Italien:Krieg bei den Sternen

Italien: Giuseppe Conte, "capo politico" der Cinque Stelle, ist nach einem Gerichtsurteil seinen Job als Parteichef erst einmal los.

Giuseppe Conte, "capo politico" der Cinque Stelle, ist nach einem Gerichtsurteil seinen Job als Parteichef erst einmal los.

(Foto: Cecilia Fabiano/AP)

Die große Protestpartei Cinque Stelle implodiert. Ein Zivilgericht hat Statut und Spitze demontiert. Und im Innern befehdet man sich so sehr, dass am Ende vielleicht nur Sternenstaub übrig bleiben wird.

Von Oliver Meiler, Rom

Bei den Cinque Stelle, der größten Partei im italienischen Parlament, fällt gerade alles spektakulär auseinander. Ein Zivilgericht in Neapel hat der Berufung von drei Aktivisten der früheren Protestbewegung recht gegeben und das neue, erst im vergangenen August verabschiedete Parteistatut wegen "schwerer Mängel" außer Kraft gesetzt. Damit verliert die Partei auch gleich ihre neue Spitze: Der capo politico, Italiens ehemaliger Premier Giuseppe Conte, ist suspendiert. Seine vier Vizes, die Chefs der thematischen Gruppen, das sogenannte Garantiekomitee - weg.

Diese Premiere in der Geschichte des Landes, schreibt La Repubblica in einem Kommentar, sei schon allerhand: "Die Bewegung, die in ihren Anfängen die Richter aufgefordert hatte, die alten Parteien hinzurichten, wacht an einem Februarmorgen auf und merkt, dass sie von einem Zivilgericht geköpft wurde." Der Corriere della Sera schreibt von einer "Implosion der Sterne".

Das sind übertrieben dramatische Töne, doch verwunderlich sind sie nicht. Bei ihrem Aufstieg hat die Bewegung des Komikers Beppe Grillo alle angegriffen, die sie zur verdammenswürdigen Elite zählte - auch die giornaloni, die großen Zeitungen, denen sie vorwarf, die Kaste der Mächtigen zu schützen, das angebliche System. Nun, da sie seit einigen Jahren das Land mitregieren, sind die Cinque Stelle selbst Teil des Establishments geworden. Viele ihrer als unverhandelbar gewähnten Prinzipien und politischen Ziele haben sie dem Verbleib an der Macht geopfert.

So ernten sie nun neben viel Kritik, interner und externer, auch tonnenweise Häme von denen, die sich über Jahre hinweg ihre laut vorgetragene Moral auf den Piazze und in den Fernsehstudios anhören mussten. Von den 33 Prozent der italienischen Wählerinnen und Wähler, die ihnen 2018 bei den Parlamentswahlen ihre Stimmen gegeben hatten, würden das nun nur noch etwa 15 Prozent tun. Mehr als die Hälfte ist also desillusioniert, seit sie die Sterne in der Verantwortung gesehen haben, etwa auch als Bürgermeisterinnen von Rom und Turin.

Nach ihrer unglücklichen Rolle bei der Wahl des neuen und alten Staatspräsidenten vor eineinhalb Wochen im Parlament macht es den Anschein, als laufe die endgültige Selbstdemontage der Partei. Als Illustration lohnt ein Blick in die sozialen Medien, wo sich die verschiedenen Seelen der Bewegung mit einer Vehemenz befehden, dass am Ende wohl nur Sternenstaub übrig bleiben wird.

Nun ist Beppe Grillo zurück und warnt vor "abenteuerlichen Initiativen"

Im Zentrum steht das Duell zwischen Giuseppe Conte und Luigi Di Maio, dem amtierenden Außenminister Italiens. Die beiden können schon länger nicht mehr miteinander, da spielen auch persönliche Animositäten eine Rolle. Bei der Wiederwahl Sergio Mattarellas explodierte der Streit. Conte warf Di Maio vor, der habe seine Strategien hintertrieben, ja, gezielt sabotiert. Der junge Di Maio, muss man dazu sagen, hat sich in den vergangenen Jahren zum schlauen politischen Taktiker gewandelt, so sehr, dass man ihm in dieser durchaus fragwürdigen Kategorie die Qualitäten eines alten, gewieften Christdemokraten nachsagt. Zwei Tage vor dem Gerichtsurteil in Neapel zum Parteistatut verließ Di Maio das dreiköpfige Garantiekomitee der Partei, was vielen suspekt vorkommt. Sah er etwas kommen? Oder wusste er vielleicht sogar, was da kommen würde? Di Maio, heißt es nun allenthalben, komme schließlich aus Pomigliano d'Arco bei Neapel, da habe er sein Netz.

Conte versuchte zunächst, die Niederlage wegzureden und wirkte dabei ungewohnt nervös, zumal für einen ehemaligen Premier. In einer Talkshow auf dem Sender La 7 griff er die giornaloni an, die alles verzerrten - man hörte das Echo aus einer anderen Zeit. Seine Leadership, beteuerte Conte, der von Beruf Rechtsanwalt ist, sei politisch, nicht juristisch.

Tatsächlich war er im vergangenen Sommer von 92 Prozent des parteiinternen Wahlgremiums zum Chef gewählt worden. Seine Popularität im Volk war seit seiner Zeit als ruhiger und mutiger Regierungschef in der ersten Pandemiephase noch immer so groß, dass man bei den Cinque Stelle mit neuem Elan rechnete. Doch bei seiner Wahl gab es ein Problem, das die Kläger beanstanden: Es durften damals nur jene 114 000 Mitglieder an der Onlineabstimmung teilnehmen, die schon seit mehr als sechs Monaten im Register eingeschrieben waren. Ausgeschlossen waren demnach etwa 81 000, die neu dabei waren. Nun ist es sehr wahrscheinlich, dass auch von diesen die meisten für Conte gestimmt hätten, weil er nun mal die größte Hoffnung war. Conte sagte deshalb, man werde nun einfach noch einmal wählen lassen, diesmal alle 195 000, dann werde man schon sehen.

Doch Urteil ist Urteil. Und Conte, der bis zu seiner Wahl selbst nicht einmal Mitglied der Partei gewesen war, ist nicht mehr deren Chef: Er kann also auch keine neue Abstimmung anberaumen. Die Macht kehrt dorthin zurück, wo sie zu Beginn und dann für lange Zeit gewesen war: zu Beppe Grillo, dem Gründer, Guru und "Garanten" der Bewegung. Am Dienstag meldete sich Grillo in einem Post auf seinem Blog zu Wort: "Urteile respektiert man", schrieb er da, was sich wie eine Maßregelung Contes las. Er werde mit Conte reden. In der Zwischenzeit lade er alle ein, sich in Stille zu üben und keine "abenteuerlichen Initiativen" zu ergreifen. "Die Lage, das können wir nicht abstreiten, ist sehr kompliziert." Es braucht nicht mehr viel, und alles fliegt auseinander - wie eine Supernova.

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