Italien:Der Cavaliere als Cäsar

Berlusconi hat so viel Macht wie noch nie - diesmal sollte er sie zum Wohle Italiens einsetzen und "ein starker Schlossverwalter" werden.

Stefan Ulrich

Eineinhalb Jahrzehnte nach seinem Einstieg in die Politik ist Silvio Berlusconi mächtiger als je zuvor. Seine neue, vierte Regierung stützt sich auf eine satte Mehrheit im italienischen Parlament. Die rechte Koalition ist übersichtlicher und kompakter als zu früheren Zeiten.

Italien: Silvio Berlusconi, der neue alte Ministerpräsident Italiens.

Silvio Berlusconi, der neue alte Ministerpräsident Italiens.

(Foto: Foto: Reuters)

Berlusconis Kabinett, das sich am Donnerstag vereidigen ließ, wirkt wie seine Prätorianergarde. Die Schlüsselressorts - Finanzen, Justiz, Äußeres und Staatskanzlei etwa - hat er mit besonders engen Gefolgsleuten besetzt.

Auch die Hauptstadt Rom wird mittlerweile von einem rechten Verbündeten regiert. Zudem signalisieren Großindustrie und Finanzwelt, die dem Führer des "Volkes der Freiheit" einst kritisch begegneten, diesmal Zustimmung.

Die linke Opposition dagegen ist von ihren deftigen Wahlniederlagen gezeichnet, latent zerstritten und erst noch auf der Suche nach einer Strategie. Zugleich verstören Berlusconis demokratische Defizite, seine Stellung als Medientycoon und seine Probleme mit der Strafjustiz etwa, zwar weiterhin das Ausland.

Wie ein verfallendes Schloss

Eine klare Mehrheit der Italiener aber meint dazu heute: Chi se ne frega - das ist uns völlig egal. Italiens alter neuer Premier muss daher fürs Erste kaum mit Widerstand rechnen, weder politisch noch gesellschaftlich. Er selbst kündigt an, das Land mit starker Hand zu regieren, und sagt: "Wenn nötig, entscheide ich allein." Der Cavaliere als Cäsar.

Nun braucht Italien gewiss keinen Kaiser. Eine starke Regierung täte dem Land jedoch gut. Denn die Apenninen-Halbinsel wirkt wie ein früher mal prächtiges, nun aber verfallendes Schloss. Die Wege wachsen zu, die Beete verkrauten, das Dach leckt, durch die zersplitterten Fenster faucht der Wind.

Italien liegt im europäischen und internationalen Vergleich zurück, wirtschaftlich und strukturell. Sein Außenhandel verliert Marktanteile, die Auslandsinvestitionen sind unbefriedigend, das Autobahnnetz setzt längst keine Maßstäbe mehr, die Justiz ist ein "Desaster" (so der Präsident der Richtervereinigung), und die beste öffentliche Hochschule landet in einem internationalen Vergleich auf Platz 173.

Ein starker Verwalter, der das alte Schloss aufmöbelt, würde dringend gebraucht. Nur: Stärke ist eine Sekundärtugend. Entscheidend ist, wie und für was man sie benutzt. Berlusconi hat sein Geld, seine Medien und seinen politischen Einfluss in der Vergangenheit virtuos dafür eingesetzt, seine persönlichen Interessen zu fördern. Dem Land aber hat er wenig geholfen.

Sogar er selbst räumt ein, während seiner Regierungszeit von 2001 bis 2006 Reformen versäumt zu haben. Allerdings macht er dafür andere verantwortlich: zänkische Koalitionspartner, eine angeblich destruktive Opposition, die Wirtschaftsführer, den Staatspräsidenten. All diese Sündenböcke stehen diesmal nicht mehr zur Verfügung. Berlusconi hat nun alle Macht, um wirkungsvoll zu regieren. Für Erfolg oder Versagen bei der Sanierung des Landes muss er deswegen persönlich geradestehen.

Der Ministerpräsident ist sich dieser Lage durchaus bewusst. Mit 71 Jahren hat er fast alles an Macht und Reichtum erlangt, was er sich wünschen konnte. Nun lockt ihn noch ein Ziel: Er möchte nach den kommenden fünf Jahren als Premierminister zum Staatspräsidenten gewählt werden - und als großer italienischer Staatsmann in die Geschichte eingehen.

Um das zu schaffen, reicht es nicht mehr aus, wenn der Regierungschef bloß seinen eigenen Interessen dient. Er muss diesmal Italien dienen. Fraglich ist, ob er zu einem solchen Paradigmenwechsel in seinem Alter noch fähig ist. Die Erfahrung mit dem Cavaliere lehrt, skeptisch zu sein.

Abraham Lincoln hat gesagt: "Willst du den Charakter eines Menschen kennenlernen, so gib ihm Macht." Berlusconi ist nun besonders viel davon gegeben. Nicht nur Italien wartet gespannt darauf, was er diesmal damit anfängt.

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