Italien:Blaues Wunder

Italy's Prime Minister Renzi arrives at a euro zone EU leaders emergency summit in Brussels

Signori, die fetten Jahre sind vorbei: Ministerpräsident Matteo Renzi.

(Foto: Eric Vidal/Reuters)

Regierungschef Renzi schafft Privilegien für Staatsdiener ab, darunter das "auto blu", Symbol einer Kaste.

Von Oliver Meiler, Rom

In Italien war es auch schon mal lustiger und feudaler, Politiker oder Beamter von Rang zu sein, als in diesen Zeiten wachsender Nüchternheit. Die Herrschaften, die den Staat in allen seinen Institutionen führen, national oder regional, kommunal oder exekutiv, legislativ oder judikativ, genossen bisher Privilegien in einer Üppigkeit, wie sie wohl einzigartig war in Europa. Das Auto blu , die dunkelblaue Dienstlimousine mit dem leicht greifbaren Blaulicht im Handschuhfach, war stets der Inbegriff der Maßlosigkeit, das sichtbarste Statussymbol der politischen Kaste.

Vor den Ämtern, den Ministerien und den Parlamentskammern standen sie jeweils in großer Zahl, fein poliert. Schick gekleidete Chauffeure lehnten an den Kühlerhauben, nicht selten mit Sonnenbrille, und warteten stundenlang auf das Ende der Sitzungen, um das Staatspersonal zum Mittagessen oder zum Diner zu fahren, zum Flughafen oder nach Hause. Schnell natürlich, mit Blaulicht ganz ohne Not, vorbei am Verkehr des verärgerten Volks.

Vor zwei Jahren, als Matteo Renzi die Regierung übernahm, gab es in Italien 56 600 Auto blu, eine verrückt hohe Zahl. Sie kosteten die italienischen Steuerzahler eine halbe Milliarde Euro im Jahr. Leisten konnte sich Italien diese Extravaganz ja eigentlich noch nie. Doch in der Schuldenkrise, unter dem Spardruck aus Brüssel, war sie unhaltbar geworden. Das wussten schon Renzis Vorgänger, sie leisteten die Vorarbeit, begannen zu zählen und zu rechnen.

Das "auto blu" soll nur noch für den strikten Dienstgebrauch da sein

Bei seinem Amtsantritt sagte Renzi, er werde 1500 dieser Autos auf Ebay versteigern, wie er das als Bürgermeister von Florenz getan hatte. Sollte heißen: "Signori, die fetten Jahre sind vorbei." Das klang gut, war aber übertrieben: Mehr als hundert gingen nicht weg über Ebay. Aber es war ein Anfang. Im vergangenen Jahr schrumpfte der Autopark nun um 20 665 Stück, landesweit. Die meisten Wagen wurden verkauft oder an gemeinnützige Organisationen verschenkt, die sich im Dienst des Staates um kranke und sozial bedürftige Menschen kümmern. Doch auch das ist noch viel zu wenig. Renzis Ziel ist es, das Privileg künftig wirklich nur jenen angedeihen zu lassen, die es verdienen und gebrauchen können. In den Ministerien soll es darum nur noch je fünf Auto blu geben, und die sollen dann allein dazu dienen, die Herrschaften von einem Punkt ihrer dienstlichen Mission zum anderen zu bringen. Und nicht mehr.

Einfach ist der Kulturwandel nicht, ein bisschen Drohung braucht es schon, um ihn zu fördern. Das Parlament hat nun ein Gesetz verabschiedet, das den außerdienstlichen Gebrauch des Auto blu sogar unter Strafe stellt: Sechs Monate bis drei Jahre Haft drohen, wenn der Dienstwagen für private Zwecke genutzt wird, etwa für den Heimweg vom Arbeitsplatz oder umgekehrt. Das läuft bald unter Amtsunterschlagung.

Die Abgeordnetenkammer hat das Gesetz mit 387 Ja- zu null Nein-Stimmen verabschiedet; 19 Parlamentarier von Forza Italia, der Partei von Silvio Berlusconi, enthielten sich der Stimme. Nun muss das Gesetz noch in den Senat. Tritt es dann in Kraft, werden auch jene zuständigen Beamten mit Geldstrafen von 5000 bis 10 000 Euro belangt, die es trotz mehrfacher Aufforderung unterlassen haben, den Bestand ihrer Auto blu nach Rom zu melden. Von diesen Zögerlichen gibt es einen ganzen Haufen, vor allem in den Gemeinden. Es ist, als hofften sie, der Wandel lasse sich auf diese Weise doch noch aufhalten, der Rausch dauere dann noch etwas an. Dabei gehen der Kaste gerade einige Lichter aus.

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