Coronavirus in Italien:Sie kämpfen bis zur Erschöpfung

In Norditalien sind die Krankenhäuser überfüllt. Mediziner und Pfleger arbeiten mit aller Macht gegen Covid-19. Ihre Sorge ist, dass die Epidemie auch Mailand erfasst. Das wäre wie ein Tsunami, warnen sie.

Von Mario Calabresi

"Antonio, was meinst du?"

Es ist Freitag, der 21. Februar um 7.40 Uhr, als Antonio Castelli, 56, der Leiter der Wiederbelebungsabteilung des Luigi-Sacco-Krankenhauses in Mailand, diese Frage am Telefon hört. Und er versteht zunächst nicht, was der Anrufer meint. Castelli sitzt am Steuer seines Wagens, neben ihm seine Frau. Sie arbeitet als Herzchirurgin im selben Krankenhaus, er hat sie während des Medizinstudiums kennengelernt.

"Was soll ich sagen? Es war ein toller Urlaub, Prag ist wunderschön", antwortet er.

"Nein, Antonio, ich meine die Nachrichten", sagt der Anrufer, ein Kollege von einem anderen Krankenhaus in Mailand. Giacomo Grasselli leitet am Policlinico die Intensivstation.

Für einem Moment herrscht Schweigen. Die Frau von Antonio Castelli holt ihr Handy hervor und liest die Eilmeldung: In der Region Lodi in Norditalien gibt es die ersten Coronavirus-Fälle im Land.

"Jetzt ist es auch hier, Antonio", sagt Grasselli.

Und dann: "Wir bilden eine Notfall-Taskforce. Du musst sofort zurückkommen!"

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Nun ist plötzlich Realität, was sie jahrelang geübt haben

Eigentlich hatten Castelli und seine Frau geplant, auf dem Rückweg von Prag ein paar Tage in den österreichischen Alpen zu verbringen. Doch nun geht Antonio nicht mehr runter vom Gas, er eilt über den Brenner und kommt um 14 Uhr im Luigi-Sacco-Krankenhaus in Mailand an, das Ende der 1920er Jahre als Sanatorium für Tuberkulosepatienten gegründet wurde, bevor es 1974 zum Universitätskrankenhaus wurde. Seine Station ist menschenleer, keine Patienten, kein Arzt, niemand ist da. Er begreift sofort, dass das, was er und seine Kollegen jahrelang geübt und simuliert haben, nun plötzlich Realität geworden ist.

Castelli weiß: Dies ist kein Film, sondern es ist an der Zeit, dass er sich den Bart abrasiert. Den Bart, den er seit dreißig Jahren getragen hat.

Antonio Castelli

Damit die Masken besser haften, hat Antonio Castelli sich den Bart abrasiert.

(Foto: Privat)

Als er seine Reanimationseinheit betritt, blickt Castelli in ein Chaos, das von einer schnellen Flucht zeugt. "Also ging ich", erzählt er, "in die Abteilung für Infektionskrankheiten, wo wir simuliert hatten, wie wir mit der Ebola-Krise vor fünf Jahren umgehen würden. In der Zeit seit dem Telefonat war es meinen Kollegen gelungen, die gesamte Station zu evakuieren. Sie hatten vier Betten in einer abgeschlossenen Einheit eingerichtet, für Menschen mit hochansteckenden Krankheiten, um sie mit den ersten Patienten aus Codogno, dem Zentrum des Ausbruchs in der Lombardei, zu belegen. Einer von ihnen - erst 42 Jahre alt - war die Person, die als 'Patient zwei' bezeichnet wurde und Kontakt mit 'Patient eins' hatte. Alles schien sich in einem beispiellosen Tempo zu verschlimmern. Am darauffolgenden Montag, dem 24. Februar, wurden auf der Intensivstation schon elf Betten benötigt."

