Israels Premier Netanjahu:"Unsere Kinder mit Zionismus impfen"

Benjamin Netanjahu bildet die größte Koalition in der Geschichte Israels - und verweigert ein Bekenntnis zu einem Palästinenser-Staat.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Israels neuer Premierminister Benjamin Netanjahu ist am Dienstagabend im Parlament vereidigt worden. Bei der Abstimmung in der Knesset votierten am späten Dienstagabend in Jerusalem 69 von 120 Abgeordneten für die neue Regierung.

Israel Premierminister Benjamin Netanjahu Likud AFP

Zum zweiten Mal an den Hebeln der Macht in Israel: Likud-Politiker Benjamin Netanjahu

(Foto: Foto: AFP)

Vor der Bestätigung seiner Regierung hatte Netanjahu in einer Rede vor den Gefahren des "radikalen Islam" gewarnt und gesagt, niemand dürfe das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Israel sei an einem "umfassenden Frieden" mit der arabischen Welt gelegen, sagte er.

In Anspielung auf Iran fügte Netanjahu hinzu, die atomare Bewaffnung sei "eine Bedrohung für die gesamte Welt". Israel könne Aussagen gegen seine Existenz nicht einfach übergehen.

Olmert zieht positive Bilanz

An die Palästinenser gerichtet, sagte Netanjahu: "Wenn Sie wirklich an Frieden mit uns interessiert sind, müssen Sie zunächst den Terror in den eigenen Reihen bekämpfen."

Er fügte hinzu: "Wir wollen kein anderes Volk regieren. Wir wollen nicht die Palästinenser regieren." Zudem forderte Netanjahu eine Reform des Erziehungssystems: "Wir werden unsere Schulkinder mit Zionismus impfen."

Netanjahu ging nicht auf die von den USA und der EU unterstützte Forderung nach einem palästinensischen Staat ein. Er hat diese Zwei-Staaten-Lösung wiederholt abgelehnt.

Die Palästinenserführung reagierte enttäuscht auf die Regierungserklärung. "Was wir von Netanjahu gehört haben, ist nur ein Mehr an Prozess ohne ein klar definiertes Endziel", kritisierte der Chefunterhändler Saeb Erekat in einer Erklärung.

Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert hatte zuvor eine positive Bilanz seiner Amtszeit gezogen. Olmert sagte: "Ich habe mein Bestes gegeben." Das Resultat der beiden Kriege im Libanon gegen die Hisbollah und im Gaza-Streifen gegen die radikal-islamische Hamas zeige sich nicht sofort, sondern erst in Zukunft.

Die israelische Armee sei "die moralischste der Welt", sagte Olmert als Antwort auf Berichte, wonach israelische Soldaten im Gaza-Krieg grundlos palästinensische Zivilisten getötet haben sollen. Nach einer internen Untersuchung der Armee, die nur fünf Tage dauerte, hatte die Führung die Vorwürfe jetzt als haltlos bezeichnet.

30 Ministerposten - Opposition kritisiert "Verschwendung"

Netanjahu hat die größte Regierung in der Geschichte des Landes gebildet. Der Koalition gehören außer seiner rechten Likud-Partei die ultranationalistische Partei Unser Haus Israel an sowie die ultra-orthodoxe Schas, die Partei der jüdischen Siedler und die Sozialdemokraten von Verteidigungsminister Ehud Barak.

Sie verfügen zusammen über 69 der 120 Mandate im Parlament. Netanjahu hatte erfolglos versucht, auch die ultra-orthodoxe Partei Vereinigtes Torah-Judentum zu einem Eintritt in die Regierung zu gewinnen. Ein Gespräch mit Silvan Schalom verlief dagegen erfolgreich.

Der frühere Außen- und Finanzminister hatte es zunächst abgelehnt, ins Kabinett einzutreten. Auf Zureden von Staatspräsident Schimon Peres hat Schalom nun doch zugestimmt.

Netanjahu übt das Amt des Regierungschefs zum zweiten Mal aus. Bereits zwischen 1996 und 1999 stand er einer Koalition vor, die aus lediglich 18 Ministern bestand.

Livni beklagt "ungeheuerlichen Skandal"

Der neuen Regierung gehören nun 30 Minister sowie neun Stellvertreter an. Um den Forderungen der Koalitionspartner zu entsprechen, hat Netanjahu trotz der angespannten Wirtschaftslage neue Ministerien geschaffen und mehrere Minister ohne Geschäftsbereich ernannt.

Mitglieder der Oppositionspartei Kadima der früheren Außenministerin Tzipi Livni sprachen von einem "ungeheuerlichen Skandal" und "Verschwendung von Steuergeld".

Bereits vor der Vereidigung stieß die neue Regierung auf ein Problem: Angesichts der vielen Amtsträger mussten sowohl der Kabinettstisch im Amtssitz des Regierungschefs vergrößert als auch die Bestuhlung im Parlament ausgebaut werden.

Die Opposition hat bereits ein Gesetz eingebracht, mit dem die Kabinettsgröße begrenzt werden soll. Die Zeitung Haaretz kritisierte in einem mit "Willkommen in der politischen Hölle" überschriebenen Kommentar die neue Regierung als "die verschwenderischste unserer Geschichte".

Das Blatt erinnerte an frühere Äußerungen von Likud-Abgeordneten, dass mehr als 18 Minister eine Verschwendung von Steuergeld seien.

Dem Kabinett gehört unter anderen Ehud Barak von der Arbeitspartei an, der erneut das Amt des Verteidigungsministers innehat. Außenminister wird der umstrittene Vorsitzende der Partei Unser Haus Israel, Avigdor Lieberman.

Der aus Moldawien stammende Ex-Türsteher hatte im Wahlkampf antiarabische Ressentiments geschürt und verlangt von israelischen Arabern einen Loyalitätstest, andernfalls sollten sie in die Palästinensergebiete umgesiedelt werden.

Finanzminister wird Juval Steinitz von Likud, ein politischer Gefährte Netanjahus. Justizminister wird Jaakov Neeman (ebenfalls Likud), der dieses Amt bereits unter Scharon innehatte. Innenminister wird Eli Jischai (Schas).

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: