An verbindlichen Worten war kein Mangel beim Besuch von Giorgia Meloni in China. „Es gibt eine wachsende Unsicherheit auf internationaler Ebene, und ich denke, China ist zwangsläufig ein sehr wichtiger Gesprächspartner bei all diesen Dynamiken“, sagte die italienische Ministerpräsidentin am Montag bei einem Treffen mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Peking, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. „Wir müssen von unseren jeweiligen Standpunkten aus gemeinsam darüber nachdenken, wie man Stabilität, Frieden und Freihandel sichern kann.“
Und Xi Jinping erwiderte, China begrüße Investitionen italienischer Unternehmen. Auch sei China bereit, mehr hochwertige italienische Produkte zu importieren. Das war eine Reaktion auf die Kritik Melonis bei einem Wirtschaftsforum in Peking am Sonntag, bei dem sie das Handelsungleichgewicht beklagt hatte. Die chinesischen Investitionen in Italien machten nur ein Drittel der italienischen Investitionen in China aus, sie würde gerne sehen, dass sich diese Kluft verringere, hatte Meloni gesagt.
Ihre westlichen Kollegen beobachten Melonis Auftritt ganz genau
Gemeinsam mit Premier Li Qiang unterzeichnete sie einen Drei-Jahres-Aktionsplan zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Ziel sei es, „bereits geleistete Arbeit zu verstärken, aber auch neue Formen der Zusammenarbeit zu erkunden und zugleich ein Gleichgewicht der Handelsbeziehungen zu schaffen“, so Meloni später beim Treffen mit Xi Jinping.
Meloni steht bei der fünftägigen Reise nach Peking und Shanghai – als alleinerziehende Mutter wie häufiger von ihrer Tochter Ginevra begleitet – unter großem Druck. Ihre westlichen Kollegen registrieren ihren Auftritt dort sehr aufmerksam, wie sie ohnehin als lange Zeit einzige hart rechte Regierungschefin eines klassischen EU-Landes unter besonderer Beobachtung steht. Würde sie im Stile eines Viktor Orbán auf Konfrontationskurs zur westlichen Wertegemeinschaft gehen?
Bisher tat sie das nicht, im Gegenteil, sie war immer dann besonders erfolgreich, wenn sie die Mächtigen der Welt im Einzelgespräch von ihrem Pragmatismus überzeugen konnte. Das gelang ihr offensichtlich bei ihrem Antrittsbesuch in Washington bei US-Präsident Joe Biden, der ihr Weltbild in gesellschaftspolitischen Fragen sicher nicht teilt, sie aber erkennbar schätzt. Und das scheint ihr jetzt gerade auch bei Chinas Präsident Xi Jinping zu gelingen, obwohl dieser mit Meloni eine Rechnung offen hatte.
Immerhin war ihre römische Drei-Parteien-Koalition Ende des vergangenen Jahres aus der sogenannten Neuen-Seidenstraßen-Initiative, der „Belt and Road Initiative“, ausgestiegen, mit der China seit 2013 Hunderte Milliarden Dollar in Investitionsprojekte auf den Routen nach Westen investiert. Für Xi Jinping, der das Abkommen in Rom 2019 bei einem pompösen und symbolträchtigen Besuch besiegelt hatte, war das ein herber Imageverlust. Italien war das einzige westliche Land von Gewicht, dass dieser Initiative je beigetreten war, ein Erbe der Links-Rechts-Regierung von Guiseppe Conte, der zwischen 2018 und 2021 Ministerpräsident war.
Man dürfe China nicht nachhaltig verärgern, heißt es aus Unternehmerkreisen
Während China betont, dass es ja Investitionen in den Zielländern unterstütze, wird das Projekt im Westen vor allem als Versuch gesehen, chinesische Macht auszubauen und Abhängigkeiten zu schaffen. Meloni war seit Regierungsantritt massivem Druck vonseiten der USA und auch der EU ausgesetzt, diese privilegierte Partnerschaft zu beenden – was sie dann auch tat. Das fiel ihr insofern leicht, als sich die mit der Mitgliedschaft verknüpften wirtschaftlichen Hoffnungen Italiens nicht erfüllt hatten.
In Unternehmenskreisen wird allerdings auch darauf verweisen, dass der riesige Markt China ein lebenswichtiger Handelspartner sei, den man nicht nachhaltig verärgern dürfte. Dem Ziel, im Gespräch zu bleiben und die Zusammenarbeit auszubauen, ohne sich weiter abhängig zu machen, dienten auch Besuche deutscher Spitzenpolitiker wie von Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck. In diese Reihe scheint sich Meloni jetzt erfolgreich eingereiht zu haben. Die Einweihung einer Marco-Polo-Ausstellung aus Anlass des 700. Todestages des venezianischen Fernhändlers sollte die langen und nachhaltigen Beziehungen beider Länder und Kontinente bekräftigen.
Nach dem eineinhalbstündigen Gespräch lud der chinesische Staats- und Parteichef zum Abendessen in die Staatsresidenz Diaoyutai im Herzens Pekings. Zuletzt hatte er dort den ungarischen Ministerpräsidenten auf seiner selbst ernannten Friedensmission empfangen. Orbán war – anders als Meloni – ohne den Segen der EU unterwegs gewesen.