"Die Notfaufnahme platzte vor Patienten mit schweren Atemwegsbeschwerden"

Als er am Ende seiner Nachtschicht sein Smartphone einschaltet, erhält Castelli erneut einen Anruf von Giacomo Grasselli. Nun bittet dieser ihn, ins Krankenhaus von Lodi zu fahren, 30 Kilometer südöstlich von Mailand, um zu sehen, welche Unterstützung die Mediziner dort benötigten. Denn die Zahl der Coronavirus-Fälle ist dramatisch gestiegen.

Castelli springt sofort in sein Auto, ohne zu ahnen, was er in Lodi vorfinden würde. "Ich ging in die Notaufnahme, die buchstäblich vor Patienten mit schweren Atembeschwerden platzte. Sie waren überall, und wenn ich überall sage, meine ich, dass kein Stück des Fußbodens sichtbar war. Der am wenigsten ernste Fall schien eine Frau zu sein, die an ein Sauerstoff-Atemgerät angeschlossen war. Jemand hatte eine Flasche Wasser an ihre Trage gehängt, ein Detail, das mir als besonders menschlich erschien. Der Ort war überfüllt, 70 Männer und Frauen waren so eingeengt, dass sie kaum atmen konnten. Aber es war nicht chaotisch; es war seltsam geordnet. Bei jedem war die Verpflichtung zu spüren, seinen Dienst zu tun. Das werde ich nie vergessen."

Antonio Castelli trifft sich mit dem gesamten Personal: "Ihre Gesichter waren ausgelaugt, erschöpft, sie hatten das Gefühl, dass niemand die Schwere des Problems begriff. Ich sagte ihnen, dass ich nicht da sei, um sie zu kontrollieren, sondern nur, um von der unglaublichen Arbeit, die sie leisten, zu berichten."

"Ich war zu Tränen gerührt von der Widerstandsfähigkeit dieses Teams"

Der Chefmediziner der Notaufnahme in Lodi, Stefano Paglia, hatte zu diesem Zeitpunkt schon acht Tage durchgearbeitet. Er hatte nicht ein Mal seinen Fuß nach draußen gesetzt. Er kommunizierte mit seiner Frau und seinen Töchtern über Whatsapp und mühte sich, zwischen einer Welle von Patienten, die eintrafen, ein paar Stunden Schlaf zu ergattern.

In Lodi kamen die Patienten meist in zwei Wellen an: etwa ein Dutzend Patienten am frühen Morgen - und ein weiteres Dutzend am frühen Abend. Am Morgen kamen jene, die nicht schlafen konnten, die sich die ganze Nacht ängstlich hin und her gewälzt hatten und bis zum Tagesanbruch gewartet hatten, um Hilfe zu suchen. Am Abend kamen diejenigen, deren Zustand sich im Laufe des Tages verschlechtert hatte und die sich sorgten, was die Nacht noch bringen würde.

"Ich möchte, dass die Menschen wissen, was die Ärzte und Krankenschwestern in Lodi getan haben. Das war pures Heldentum. Und ich verwende diesen Begriff nicht leichtfertig", sagt Castelli. "Als sie mich über die Situation informierten, war ich fast zu Tränen gerührt von der Widerstandsfähigkeit und der Kompetenz dieses Teams. Noch in derselben Nacht wurden zehn Patienten von Lodi ins Sacco-Hospital in Mailand verlegt. 48 Stunden später, am Samstag, gelang es ihnen, die Aufnahme im Krankenhaus von Lodi für einen Tag zu schließen, um dem gesamten Personal eine Verschnaufpause zu verschaffen."

Stefano Paglia und Enrico Storti, der Chefmediziner der Reanimationseinheit in Lodi, haben eine eigene Technik entwickelt, um Patienten mit Covid-19 sofort zu identifizieren. Diese "Lodi-Methode", wie man sie nennen könnte, dürfte in die Medizingeschichte eingehen: "Sie basiert nicht auf der Temperatur des Patienten, sondern auf Atembeschwerden und dem Gebiet, aus dem er stammt", erklärt Castelli. "Mit dieser Methode wurden die ersten Patienten identifiziert, die isoliert werden mussten, und dann die schwersten Fälle von den leichteren unterschieden. Der Brustkorb wurde geröntgt und die Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen, nachdem die Patienten 50 Meter die Gänge auf- und abgegangen waren."

