Italien:Der Anti-Held

Pino Maniaci gab sich als großer Kämpfer gegen die Mafia, galt als "Held der Legalität" - doch nun gerät der Chef des Privatsenders Telejato selbst ins Zwielicht.

Von Oliver Meiler, Rom

Heldentum hat oft eine schrecklich kurze Halbwertszeit. Bei Pino Maniaci aus Partinico bei Palermo dauerte die Verklärung immerhin einige Jahre. In dieser Zeit nannte man ihn in Italien einen "Helden der Legalität", auch einen "Paladin gegen die Mafia". Als Direktor des kleinen privaten Fernsehsenders Telejato hatte Maniaci so manche Geschichte publik gemacht, die von den Geschäften der Cosa Nostra und von deren Verstrickungen in den Behörden kündete, von Fällen unseliger Verschmelzung von Unter- und Oberwelt. Überallhin wurde er eingeladen, damit er von seinem unerschrockenen Kampf gegen die sizilianische Mafia erzähle - vor Schülern, Studenten, angehenden Journalisten. Sein Gesicht stand für den Kampf gegen die Mafia, sein mächtiger Schnauzbart wurde zur Marke.

Nun steht ausgerechnet dieser Pino Maniaci unter dem dringenden Verdacht, Methoden der Mafia angewendet zu haben, um sich selbst zu bereichern. Die Staatsanwaltschaft von Palermo vermutet, dass er Bürgermeister und Stadträte erpresst hat, indem er ihnen mit der Ausstrahlung angeblicher Enthüllungen drohte, die sie belasteten.

Ins Visier der Ermittler geriet Maniaci zufällig, als die Staatsanwälte sich vor zwei Jahren entschieden, sich mit den neuen Strukturen der Mafia in den Nachbargemeinden Partinico und Borgetto zu beschäftigen. Sie hörten Telefongespräche mit und montierten Überwachungskameras in den Amtsstuben. Eine dieser Kameras hielt eine überraschende Szene im Rathaus von Borgetto fest, die mittlerweile ganz Italien gesehen hat: Man wohnt da bei, wie der Held mit dem Schnauzer eindringlich auf den Bürgermeister einredet und 466 Euro einfordert: "So bist du die Scheiße los", sagt Maniaci und nimmt das Geld entgegen.

"Alle machen sich in die Hose, weil ich sie auf meinem Sender in den Dreck ziehen kann."

Erhellend sind auch die Protokolle seiner Telefongespräche, die vom Dezember 2014 datieren. Damals hatte sein Heldentum erst richtig begonnen, landesweit, mit einem traurigen Bild seiner beiden Hunde. Maniaci hatte sie tot im Garten gefunden, aufgehängt am Zaun hinter dem Haus. Das Foto erschien in den Zeitungen. "Die Mafia", sagte Maniaci in alle Mikrofone, die ihm entgegengestreckt wurden, "versucht, mich einzuschüchtern." Es gab danach Appelle zur Solidarität mit dem bedrohten Fernsehdirektor. Auch Italiens Premierminister Matteo Renzi rief an, um ihm seine Nähe zu versichern.

In einem Telefonat sagt Maniaci zu seiner Geliebten: "Jetzt sind sie alle ganz aufgeregt, wirklich alle - stell dir vor, sogar dieser Scheißkerl Renzi hat mich angerufen." Die Hunde, so erfährt man nun, hat nicht etwa die Mafia getötet, als Warnung, sondern der eifersüchtige Mann von Maniacis Geliebter. Und offenbar wusste Maniaci das schon, als er die toten Hunde am Gartenzaun gefunden hatte. Auch das geht aus den Gesprächen hervor. Er ließ sich dann trotzdem allenthalben auszeichnen für seinen angeblichen Mut. In einem weiteren Gespräch hört man ihn sagen: "Ich bin eine Macht. Ich entscheide, was geht. Alle machen sich in die Hose, weil ich sie auf meinem Sender in den Dreck ziehen kann." Ein Geschäftsmodell, vermutet die Justiz.

Der Fall Maniaci passt in eine Reihe ähnlicher Fälle aus der jüngeren Vergangenheit, die der Glaubwürdigkeit der Anti-Mafia-Bewegung insgesamt schaden. Einige Paladine brauchten das Label offenbar nur als Deckmantel für ihre privaten Interessen.

Der Präsident von Palermos Handelskammer zum Beispiel geriet so in Verruf, außerdem ein hoher Vertreter des Arbeitgeberverbands und jene Richterin, die für die Beschlagnahmung der Güter von Cosa Nostra zuständig war. Pino Maniaci ist, sofern sich der Verdacht nachweisen lässt, das bisher prominenteste Beispiel aus der Gilde. Die Justiz verfügte fürs Erste, dass er sich von sofort an nicht mehr in Palermo und Umgebung aufhalten darf - dort, wo sie sich vor dem Journalisten in die Hose gemacht haben sollen.

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