun womöglich vor Neuwahlen, rund acht Monate vor dem ordentlichen Ende der Legislaturperiode.

Draghi hatte zuvor mit einer eindringlichen Rede versucht, seine Regierung der nationalen Einheit zu retten. Er forderte die Parteien auf, sich auf einen neuen Vertrauenspakt zu verständigen, andernfalls sei es sinnlos, weiterzumachen. "Seid ihr bereit dazu?", fragte Draghi, nachdem er seine Agenda für die kommenden Monate skizziert hatte. "Die Antwort schuldet ihr nicht mir, sondern den Italienern."

Draghi hatte die Cinque Stelle und die rechtspopulistische Lega hart kritisiert. Er warf ihnen vor, den geeinten Elan aus der ersten Zeit seiner Amtszeit nach und nach mit Partikularinteressen zerstört zu haben. Vor einer Woche verwehrten die Fünf Sterne Draghi bei einer Abstimmung über ein Hilfspaket für die Krise das Vertrauen und lösten damit eine Regierungskrise aus. Der Premier sagte, das verweigerte Vertrauen sei ein "bedeutendes politisches Signal" gewesen, das er nicht habe ignorieren können. "Im anderen Fall hätte das immer wieder passieren können."

Die Fünf Sterne um ihren Vorsitzenden Giuseppe Conte waren schon vor Draghis Rede entschlossen, in die Opposition zu wechseln. Bei der Lega war das zunächst anders, sie gab sich denn auch sehr verwundert über die harten Worte des Premiers. Die beiden Parteien forderten Draghi auf, eine neue Regierung mit neuen Ministern und einem neuen Programm anzuführen - ohne die Cinque Stelle. Die Rechte legte dafür eine Abstimmungsvorlage vor. Doch Draghi entschied sich für die Vertrauensfrage ohne Bedingungen.

In seiner Rede hatte Draghi gesagt, er habe sich überhaupt nur überzeugen lassen, es noch einmal zu versuchen, weil es in den vergangenen Tagen Appelle aus der Bevölkerung gegeben habe. Die Italiener, sagte er, wünschten sich politische Stabilität und Ernsthaftigkeit in diesen schwierigen Zeiten. Nur eine geeinte Regierung mit möglichst breiter Unterstützung im Parlament könne die Reformen garantieren, die das Land so dringend brauche. Doch die anstehende Wahlkampagne drängte etliche Parteien dazu, den Esprit der nationalen Einheit aufzugeben.

Theoretisch wäre es nun auch möglich, dass Staatspräsident Sergio Mattarella versucht, eine andere parteilose Persönlichkeit zu beauftragen, die mit einem knappen Pflichtprogramm das Land einige Monate weiterführt, das Haushaltsgesetz für das kommende Jahr ausarbeitet und die mit der EU ausgemachten Reformen für die 220 Milliarden Euro aus dem Wiederaufbaufonds umsetzt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: