Italien:Ampel an

Italien: Ein Mitarbeiter vor der Intensivstation für Covid-Patienten des Krankenhauses San Filippo Neri in Rom. Die Hauptstadt ist nach den neuen Kritierien derzeit "gelbe" Zone.

Ein Mitarbeiter vor der Intensivstation für Covid-Patienten des Krankenhauses San Filippo Neri in Rom. Die Hauptstadt ist nach den neuen Kritierien derzeit "gelbe" Zone.

(Foto: TIZIANA FABI/AFP)
  • Rom regiert auf die zweite Pandemiewelle, die das Land stärker trifft als erwartet
  • "Rot" steht für maximal kritische Lage - dazu gehören unter anderem die Lombardei und das Piemont
  • Premier Conte wird vorgeworfen, er wälze die Verantwortung ab, um nicht allen Unmut auf sich zu ziehen

Von Oliver Meiler, Rom

Drei Risikozonen, drei Farben: Rot, Orange, Gelb. Italiens Regierung schaltet in ihrem Kampf gegen die Pandemie ein Ampelsystem ein und unterteilt die Regionen des Landes je nach Lage in unterschiedliche Gefahrenzonen mit entsprechenden Maßnahmen. So steht es im neuen Dekret des Ministerpräsidenten, das Giuseppe Conte nach tage- und nächtelangem Ringen mit den Gouverneuren der Regionen, seinen besorgten Beratern im wissenschaftlichen Ausschuss und den drängenden Partnern in der Regierungskoalition unterzeichnet hat.

Herausgekommen ist ein Kompromiss - und ein fundamentaler Strategiewechsel im Vergleich zum Frühjahr: Damals, für die Bewältigung der ersten Welle, hatte man sich auf Maßnahmen verlassen, die einheitlich für alle Italiener galten. Nun, da Italien mit Wucht von der zweiten Welle getroffen wird, mit zuletzt rund 30 000 Neuinfektionen im Tag, will man neben nationalen Eingriffen auch differenziert einwirken. Region für Region. Gültig sind die Maßnahmen vorerst vom 6. November bis 3. Dezember.

Sport? In "roten Regionen" nur noch rund ums eigene Haus

"Rot" steht für maximal kritische Lage. In Regionen, die rot eingefärbt werden, müssen neben Restaurants und Bars auch alle nicht unabdingbaren Geschäfte schließen. Ohne triftigen Grund darf man in diesen Regionen weder ein- noch ausreisen, selbst seine Wohngemeinde darf man da nicht verlassen. Sport? Nur rund ums Haus. Außer den Kleinsten in den Kitas und den Grundschulen, die offen bleiben sollen, wechseln alle zum Distanzunterricht. "Rot" ist ein Fast-Total-Lockdown. Vier Gegenden gehören in diese Kategorie: Lombardei, Piemont, Kalabrien und Aostatal.

"Orange" steht für hohes Risiko. Auch in diesen Regionen schließen die Gaststätten den ganzen Tag, die Friseursalons bleiben offen. Der Onlineunterricht ist dort nicht nur in der Oberstufe obligatorisch, sondern auch in Klassen unmittelbar darunter. Auch Bewohner "orangener" Regionen sollen nur reisen, wenn es unbedingt nötig ist. Betroffen sind Apulien und Sizilien.

In "gelben" Regionen dürfen Wirtshäuser bis 18 Uhr offen bleiben

Der Rest ist "gelb", durchschnittlich dramatisch. Es gelten da die nationalen Verfügungen: Ausgangssperre ab 22 Uhr; der öffentliche Verkehr fährt sein Platzangebot herunter auf 50 Prozent; Oberstufenschüler bleiben zu Hause; auch Museen und Ausstellungen schließen, nachdem schon Kinos, Theater und Konzertsäle dichtmachen mussten. In "gelben" Regionen dürfen Wirtshäuser von 5 bis 18 Uhr offen sein.

Für die farbliche Einteilung zieht der Gesundheitsminister, der in letzter Instanz und möglichst im Einklang mit dem Gouverneur der jeweiligen Region entscheidet, 21 Kriterien heran - dazu gehören unter anderem: die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner, die Positivitätsrate bei den Tests, die Geschwindigkeit der Ausbreitung des Virus, die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen und jene der nicht so gravierenden Fälle in allen anderen Abteilungen der Krankenhäuser. Unklar war zunächst, wie die verschiedenen Parameter für den Schlussentscheid gewichtet werden. Und das ist nur einer von etlichen Kritikpunkten.

Mehrere Regionspräsidenten fänden einheitliche Maßnahmen gescheiter

In der Lombardei, die von allen Regionen erneut am stärksten getroffen wird, hält Gouverneur Attilio Fontana der Regierung in Rom vor, sie stütze ihre Berechnungen auf alte Zahlen: In einigen Tagen werde man die Wirkung des vorletzten Dekrets messen können. Andere Regionspräsidenten finden, einheitliche Maßnahmen für das ganze Land seien viel gescheiter.

Giuseppe Conte musste sich auch vorwerfen lassen, er wälze die Verantwortung ab auf Minister und Regionspräsidenten, um nicht allen Unmut der Bevölkerung auf sich selbst zu ziehen. Zuletzt waren seine Beliebtheitswerte zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie um einige Prozentpunkte gesunken: Der Premier ist zwar noch immer der populärste Politiker im Land. Doch unterdessen hat ihn der Gouverneur des Veneto, Luca Zaia von der rechten Lega, fast eingeholt.

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