Italien:Berlusconi kann angeklagt werden

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Schwere Niederlage für den Regierungschef: Das italienische Verfassungsgericht hat das umstrittene Immunitätsgesetz für ungültig erklärt, durch das Silvio Berlusconi bisher vor Strafverfolgung geschützt war. Jetzt muss er mit der Wiederaufnahme mehrerer Korruptionsverfahren rechnen.

Julius Müller-Meiningen, Rom

Der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi kann jetzt strafrechtlich verfolgt werden. Das ist die Konsequenz eines Urteils des Verfassungsgerichts vom Mittwochabend. Die Richter verwarfen mit neun zu sechs Stimmen ein Gesetz, das den vier höchsten politischen Amtsträgern Italiens, unter ihnen dem Premierminister, für die Dauer ihres Mandats Straffreiheit gewährt. Berlusconi drohen nun zwei Gerichtsverfahren.

Silvio Berlusconi: Das italienische Verfassungsgericht kippt sein Immunitätsgesetz. (Foto: Foto: AP)

Vertreter des Regierungslagers kritisierten das Urteil als "politisch". Die Opposition begrüßte den Richterspruch. Die Mehrheit der Richterkammer hielt die nach Justizminister Angelino Alfano benannte und vergangenes Jahr vom Parlament verabschiedete Immunitätsregelung ("Lodo Alfano") in zwei Punkten für verfassungswidrig.

Zum einen sei sie nicht, wie notwendig, durch eine Verfassungsänderung in Kraft getreten, sondern durch einfache Parlamentsmehrheiten. Außerdem verletze die Norm den Gleichheitsgrundsatz. Berlusconis Anwälte hatten argumentiert, der Premier sei ein"primus super pares", also "Erster über Gleichen".

Das Urteil war mit besonderer Spannung erwartet worden, weil es politische Konsequenzen für Berlusconi haben könnte. So hatten Regierungspolitiker die Möglichkeit von Neuwahlen ins Spiel gebracht, falls das Gericht ein ablehnendes Urteil fällen würde. Berlusconi, der über hohe Sympathiewerte bei der Bevölkerung verfügt, schloss diese Möglichkeit aus: "Das Verfassungsgericht steht auf der Seite der Linken. Ich werde weitermachen", sagte er. Berlusconi wird sich nun in zwei Gerichtsverfahren verantworten müssen.

Der Premier ist in Mailand angeklagt, weil er den englischen Anwalt David Mills bestochen haben soll. Mills wurde deshalb in erster Instanz zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Dem Mailänder Gericht zufolge hatte Berlusconi dem Anwalt 1998 mindestens 600.000 Dollar (440.000 Euro) bezahlt, damit er in mehreren Gerichtsverfahren zugunsten des Politikers aussage. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts wird sich Berlusconi nun vor dem Gericht in Mailand verantworten müssen. Zudem läuft ein Verfahren gegen den Premier wegen Steuerbetrugs.

Die Staatsanwaltschaft Mailand hatten die verfassungsrechtliche Überprüfung des Immunitätsgesetzes beantragt, nach dem der Staatspräsident, die Präsidenten der beiden Parlamentskammern sowie der Ministerpräsident vor Strafverfolgung geschützt sind. Bereits 2004 hatte Berlusconi versucht, seine juristischen Probleme mit einem Immunitätsgesetz zu lösen. Das damalige Gesetz beurteilte das Gericht als verfassungswidrig, weil es keine zeitliche Begrenzung der Immunität vorsehe. Im "Lodo Alfano" war die Immunität für die Dauer der Amtszeit begrenzt und die Verjährung aufgeschoben.

Die Regierung hatte das Gesetz damit gerechtfertigt, dass der Ministerpräsident sich wegen der von "politisierten Juristen" gegen ihn geführten Prozesse nicht ausreichend seinem Amt widmen könne. Kritiker behaupten, Berlusconi wolle sich mit dem Immunitätsgesetz der Strafverfolgung entziehen. "Es hat sich gezeigt, dass der Regierungschef ein Bürger wie alle anderen ist", sagte Pierluigi Bersani von der oppositionellen Demokratischen Partei.

© SZ vom 8.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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