Italien:Berlusconi verliert eigene Mehrheit im Parlament

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Ein Routinevotum wird zum Debakel: Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi gewinnt zwar die Abstimmung über seinen Rechenschaftsbericht, aber nur, weil sich die Opposition enthält. Im Parlament verfügt der Premier damit nicht mehr über die absolute Mehrheit. Das Votum galt als entscheidend für die Zukunft Berlusconis.

Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi hat eine mit Spannung erwartete Abstimmung im Parlament gewonnen, die eigene Mehrheit jedoch verfehlt. Der am politischen Abgrund stehende italienische Regierungschef Silvio Berlusconi verfügt im Parlament nicht mehr über die Mehrheit.

Silvio Berlusconi steht am politischen Abgrund. (Foto: dpa)

Der Rechenschaftsbericht für das Jahr 2010 passierte am Dienstag nur dank der Enthaltung der Opposition das Abgeordnetenhaus. Lediglich 308 Parlamentarierer des Abgeordnetenhauses stimmten für das Vorhaben, deutlich weniger als die für eigene absolute Mehrheit notwendigen 316 Stimmen. "Das Votum zeigt, dass die Regierung in der Kammer keine Mehrheit hat", sagte Oppositionsführer Pierluigi Bersani von der PD (Demokratische Partei).

Die linken Oppositionsparteien und eine Reihe von Abtrünnigen aus dem Lager der Mitte-Rechts-Koalition hatten zuvor entschieden, bei dem Votum zwar präsent zu sein, aber ihre Stimme nicht abzugeben. Der Rechenschaftsbericht gilt damit als angenommen.

Die Opposition hat mit ihrem Verhalten vor allem deutlich gemacht, dass der stark geschwächte Berlusconi im Parlament bei weitem nicht mehr über die absolute Mehrheit von 316 der 630 Sitze in der Abgeordnetenkammer verfügt. Im Oktober hatte Berlusconi nach dem ersten Scheitern des Rechenschaftsberichtes die Vertrauensfrage gestellt und dabei noch genau die notwendigen 316 Ja-Stimmen bekommen. Offen war, zunächst, welche Konsequenzen Berlusconi ziehen wird. Die Abstimmung galt jedoch als der entscheidende Test für die Mehrheitsverhältnisse in der Kammer.

Berlusconi hat angekündigt, er wolle danach innerhalb von 24 Stunden entscheiden, ob er im Amt bleibt. In Parlamentskreisen wurde jedoch nicht ausgeschlossen, dass er sich bei einem besonders schlechten Stimmergebnis noch am Dienstagabend entscheidet. Es hieß, der Premier werde nach dem Votum auf jeden Fall zur Beratung den Staatspräsidenten aufsuchen. Um ihrer Forderung nach Berlusconis Rücktritt Nachdruck zu verleihen, hatten mehrere Abgeordnete in den vergangen Tagen die PDL-Fraktion verlassen, und eine wachsende Gruppe droht mit Stimmentzug.

Die unverhüllte Rücktrittsforderung seines Koalitionspartners hatte die Lage von Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi schon zuvor nahezu unhaltbar gemacht. Lega-Nord-Chef Umberto Bossi hatte den Premier am Dienstag aufgefordert, Platz zu machen für den früheren Justizminister Angelino Alfano. In dieser isolierten Situation musste der Regierungschef am Nachmittag vor das Abgeordnetenhaus treten.

© sueddeutsche.de/dpa/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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