Israelisches Bombardement:Syrien wendet sich an UN-Sicherheitsrat

Nach der Bombardierung durch Israels Luftwaffe hat sich Syrien in einem Brief an die Vereinten Nationen gewandt. Der UN-Sicherheitsrat solle die israelischen Angriffe stoppen, sonst drohe ein Krieg.

Syrien hat Israel nach den nächtlichen Bombardierungen in Damaskus scharf attackiert und den UN-Sicherheitsrat zum Handeln aufgefordert. Die Regierung werde alles tun, um das syrische Volk zu schützen, sagte Informationsminister Omran al-Subi am Sonntag nach einer Sondersitzung des Kabinetts in Damaskus. Außenstaatssekretär Faisal al-Mekdad sagte dem Sender CNN zufolge, der Angriff sei eine Kriegserklärung.

Wie die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, schickte das Außenministerium ein Schreiben an den UN-Sicherheitsrat und den UN-Generalsekretär. Israelische Kampfflugzeuge hätten Luftschläge auf drei Armeestützpunkte in und um Damaskus verübt, hieß es demnach. Es habe zahlreiche Todesopfer und Verletzte gegeben. Auch nahe gelegene Wohngebiete seien von den Angriffen betroffen.

Mit den Attacken habe Israel den "terroristischen Gruppen" in Syrien direkte militärische Unterstützung gegeben. Wenn Israel seine Angriffe fortsetze, werde das die Spannungen in der Region erhöhen, zitierte Sana aus dem Brief. Dies könne zu einem Krieg führen, der Frieden und Sicherheit in der Region wie auch auf der ganzen Welt bedrohe. Der UN-Sicherheit müsse nun seiner Verantwortung gerecht werden und die israelischen Angriffe stoppen.

Die Arabische Liga warnte ebenfalls vor den Konsequenzen für die Region. "Das ist ein ernster Verstoß gegen die Souveränität eines arabischen Landes", sagte Generalsekretär Nabil al-Arabi mit Blick auf die Luftschläge. Die regionale Sicherheit und Stabilität werde dadurch massiv gefährdet. Auch er forderte die Vereinten Nationen zum Handeln auf.

Heftige Explosionen haben Damaskus erschüttert

Heftige Explosionen haben am frühen Sonntagmorgen die syrische Hauptstadt Damaskus erschüttert. Das syrische Staatsfernsehen berichtete, dass es sich um einen israelischen Luftangriff gehandelt habe. Ziel sei eine Forschungseinrichtung in einem Vorort von Damaskus gewesen. Ähnliches sagte eine hochrangiger US-Beamter dem US-Sender NBC. Nach Angaben des US-Senders CNN wollten sich die israelischen Streitkräfte nicht zu dem Bericht des syrischen Staatsfernsehens äußern.

Im arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira hieß es, dass die Kasernen einer Elite-Einheit des Militärs und der Republikanischen Garde sowie eine Forschungseinrichtung angegriffen worden seien. Die oppositionellen Syrischen Menschenrechtsbeobachter erklärten, dass Einwohner von einem Vorort von Damaskus zur Zeit der Explosionen, die das Forschungszentrum und Munitionsdepots getroffen hätten, Flugzeuge gesehen hätten.

Waffen für die israelfeindliche Hisbollah

Ein Einwohner von Damaskus sagte Al-Dschasira, die Detonationen hätten sich wie ein "Erdbeben" angefühlt. Ein anderer Syrer wurde vom arabischen Sender Al-Arabjia mit den Worten zitiert: "Alles war ruhig und plötzlich sahen wir dies helle, orangefarbene Licht am Himmel, gefolgt von einer sehr lauten Explosion."

Ein israelischer Radiokommentator sprach am Sonntag von der "größten Kriegshandlung zwischen Israel und Syrien seit dem Jom-Kippur-Krieg von 1973". Israel und Iran lieferten sich inzwischen einen offenen Kampf auf syrischem Gebiet, meinte der Kommentator.

In dieser Woche hat die israelische Luftwaffe nach Medienberichten bereits einmal Syrien angegriffen. Ziel soll eine Ladung hochmoderner Raketen gewesen, hieß es unter Berufung auf Regierungsvertreter in Israel. Es habe sich um Waffen für die israelfeindliche Schiitenmiliz Hisbollah im Südlibanon gehandelt.