"Wenn die Wellen über dieses Riff laufen, dann liegt dahinter Mailand"

Am Nachmittag dieses 27. Februar schrieb Castelli seinen Bericht und verglich Lodi mit einem Riff, das "ständig von Wellen getroffen wird". Ein Riff deshalb, weil dieser Teil Italiens die härtesten Schläge abbekam. Die Bevölkerungsdichte ist dort recht gering. Wenn sich das Virus auch anderswo ausbreitet, davon ist Castelli überzeugt, könnte dies eine Katastrophe in Gang setzen. Deshalb muss die Epidemie schnell eingedämmt werden. "Wenn die Wellen über dieses Riff laufen", schreibt er, "dann liegt dahinter Mailand. Und das können wir nicht zulassen."

Seither sind fast vier Wochen vergangen. Hat die Welle Mailand bereits getroffen? "Nein. Zumindest nicht mit derselben Kraft", sagt Castelli. "Aber die Chance, dass Mailand von einem Tsunami überrollt wird, ist sehr hoch. Es hängt alles davon ab, ob die Bevölkerung in ihren Häusern bleibt und sich voneinander isolieren wird. Ich weiß nicht, was draußen passiert, aber ich höre, dass sich die Straßen endlich leeren. Als ich in den vergangenen Tagen Fotos von den Bars entlang der Navigli (die typischen Kanäle in und um Mailand; Anm. d. Red.) gesehen habe, während der Happy Hour, mit all den Leuten in den Restaurants, dachte ich, es sei reiner Wahnsinn. Junge Leute scheinen die wahnhafte Vorstellung zu haben, dass sie gegen die Ansteckung immun sind."

Zu dieser Haltung trägt auch das hohe Durchschnittsalter der Erkrankten und Toten bei. "Natürlich betreffen die meisten schweren Lungenentzündungen ältere Menschen", sagt Antonio Castelli, "aber auch junge Menschen wurden infiziert. Vergessen wir nicht, dass der 'Patient eins' 38 Jahre alt ist - und dass die erste Person, die er neben seiner Frau infiziert hat, ein 42-Jähriger war. Beide leben, aber sie lagen auf der Intensivstation. Es gibt nur eine Lösung, ganz egal wie alt Sie auch sein mögen: Man muss das Risiko der Ansteckung verringern. Wir können uns ein Beispiel an den Japanern nehmen: Kulturell gesehen neigen sie dazu, mehr Abstand voneinander zu halten, aber dennoch zeigen sie im Moment ein unglaubliches soziales Gewissen. Dass Menschen nun aus dem Norden Italiens geflohen sind, um in ihre Heimat in Süditalien zurückzukehren, ist schrecklich, wenn man bedenkt, dass viele von ihnen das Risiko einer Ansteckung in Gebiete mit weit weniger Strukturen und Ressourcen gebracht haben".

Die Ärzte haben ihren Kindern erklärt, warum sie sie nicht mehr küssen oder umarmen können

Die Mediziner auf der Intensivstation des Mailander Luigi-Sacco-Krankenhauses waren die Ersten, die ihren Betrieb komplett auf den Kampf gegen Covid-19 umgestellt haben, und sie haben dazu auch ihre Lebensweise drastisch verändert: Einige zogen in Hotels in der Nähe des Krankenhauses, ein anderer Arzt mietete eine Wohnung, aus Angst davor, seine Familie anzustecken. Die Mediziner sind zutiefst besorgt: Sie essen allein, sie haben ihren Kindern - auch den jüngsten - erklärt, warum sie diese nicht mehr küssen oder umarmen können; sie haben sich in ihren eigenen Wohnungen isoliert.

