Istanbul:Oppositionskandidat İmamoğlu gewinnt Neuwahl

Istanbul: Ekrem İmamoğlu: Der Oppositionskandidat hat nach Auszählung fast aller Stimmen die Bürgermeisterwahl in Istanbul gewonnen.

Ekrem İmamoğlu: Der Oppositionskandidat hat nach Auszählung fast aller Stimmen die Bürgermeisterwahl in Istanbul gewonnen.

(Foto: AFP)
  • Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine konservativ-islamische Partei AKP hatten eine Wiederholung der Istanbuler Bürgermeisterwahl durchgesetzt.
  • Am 31. März hatte der Kandidat der Opposition, Ekrem İmamoğlu, knapp gewonnen. Nun siegt er deutlich gegen Ex-Premier Binali Yıldırım, den Kandidaten der AKP.
  • Das Ergebnis ist damit auch eine Niederlage für den mächtigen Präsidenten der Türkei.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Die mit Spannung erwartete Wiederholung der Istanbuler Oberbürgermeisterwahl hat am Sonntag der Kandidat der Opposition, Ekrem İmamoğlu, mit großem Abstand gewonnen. Auf den 49-jährigen Politiker der säkularen CHP enfielen 53,7 Prozent der Stimmen, auf den Bewerber der Regierungspartei AKP, Ex-Premier Binali Yıldırım, nur 45,4. Yıldırım gratulierte am Abend seinem Gegner. İmamoğlu siegte damit deutlich klarer als bei der Kommunalwahl am 31. März, wo er mit nur gut 13 000 Stimmen vorne lag.

Die Wahlwiederholung hatten Präsident Recep Tayyip Erdoğan und seine konservativ-islamische Partei AKP durchgesetzt. Das Ergebnis ist damit auch eine Niederlage für den mächtigen Präsidenten des Landes, der seine Karriere vor 25 Jahren in Istanbul begonnen hatte.

Die Wahlbeteiligung war offenbar noch höher als beim letzten Mal, wo es bereits 84 Prozent waren. Beide Seiten hatten stark mobilisiert. Turkish Airlines richtete 24 Sonderflüge ein, auf dem großen Istanbuler Busbahnhof gab es lange Staus auf den Zufahrtsrampen, weil viele Istanbuler extra aus den Sommerferien zurückkehrten, um zu wählen. Die meisten Umfragen vor der Neuwahl hatten İmamoğlu bereits einen klaren Vorsprung gegeben, auch Umfragen, die die AKP in Auftrag gab.

Vor dem Wahllokal in einer Schule in Kireçburnu, einem europäischen Stadtviertel im Norden, sagte Mahmut, 58, ein Geschäftsmann, weißhaarig und braun gebrannt, der SZ: "Ich bin aus Kuşadası gekommen, um zu wählen, denn was man İmamoğlu angetan hat, war eine große Ungerechtigkeit." Ähnlich äußerten sich auch andere Wähler. İmamoğlu hatte bereits seine Ernennungsurkunde als Bürgermeister bekommen und 18 Tage regiert, als er vom Hohen Wahlrat wieder abgesetzt wurde, weil in einigen Wahlkommissionen nicht wie vom Gesetz vorgeschrieben Beamte den Vorsitz hatten.

Aus Ataşehir auf der asiatischen Seite der Stadt twittert ein Mann das Bild eines Krankenwagens, in dem Wähler an die Urnen gefahren wurden. Verbreitet wurde auch ein Video von einer Busstation in Sivas in Zentralanatolien: Vor dem Einsteigen tanzen Fahrgäste in einer langen Reihe, Arm in Arm. Wahlberechtigt waren 10,5 Millionen Menschen, jeder fünfte Wahlberechtigte der Türkei. "Eine Volksabstimmung über Erdoğan" hat Murat Sabuncu, Ex-Chefredakteur der Oppositionszeitung Cumhuriyet, die Wahl genannt. İmamoğlu war bislang Bürgermeister in einem Istanbuler Bezirk und landesweit vor ein paar Monaten völlig unbekannt. Zuletzt zogen seine Auftritte die Massen an. Unterstützt von einer professionellen Social-Media-Kampagne ist der Nachwuchspolitiker in die Position eines Hoffnungsträgers gerückt.

In den vergangenen Tagen hatte die AKP sogar um die Kurden geworben, was die regierungsnahe Hürriyet Daily News "als Zeichen der Verzweiflung" wertete. Internationale Wahlbeobachter, darunter die Grünen-Abgeordnete Margit Stumpp, berichteten von einer "korrekt" abgelaufenen Wahl.

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