Syrien seit Jahren Transitland für Hisbollah

Teheran benutzt Syrien schon seit Jahren als Transitland für Waffenlieferungen an die Hisbollah. Israels größte Sorge ist es, in den Kriegswirren und angesichts der zunehmenden Destabilisierung des Regimes von Baschar al-Assad könnten gefährliche Chemiewaffen in die Hände der Hisbollah gelangen. Diese Waffen werden als "Game changer" angesehen. Sie würden das militärische Kräfteverhältnis zwischen den Kontrahenten grundlegend verändern.

Doch auch die Lieferung anderer, konventioneller Waffen gelten für Israel als "rote Linie", die nicht überschritten werden darf. Die jüngsten Luftangriffe auf ein Armeezentrum nördlich von Damaskus zielten nach Angaben des israelischen Rundfunks auf einen Konvoi mit iranischen Raketen des Typs Fateh-110 für die Hisbollah. Diese gelten als zielsicher und haben eine Reichweite von etwa 300 Kilometern. Sie könnte tief in israelischem Gebiet einschlagen.

Iran bietet Syrien Ausbildungshilfe an

Bereits Ende Januar hatte Israel Syrien attackiert. Damals hatten US-Medien unter Berufung auf Regierungsbeamte in Washington berichtet, ein Forschungslabor für biologische und chemische Waffen sei Ziel gewesen. In anderen Berichten war von einem Konvoi mit Luftabwehrraketen für die Hisbollah im Libanon die Rede.

Der Syrien-Experte Eyal Zisser sagte der Nachrichtenagentur dpa, Assad verstehe durchaus, dass die israelischen Angriffe gegen Iran und Hisbollah und nicht gegen Syrien gerichtet seien. "Im Moment ist die Tendenz aller Beteiligten, die Lage zu beruhigen - aber es ist nicht klar, wie lange sich dies aufrechterhalten lässt."

Die Waffenlieferungen an Hisbollah erfolgten seit Jahren mit syrischer Zustimmung. Mit den Luftangriffen seit Januar habe Israel jedoch de facto eine effektive Blockade gegen Hisbollah verhängt. Doch es bleibt ein gefährliches Vabanquespiel.

Obama: Israel darf Waffenlieferungen unterbinden

"Israel vollzieht einen Drahtseilakt", schreibt ein Kommentator der Zeitung Haaretz. "Es versucht, seine roten Linien durchzusetzen, ohne den internen syrischen Krieg in einen bewaffneten Konflikt zwischen sich und dem Assad-Regime zu verwandeln." Israel müsse sich davor hüten, sich in das syrische Durcheinander hineinziehen zu lassen.

US-Präsident Barack Obama hat Israel in Reaktion auf Berichte über den ersten mutmaßlichen Luftangriff das allgemeine Recht zugesprochen, Waffenlieferungen an die Hisbollah-Miliz zu unterbinden. Er überlasse es aber der israelischen Regierung, die Berichte von US-Medien über den Luftangriff in Syrien zu kommentieren, sagte Obama.

"Was ich in der Vergangenheit gesagt habe und weiter glaube, ist, dass die Israelis berechtigterweise gegen den Transfer moderner Waffen an terroristische Organisationen wie Hisbollah vorgehen müssen", sagte der US-Präsident. Die USA arbeiteten eng mit Israel zusammen und seien sich der räumlichen Nähe des Verbündeten zum Bürgerkriegsland Syrien bewusst.

"Wir werden keine aktive Rolle haben"

Währenddessen hat Iran dem syrischen Präsidenten Ausbildungshilfe für die Streitkräfte zugesagt, eine Beteiligung an den Kämpfen in dem Bürgerkriegsland aber abgelehnt. "Wenn es einen Ausbildungsbedarf gibt, werden wir ihnen das Training liefern", zitierte die amtliche iranische Nachrichtenagentur Irna den Kommandeur der Bodenstreitkräfte, General Ahmed Resa Purdastan. "Aber wir werden keine aktive Rolle in den Operationen haben."

Über die iranische Unterstützung Assads wird viel spekuliert. Der Chef der radikalislamischen Hisbollah-Miliz im Libanon, Hassan Nasrallah, hatte Damaskus vor einer Woche die Unterstützung seiner Miliz und Irans zugesichert. Derzeit sei das iranische Militär nicht in Syrien aktiv. Wenn aber die Lage "gefährlicher" werde, seien "Staaten, Widerstandsbewegungen und andere Kräfte dazu verpflichtet, auf effektive Weise in den Konflikt einzugreifen", sagte Nasrallah Ende April.

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