"Ich schlafe nicht mehr neben meiner Frau, ich schlafe auf dem Sofa-Bett, wir haben keinerlei Körperkontakt", erzählt Castelli. "Stellen Sie sich vor, ich würde nachts plötzlich anfangen zu husten und merke, dass ich mich mit dem Virus infiziert habe. Dann riskiere ich, dass ich auch meine Frau anstecke. Wir essen an entgegengesetzten Enden des Tisches, wir passen auf, dass wir nicht das Besteck des anderen anfassen, und sobald wir fertig sind, sorge ich dafür, dass ich derjenige bin, der alles in die Spülmaschine lädt."

Das Arbeitsleben im Luigi-Sacco-Krankenhaus verlangt ihnen das gleiche Maß an Aufmerksamkeit ab. Kein Detail dürfen sie übersehen, nichts vergessen, jeder weitere Tag fordert noch mehr von ihnen: "Ich denke immer wieder, dass wir nicht genug haben: Ein Bett mehr ist nicht genug, ein Arzt mehr ist nicht genug, und wir werden nie genug Operationshandschuhe haben", sagt Castelli. "Wenn man jemanden behandelt, der krank ist, wechselt man den zweiten Handschuh ständig, sogar zehnmal. Der erste ist wie eine zweite Haut, er reicht bis zum Ellbogen und man zieht ihn nie aus, wenn man arbeitet. Der andere wird endlos gewechselt, um das Risiko einer Ansteckung zu vermeiden. Wenn man sich auszieht, benutzt man einen Handschuh, um jedes Kleidungsstück zu entfernen: Ich ziehe mein chirurgisches Visier aus, um es zu reinigen, und ich muss den Handschuh wechseln; ich ziehe meinen Kittel aus, und wieder wechsle ich den Handschuh; wenn ich die Schuhe wechsle, wechsle ich den Handschuh erneut. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht von Erschöpfung niedergeschlagen werden. Wenn es mitten in der Nacht ist und Sie als Arzt Ihre Bemühungen auf die Kranken konzentrieren, können Sie manchmal vergessen, ob Sie alle Sicherheitsvorkehrungen eingehalten haben - und dann schlägt die Angst zu. Man kann nie zu konzentriert sein".

Plötzlich gehen Umbauten innerhalb von Stunden, für die es früher Jahre brauchte

An jedem einzelnen Tag in dieser Woche wird in dem Mailänder Krankenhaus Platz für neue Betten geschaffen. Aber es scheint so zu sein, dass es nie genug davon gibt.

"Am Freitag, dem 6. März, wurden wir gebeten, die Anzahl der Betten bis zum Ende des Tages zu verdoppeln", erzählt Antonio Castelli. "Wir sollten 22 Betten installieren, aber es war technisch nicht möglich. Wir hätten eine weitere Station nutzen können, aber es gab nicht genug Druckluft, eine wichtige Komponente für die Befestigung von Beatmungsgeräten. Es war 14:30 Uhr, als das Treffen zwischen der Krankenhausverwaltung und den Ingenieuren zu Ende ging. Eine halbe Stunde später kamen die Techniker, und noch vor 19 Uhr war eine Leitung mit Druckluft in die Wände eingebaut worden. Ich sah, wie eine Intensivstation in Rekordtempo eingerichtet wurde. Sie war so gut konstruiert, dass es schien, als wäre sie schon immer da gewesen, nichts Instabiles, keine losen Kabel oder Rohre. Wir haben vier Jahre lang um Verbesserungen auf der Station gebeten, und wir haben sie in vier Stunden erhalten. Wir scheinen nur im Notfall handeln zu können, aber nie, wenn etwas geplant werden muss. Es macht mich wütend, dass dieses Land nicht in der Lage ist, gewöhnliche Dinge zu tun, aber dann doch fähig ist, Wunder zu bewirken."

Die 22 Betten wurden sofort mit Menschen aus Lodi, Cremona und Bergamo belegt. Um den Krieg gegen das Coronavirus zu gewinnen, hat das Luigi-Sacco-Hospital 25 Ärzte in der Wiederbelebungseinheit konzentriert, die Zahl der Krankenschwestern wurde von 30 auf 60 verdoppelt. Die Arbeitsbelastung wird dennoch jeden Tag größer.

