Italien: Berlusconi wieder Single:Eine Scheidung als Staatsakt

Schluss mit lustig: Warum Veronica Lario, die Ehefrau des italienischen Premiers Silvio Berlusconi, genug von den Eskapaden ihres Mannes hat - und ihre Anwältin mit schweren Angriffen rechnet.

Stefan Ulrich, Rom

Italien im Frühjahr 2009: Das Land liegt Premier Silvio Berlusconi zu Füßen. Doch ausgerechnet seine Ehefrau, Veronica Lario, leistet ihm öffentlich Widerstand. Vergangenen Dienstag kritisierte sie in einer Erklärung angebliche Pläne des Gemahls, blutjunge Showgirls, Sängerinnen und andere Schönheiten für die Wahl zum Europaparlament aufzustellen.

Italien: Berlusconi wieder Single: Einer der seltenen gemeinsamen Auftritte von Veronica Lario und Silvio Berlusconi im Jahr 2007.

Einer der seltenen gemeinsamen Auftritte von Veronica Lario und Silvio Berlusconi im Jahr 2007.

(Foto: Foto: dpa)

Nun geht die 52 Jahre alte Signora Lario noch weiter: Sie bestätigte am Sonntag, sich von ihrem zwei Jahrzehnte älteren Mann zu trennen. "Ich will den Vorhang fallen lassen", sagte die frühere Theaterschauspielerin. Das sei für sie eine Frage der Würde.

Überraschend ist, dass sich Veronica Lario erst jetzt zur Scheidung entschließt. Seit langem wirkt es, als existiere ihre Ehe nur auf dem bunten Papier der Klatschmagazine aus dem Medienimperium ihres Mannes. Dort ließ der Cavaliere, wie Berlusconi genannt wird, sporadisch Fotogeschichten drucken, die ihn in trauter Zweisamkeit mit der Gattin zeigten.

In Wirklichkeit soll Veronica Lario seit Jahren an eine Scheidung denken. Ihre seltenen öffentlichen Äußerungen belegen, dass sie politisch wie persönlich Probleme mit dem Gatten hat. Mehrfach gab sie zu verstehen, sie sympathisiere mehr mit Parteien der Linken als mit der rechten Bewegung Berlusconis. Die gebildete Frau gab sich als liberale Feministin und unabhängige Intellektuelle.

Das Hahnen-Gehabe des Cavaliere, seine anzüglichen Witzchen und sein chronisches Turteln mit Frauen, die seine Enkelinnen sein könnten, entnervte Veronica Lario als Ehefrau und als Bürgerin, die sich um die Gleichberechtigung der Geschlechter bemüht. Sie zeigte sich demonstrativ selten an der Seite ihres Mannes und begleitete ihn fast nie auf Auslandsreisen.

Lieber blieb sie in ihrer Villa bei Mailand und widmete sich ihren drei Kindern. In den Medien wird spekuliert, sie habe aus Rücksicht auf diese Kinder so lange mit Berlusconi ausgehalten. Womöglich habe sie Sorgen gehabt, die drei könnten sonst gegenüber Berlusconis Tochter und Sohn aus einer früheren Ehe benachteiligt werden.

Schon vor zwei Jahren war Veronica Lario aber mit ihrer Geduld am Ende. Da hatte ihr Mann, mit dem sie seit fast 30 Jahren zusammen ist, gerade auf einer Show-Veranstaltung dem früheren Nacktmodell Mara Carfagna einen spaßigen Heiratsantrag gemacht. Frau Lario forderte von Berlusconi in einem öffentlichen Brief auf Seite Eins der Tageszeitung La Repubblica eine Entschuldigung. Berlusconi kam dem sofort in einer theatralischen Erklärung nach.

Der Geburtstag der 18-Jährigen

Geändert hat er sich nicht. Bei der Eröffnungssitzung des neuen Parlaments vor einem Jahr tauschte er schäkernde Briefchen mit zwei jungen weiblichen Abgeordneten aus. Das Ex-Kalendermädchen Mara Carfagna machte er zur Ministerin - für Gleichstellungsfragen!

Italien: Berlusconi wieder Single: Dank Silvio Berlusconi vom Kalendermädchen zur Gleichstellungsministerin: Mara Carfagna.

Dank Silvio Berlusconi vom Kalendermädchen zur Gleichstellungsministerin: Mara Carfagna.

(Foto: Foto: dpa)

Seine von der Presse beschriebenen Pläne, bei der Kandidatenaufstellung für die Europawahl mehr auf Formen als aufs Format zu setzen, erbosten Veronica Lario erneut. Sie schimpfte vergangenen Dienstag über die "Luder im Dienste der Macht", die "zum Vergnügen des Imperators" aufgestellt würden.

Der "Imperator" wetterte zurück, "die Signora", er meinte seine Frau, habe sich von der "linken Presse" aufhetzen lassen. Wundersamerweise verschwanden jedoch einige der Showgirls aus der Diskussion um die Europawahlliste von Berlusconis Partei.

Noch eine andere Eskapade ihres Mannes setzte Veronica Lario vergangene Woche zu: Berlusconi erschien auf einer Party zum 18. Geburtstag einer Neapolitanerin. Diese nannte den Premier "Papi" und erzählte Journalisten, sie treffe ihn oft in Mailand oder Rom - "weil der Ärmste so viel arbeitet und nicht immer nach Neapel kommen kann". Italien rätselt nun, was Berlusconi mit der jungen Frau verbindet. Veronica Lario sagte: "Die Sache hat mich sehr überrascht, auch weil er nie zu den 18. Geburtstagen seiner Kinder gekommen ist."

Kurz darauf rief Signora Lario ihre Anwältin wegen der Scheidung an. Die Juristin warnte, die Trennung vom reichsten und mächtigsten Mann Italiens werde nicht einfach. Sie müsse mit "schweren Angriffen" rechnen. Veronica Lario sagte: "Ich weiß. Doch ich will vorangehen."

Berlusconi dagegen tat am Sonntag, was er selten macht: Er schwieg. Auf der Internetseite seiner Partei "Volk der Freiheit" gingen Protestschreiben und Beschimpfungen gegen seine Noch-Ehefrau ein. Womöglich wird sich die Mehrheit der Italiener auch in diesem Konflikt auf die Seite ihres Premiers schlagen. Das wäre dann keine Frage der Würde, sondern eine Frage der Macht.

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