Was für eine Aufregung wegen einer Hausbeleuchtung! Seit Beginn der Woche brennt in einigen Dutzend Büros des "Pirellone", wie die Mailänder das Hochhaus aus Stahl und Glas der lombardischen Regionalverwaltung nennen, das Licht die ganze Nacht lang. Die Büros wurden so ausgewählt, dass die Lichter, wenn man sie als zusammenhängendes Ganzes wahrnimmt, eine Botschaft formen: "Family Day", liest man da.
Die rechte Regionalregierung der Lombardei stellt sich mit diesem Lichtspielchen in polemischer Manier hinter die Organisatoren einer Kundgebung, die am kommenden Samstag in Rom stattfinden soll. Hunderttausende werden erwartet. Am "Family Day" wollen katholische Vereinigungen und andere Traditionalisten gegen ein neues Gesetz der linken Regierungsmehrheit von Premier Matteo Renzi demonstrieren. Es soll die Rechte gleichgeschlechtlicher Paare garantieren. Der "Pirellone", finden nicht nur viele Mailänder, hat sich in dieser Frage herauszuhalten.
Versucht haben es schon mehrere Regierungen
Italien ist im Verzug. Von allen großen Ländern im westlichen Europa ist es das einzige, das noch immer keinen Rechtsrahmen für homosexuelle Paare geschaffen hat. Im vergangenen Sommer erhielt es dafür eine Rüge vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.
Versucht haben es seit 1988 schon mehrere Regierungen. Doch alle beugten sich am Ende dem Druck der katholischen Kirche, die in gesellschaftspolitischen Angelegenheiten ihren Einfluss stets vehement geltend macht. Nun kommt ein neuer Vorschlag in den Senat. Ein moderater, kein radikaler Vorschlag - ein Kompromiss eben. Und dennoch wagt niemand vorauszusagen, ob er durchkommen wird. Die Gegner haben 6000 Abänderungsanträge gestellt.
Das Gesetz, die "Legge Cirinnà", trägt den Namen einer Abgeordneten des Partito Democratico: Die Römerin Monica Cirinnà, 52, verheiratet mit einem Parteikollegen, der vier Kinder in ihre Ehe brachte, hat es formuliert, sie muss es erklären. Seit Monaten tritt sie in allen Medien auf und versucht, der Debatte die Dramatik zu nehmen - freilich ohne Erfolg.
Ihr Vorschlag der "Unione civile" kommt dem deutschen Vorbild der Eingetragenen Lebenspartnerschaft sehr nahe. Künftig sollen homosexuelle Paare auch in Italien ihre Beziehungen offiziell registrieren lassen können, mit allen Rechten und Pflichten. Man hätte auch die Form der Homo-Ehe wählen können, wie das andere Länder getan haben, die ebenfalls stark katholisch geprägt sind - etwa Spanien, Portugal und Frankreich. Im italienischen Volk, das oft progressiver tickt als seine Politiker, wäre wohl auch dafür eine Mehrheit zu finden.
Doch im Parlament ist alles etwas komplizierter. Da braucht es nicht viel, damit sich die Gemüter erhitzen. Wenn sich dann auch noch die katholische Kirche einmischt, dann überheizt die Debatte schnell. Dann reden Politiker, die das Katholische als Konstante ihres Handelns verstanden haben wollen, plötzlich so, als stünden sie auf der Kanzel. Und die Laizisten erinnern in überspielt empörten Voten daran, dass Staat und Kirche in Italien getrennt seien, schon lange, und dass diese Trennung festgeschrieben stehe in Artikel 7 der Verfassung. Als stünde auch sie zur Debatte.
Gestritten wird vor allem über die Kinderfrage. Die "Legge Cirinnà" schlägt die "Stepchild Adoption" vor: Ein Partner soll das Kind, das der Lebensgefährte in die Beziehung bringt, das Stiefkind also, adoptieren dürfen, damit sie beide Eltern sein können. Verboten bleibt die Leihmutterschaft: Renzi nennt die Praxis "wirklich negativ". Doch die Gegner lassen sich nicht besänftigen. Sie halten die "Stiefkindadoption", obschon sie von einem Richter gutgeheißen werden müsste, für eine Ermunterung zur Leihmutterschaft. In dieser Geschichte werfen sich beide Seiten vor, Wahrheiten zu verdrehen und zu tricksen. Das nützt der Propaganda.
Vor neun Jahren marschierte Renzi noch auf der anderen Seite
Die Kirche stützt die Organisatoren des "Family Day" zwar nicht mit einem direkten Appell zum Demonstrieren, aber mit ihrem nun ständig vorgetragenen ideologischen Zuspruch. Als Meinungsführer tritt der Präsident der nationalen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco auf, ein Mann mit eisernen Positionen. Und Bagnasco statuierte, es gebe nur eine Ehe, nämlich jene zwischen Frau und Mann; und Kinder, sagte er, seien weder ein Recht noch etwas, das man produziere.
Überraschend sind diese Äußerungen nicht. In der Substanz decken sie sich mit dem, was der Papst sagt. Doch bei Bagnasco ist der Tonfall aggressiver, apodiktischer. Er befeuert damit die katholischen Wortführer im Parlament, die sogenannten Teo-Cons, Traditionalisten mit religiösen Imperativen. Traditionalisten gibt es aber nicht nur im rechten Lager. Es gibt sie auch in Renzis Partei, dem Partito Democratico mit seinen zwei Seelen - einer sozialdemokratischen und einer christlichsozialen. Dort nennt man sie "Teo-Dem".
Ihre Gruppe spiegelt das Dilemma Renzis in diesem Dossier. Der Premier entstammt selber dem katholischen Flügel der Partei, er ist ein "Teo-Dem". Zumindest war er das früher. Als vor neun Jahren der damalige Premier Romano Prodi homosexuellen Paaren neue Rechte zugestehen wollte, marschierte Renzi mit den Gegnern, die sich um Silvio Berlusconi geschart hatten. Er nahm an einer Demonstration teil, die damals die römische Piazza San Giovanni füllte. Der "Family Day" vom nächsten Samstag ist von diesem Mobilisierungserfolg inspiriert.
Es entbehrt also nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet mit Renzi, einst Mitglied der katholischen Pfadfinder und expliziter Gegner, die gesellschaftliche Modernisierung gelingen könnte. In seiner Antrittsrede vor zwei Jahren hatte er das Gesetz versprochen. Nicht, weil es ihm am Herzen läge, sondern weil es ein Konzession an die linke Seele seiner Partei ist. Eine klare Stimmparole gab Renzi nicht aus. Jeder stimme nach seinem Gewissen ab. Es heißt, er habe genau gerechnet. Am Ende sollte es mit Stimmen aus anderen, ebenfalls gespaltenen Parteien für eine Mehrheit im Senat reichen. Es wird wohl knapp. Aber knapp reicht.