Süddeutsche Zeitung

Israels Regierung und die Siedlungspläne:Netanjahu gegen die ganze Welt

Der israelische Premier Netanjahu macht schlicht, was er will und was ihm bei seiner rechten Klientel nutzt. Oft genug ist das - wie beim Siedlungsbau - nicht nur gegen den Willen der Weltgemeinschaft, sondern auch gegen Israels ureigene Interessen. Genau das sollte ihm Kanzlerin Merkel bei ihrem gemeinsamen Essen am Mittwoch in aller Deutlichkeit sagen.

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Erst die Abstimmung, dann die Strafe: Als Antwort auf die Entscheidung der UN, die Palästinenser zum Beobachter-Staat aufzuwerten, hat Israel der Autonomiebehörde in Ramallah den Geldhahn zugedreht und neue Siedlungsbauten angekündigt. Das ist deutlich, es ist typisch für die Regierung von Benjamin Netanjahu, aber klug ist es nicht. Rache nämlich ist nie ein guter Ratgeber - und am Ende könnte der Schaden für Israel größer sein als für die Palästinenser.

Die harschen Reaktionen von Washington über London und Paris bis nach Berlin zeigen, dass Israel den Bogen überspannt hat. Gewiss, an Proteste aus aller Welt gegen jedes neue Siedlerhaus hat sich die Regierung in Jerusalem längst gewöhnt. Auch wenn das internationale Recht die Ansiedlung der jüdischen Bevölkerung auf dem seit 1967 besetzten palästinensischen Land verbietet, leben dort mittlerweile eine halbe Million Israelis. Der Rechtsbruch ist also längst Routine - ja er ist sogar zum Ritual geworden, mit dem jedwede palästinensische Unbotmäßigkeit sanktioniert wird. Dieses Mal jedoch hat Israel nicht nur die Palästinenser bestraft, sondern die ganze Welt herausgefordert.

Von den 193 UN-Mitgliedstaaten hatten nur acht zusammen mit Israel gegen den Antrag zur Statusaufwertung der Palästinenser gestimmt. Das zeigt sehr deutlich die wachsende Isolierung des jüdischen Staates. Psychologisch lässt es sich wohl nur mit einer Mischung aus Trotz und Größenwahn erklären, dass es Israel nach einem solchen Votum wagt, der Weltgemeinschaft, Pardon, den ausgestreckten Mittelfinger zu zeigen.

Netanjahu macht nur das, was ihm bei seiner rechten Klientel nutzt

Politisch gibt es dafür eine andere Erklärung: Die Regierung von Benjamin Netanjahu fühlt sich sakrosankt, weil die USA bislang noch jede Provokation gedeckt haben und Staaten wie Deutschland sich aus falsch verstandener Beistandspflicht wegducken, wenn es darum geht, Position zu beziehen.

Doch die Regierungen in Washington und Berlin müssen nun erkennen, dass weder decken noch wegducken dazu führt, dass sie irgendeinen positiven Einfluss auf die israelische Führung gewinnen können. Netanjahu macht schlicht, was er will und was ihm nutzt bei seiner rechten Klientel. Oft genug ist das nicht nur gegen den Willen der Weltgemeinschaft, sondern auch gegen Israels ureigene Interessen. Denn zum Ausgleich mit den Palästinensern gibt es keine Alternative, wenn der jüdische Staat in Frieden leben will.

Es ist also nun gerade an den Freunden Israels, der Regierung Netanjahu die Grenzen zu zeigen. Proteste allein werden verpuffen - nichts weniger als die Rücknahme der angekündigten Vergeltungspläne wäre nun angemessen. Wenn Netanjahu dazu nicht bereit ist, sollten er und seine Wähler wissen, dass er damit den Beistand der letzten Verbündeten riskiert. Angela Merkel hat die Gelegenheit, dies dem israelischen Premier beim lange schon geplanten Abendessen am Mittwoch zu vermitteln. Sie sollte das im Interesse Deutschlands und Israels in aller Deutlichkeit tun.

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SZ vom 04.12.2012/olkl
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