Italien:Berlusconi und die Neuwahlen

Silvio Berlusconi soll sich die Zustimmung des Koalitionspartners Lega Nord zu weiteren Sparmaßnahmen teuer erkauft haben: mit dem Versprechen, Neuwahlen einzuleiten. Die Lega dementiert eine solche Übereinkunft. Allerdings ist es keine Neuigkeit, dass der Partei vorgezogene Wahlen sehr gelegen kämen. Denn Lega-Chef Bossi fürchtet, dass er selbst vom Niedergang Berlusconis erfasst wird.

Andrea Bachstein, Rom

Italiens Premier Silvio Berlusconi soll sich die Zustimmung seines Koalitionspartners für die von der EU geforderten Sanierungsmaßnahmen teuer erkauft haben. Die Lega Nord habe dafür die Zusage für vorzeitige Neuwahlen im Frühjahr 2012 bekommen, berichteten italienische Medien am Mittwoch, ohne Quellen zu nennen. Die vertrauliche Abmachung enthalte auch, dass Berlusconi bis zum Januar zurücktrete. Eine Sprecherin der Lega Nord dementierte aber, dass ein Pakt geschlossen worden sei.

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Rentenreform gegen Neuwahlen? Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi (links) und der Chef der Lega Nord, Umberto Bossi, sollen einen Pakt geschlossen haben.

(Foto: AFP)

Um das 15-Seiten-Papier, mit dem Berlusconi zum EU-Gipfel gereist ist, hatte die Koalition zwei Tage lang gerungen, bis an den Rand des Bruchs. Wegen des bis Mittwoch gesetzten Ultimatums aus Brüssel stand Berlusconi unter extremem Zeitdruck. Monatelang hatte seine Regierung kein Wirtschaftsprogramm vorgelegt, wie es EZB, EU, Italiens Notenbank und Unternehmer angesichts der dramatischen Staatschulden in Höhe von 1900 Milliarden dringend verlangt hatten. Noch letzte Woche hatte der Premier geäußert, er sehe keine Eile für solche Maßnahmen.

Das beschlossene Papier für Brüssel war bis Mittwochmittag nicht veröffentlicht und lag auch der EU nicht vor. Positiv äußerte sich darüber aber bereits Mario Draghi, scheidender Präsident der italienischen Notenbank und künftiger Chef der Europäischen Zentralbank. Das Dokument sei ein organischer Reformplan für die Wirtschaft, sagte er. Soweit bekannt, enthält es verschiedene Arbeitsmarktreformen, wirksamere Steuerkontrollen, Infrastrukturprojekte und die Privatisierung von Staatseigentum.

Der große Konfliktpunkt darin sind aber Änderungen im Rentensystem, insbesondere die allmähliche Erhöhung des Eintrittsalters auf 67 Jahre bis 2026. Nur eine "Mini-Einigung" nennen italienische Medien, was dabei erzielt worden ist, denn nicht alle Fragen zur Rente sind gelöst. Lega-Chef Umberto Bossi hat sich bis zuletzt geweigert, zuzustimmen. Noch bis zum Dienstagabend schien er bereit zu sein, die Regierung an dieser Frage zerbrechen zu lassen. Sie ist ohnehin seit Monaten durch innere Zerwürfnisse und die Konflikte um die Person Berlusconi geschwächt und steht immer wieder vor Mehrheitsproblemen in der Abgeordnetenkammer.

Berlusconis Zukunft ist offen

Nicht auszuschließen ist aber, dass Bossi nur nervenstark gezockt hat. Es wäre nicht das erste Mal, dass er Berlusconi mit der Drohung, die Regierung zu verlassen, regelrecht erpresst. Auch wenn die Lega eine heimliche Übereinkunft darüber dementiert - dass Bossi und andere in der Lega vorgezogenen Wahlen im Frühjahr nicht abgeneigt sind, ist keine Neuigkeit. Bossi fürchtet die Erosion seiner Wählerschaft und dass er selbst vom Niedergang Berlusconis erfasst wird.

An der Basis der Lega im Norden rumort es und auch in ihren höheren Rängen, weil das Bündnis mit Berlusconi zunehmend als schädlich gesehen wird. Schwer vermittelbar sind Bossis Europa-skeptischer Partei auch immer weitere Zugeständnisse an das, was sie als "Diktat der EU" bezeichnet. Der Lega-Chef unterstellt zudem, dass Draghi, aber auch andere in der EU, das Ziel hätten, Berlusconis Regierung zu stürzen und deshalb so starken Druck auf Italien ausüben.

Je früher gewählt wird, so dürfte Bossis Kalkül sein, desto weniger Anhänger springen ihm und Berlusconis PDL bis dahin ab. Ein Termin im nächsten Frühjahr hätte aber vor allem einen anderen Vorteil für PDL und Lega - dann würde noch unter dem bisherigen Wahlgesetz gewählt. Unter anderem schenkt es den Parteien, die die relative Mehrheit erzielen, mehr als die Hälfte der Parlamentssitze. Der Lega-Minister, der es 2005 erarbeitet hat, nannte das Gesetz selbst eine Schweinerei, "Porcellum" heißt es deshalb. Gegen dieses Wahlgesetz ist ein Referendum in Vorbereitung, aber es ist äußerst unwahrscheinlich, dass bereits im Frühjahr ein neues Wahlsystem in Kraft sein wird. Und so lange könnten trotz deutlich sinkender Werte Lega und PDL zusammen noch eine Chance haben.

Unklar ist, ob bei vorgezogenen Wahlen erneut Berlusconi der Spitzenkandidat wäre. In seiner Partei ist man längst auf der Suche nach einem Nachfolger für den 75-Jährigen. Er selbst hat zwar angekündigt, er werde nicht mehr antreten, in anderen Äußerungen stellte er dies aber wieder in Frage. Für die Führung der PDL hat Berlusconi bereits einen Nachfolger als Sekretär installiert. Es ist der 41-jährige Ex-Justizminister Angelino Alfano, der möglicherweise auch als Regierungschef kandidieren könnte. Zu Änderungen, die von der PDL diskutiert werden, gehört aber auch, dass künftig in Vorwahlen die Basis über die Kandidaten entscheiden solle.

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