Italien:Die Barolo-Affäre

Eine delikate Angelegenheit: Eine Intrige unter Winzern versetzt das Piemont in Aufruhr.

Von Oliver Meiler

Schon der Name: Barolo. Liegt er nicht elegant und rund in Ohr und Mund? Kaum vorstellbar, dass um diesen schönen italienischen Wein eine so böse Intrige entbrennen konnte, dass nun einer seiner bekanntesten Produzenten aus lauter Sorge in wenigen Wochen zehn Kilogramm Körpergewicht verlor. Und das im kulinarisch üppig bedachten Piemont, wo es einem richtig mies gehen muss, wenn man nicht mehr essen mag.

Die Geschichte beginnt mit einem anonymen Hinweis. Da meldete sich also unlängst ein Weinbauer bei der Staatsanwaltschaft von Cuneo, der Provinzhauptstadt, und berichtete Unerhörtes. Ein anderer Weinbauer, sagte er, befolge die strengen Regeln nicht, die für den Barolo gelten. Und dieser Rivale, der da belastet wurde, war nicht irgendwer, sondern ausgerechnet der Präsident des Konsortiums, der sich um den Schutz aller Weine der Region kümmern soll: Orlando Pecchenino, Erbe einer Weindynastie, 54 Jahre alt. Sein Ankläger behauptete also, Pecchenino keltere und lagere den Rotwein, den er als Barolo preise, nicht etwa in seinem dazugekauften Keller in Monforte d' Alba, sondern in Dogliani, wo sich das alte Familiengut befindet. Dazwischen liegen zwei Kilometer. Das klingt nach wenig, bedeutet in dieser Welt aber fast alles.

Die Vorschriften sind klar, spätestens seit 1966. Der Barolo, einer der teuersten und gefeiertsten italienischen Weine, muss aus hundert Prozent Nebbiolotrauben gewonnen werden, die in einer von elf Gemeinden in der Gegend der Langhe gewachsen sind - auf insgesamt 1984 Hektar Land. Und er muss auch dort altern. Monforte d' Alba ist eine dieser goldenen Gemeinden. Dogliani ist es nicht. Sollten die Ermittler, die dem Verdacht des Handelsbetrugs nachgehen, zu der Gewissheit gelangen, dass Pecchenino seinen Barolo tatsächlich in Dogliani reifen ließ, müsste er mindestens sechs Jahrgänge deklassieren. Sein Wein dürfte dann nur Nebbiolo heißen, obschon er beim Genuss ganz und gar an einen Barolo gemahnt, tanniert und schwer wie er ist. Der wirtschaftliche Ausfall wäre beträchtlich, mehrere Millionen Euro.

Nun fragt man sich natürlich, wer Pecchenino befehdet. Die Zeitung La Repubblica, die den Fall veröffentlicht hat, nennt es einen Thriller. "Niemand redet gerne", schreibt das Blatt, "in dieser Geschichte kommt vieles zusammen: die traditionelle Reserviertheit der Piemontesi, starke Freundschaftsbande und ebenso starke Interessen". Verhandelt werden zwei Thesen: Möglich wäre, dass sich ein Konkurrent Peccheninos, ein Nachbar, rächen will, weil er beim Verkauf eines guten Stück Landes übergangen wurde. Möglich wäre auch, dass eine große Kellerei außerhalb der goldenen Zone des Barolo die Vormachtstellung der Platzhirsche drinnen angreifen möchte. Der Unterschied zwischen drinnen und draußen ist groß. Für einen Hektar Weinberg im Anbaugebiet des Barolo bezahlte kürzlich ein amerikanischer Investor zwei Millionen Euro. Nur einige Meter jenseits der Grenze ist der Boden kaum etwas wert.

Pecchenino beteuert, er habe niemanden getäuscht. Sein Barolo sei in Monforte d' Alba gereift, in Fässern seines dortigen Kellers. "Doch Feinde lauern überall", sagt er. Selbst in den sanften Hügeln des südlichen Piemont.

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