Der eigentliche Engpass ist die Anzahl der Krankenschwestern

"Es gibt Pläne", sagt Antonio Castelli, "eine weitere Etage für die Intensivstation zu bauen, aber die Krankenschwestern sind von grundlegender Bedeutung. Ohne sie macht es keinen Sinn, Ärzte hinzuzuziehen oder Sauerstoffschläuche zu installieren. Sie sind es, die den Unterschied machen. Sobald diese Sache in Gang kam, kamen sie in Massen, auf freiwilliger Basis, alle bereit, sich einzubringen. In Zeiten wie diesen tritt die ursprüngliche Motivation, die uns veranlasst hat, diesen Job zu wählen, in den Vordergrund - und zwar bei uns allen."

Was aber passiert, wenn es zu viele Infizierte gibt, die ein Atemschutzgerät brauchen? Wenn es nicht mehr genügend neue Betten gibt? Dieser Moment scheint nahe zu sein.

"Die Grundregel guter Medizin muss sein, sich mitfühlend der Frage zu nähern, wie die Versorgung ausbalanciert wird", sagt Castelli. "Das bedeutet nicht, dass man einige Patienten im Stich lassen muss, sondern nur, dass man zwischen dem erforderlichen Versorgungsniveau unterscheiden muss. Es ist sehr wichtig, dass die italienische Vereinigung der Anästhesisten und Reanimationsärzte ein Memorandum herausgegeben hat, das Empfehlungen zur medizinischen Ethik in Ausnahmesituationen enthält, wie wir sie jetzt erleben. Ein nüchternes und offenes Dokument, das angesichts der begrenzten Ressourcen bekräftigt, dass wir einer höheren Lebenserwartung Vorrang einräumen müssen."

Seine 22 Patienten sind vollständig sediert, einige von ihnen wurden mit dem Gesicht nach unten intubiert - eine Technik, die in Mailand entwickelt und dann weltweit eingesetzt wurde. "Sie schlafen alle, sie werden sich nicht an die Schmerzen erinnern. Wenn sie zurückkommen, um uns mit einem Tablett mit Gebäck zu danken - denn das wird unserer Erfahrung nach passieren -, werden sie sich nur daran erinnern, wie durstig sie waren", sagt Castelli.

"Wir sind erschöpft, und die Angst ist unser ständiger Begleiter"

Von den ersten vier Patienten aus Codogno, die vor mehr als drei Wochen eingeliefert wurden, starb einer nach drei Tagen; zwei sind immer noch an den Maschinen befestigt und schlafen; und einer hat die Station verlassen und atmet selbständig.

"Der Weg, der vor uns liegt, ist lang, und jeden Tag kommt mindestens ein neues Bett auf der Intensivstation hinzu, um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein", sagt Antonio Castelli. "Wir sind erschöpft, und die Angst ist unser ständiger Begleiter geworden, seit vier von uns, zwei Pulmologen und zwei Assistenzärzte, infiziert wurden. Einer der schwierigsten und spannendsten Momente ist der, wenn ein Schichtwechsel stattfindet und viele von uns sich gleichzeitig aus- und wieder anziehen. Es genügt, wenn jemand hustet, um einen Massenalarm auszulösen."

Die Arbeit mit den Corona-Infizierten hat die Ärzte im Sacco-Krankenhaus verändert - innerlich, und auch äußerlich. "Auf meiner Station hatten wir alle Bärte", erzählt Castelli. "Wir haben sie abrasiert, damit unsere Masken besser haften können. Aber jeden Tag in unserer Whatsapp-Gruppe wiederhole ich: Denkt daran, dass wir unsere Bärte wiederbekommen. Wenn alles vorbei ist - denn irgendwann wird alles vorbei sein -, lassen wir sie wieder wachsen."

Mario Calabresi arbeitet als freier Journalist und Buchautor in Italien und betreibt einen Blog, auf dem dieser Text zuerst erschienen ist. Er war sieben Jahre Chefredakteur der Tageszeitung La Stampa und danach drei Jahre Chefredakteur von La Repubblica.

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