Israelbesuch der Kanzlerin:Merkel übt sich in neuem Pragmatismus

Merkel besucht Israel - Pressekonferenz

Merkel und Netanjahu in Jerusalem

(Foto: dpa)

Der Kanzlerin ist es gelungen, Netanjahus Siedlungspolitik zu kritisieren, ohne den Premier zu vergrätzen. Damit hat sie mehr Schneid bewiesen als ihr eigener Außenminister.

Kommentar von Alexandra Föderl-Schmid, Jerusalem

Bundeskanzlerin Merkel machte nicht den Eindruck, als ob sie einen Pflichtbesuch in Israel absolvieren musste. Die deutsche Bundeskanzlerin war sichtlich gut gelaunt; Als sie mit zwei Dutzend Wirtschaftsvertretern diskutierte, wies sie süffisant darauf hin, dass sie die einzige Frau in der Runde war, und gab Studentinnen Karrieretipps für Frauen: Chancen ergreifen, Bodenhaftung behalten und bei sich bleiben.

Dass sie genau dafür steht, zeigt sich bei ihrem neuen pragmatischen Kurs gegenüber der von Benjamin Netanjahu geführten rechtsnationalen Regierung. Bei Merkel hat sich offenbar die Erkenntnis durchgesetzt, dass es wenig bringt, wenn die Regierungskonsultationen aus Verärgerung über die israelische Siedlungspolitik weiter ausgesetzt bleiben. Denn der Bau neuer jüdischer Siedlungen im Westjordanland wird weiter fortgesetzt - egal, ob die Europäer protestieren.

Erst recht, wenn Wahlen anstehen, was in Israel im nächsten Jahr der Fall ist.

Dass es die Umsetzung der von Deutschland weiter verfolgten Zwei-Staaten-Lösung erschwert, wenn rund 600 000 jüdische Siedler auf einem Territorium leben, das einmal der palästinensische Staat werden sollte, ist klar. Immer wieder gibt es zudem Konflikte, zum Beispiel um den bevorstehenden Abriss des Beduinendorfes Khan al-Ahmar, für dessen Erhalt sich auch Deutschland eingesetzt hat. Merkel machte unmissverständlich klar: Aus Solidarität mit dem Beduinendorf würde sie nicht die Gespräche auf Regierungsebene platzen lassen.

Für sie ist dieses Thema ein weiterer Punkt auf der Liste der israelischen Siedlungsaktivitäten - mehr nicht. Das kann man für emotional kalt halten oder für einen realistischen Zugang. Für Merkel war die Sache damit abgehakt. Merkel hat mit dieser Nüchternheit all jene enttäuscht, die sich von ihr einen beherzten Einsatz für das Dorf zwischen zwei jüdischen Siedlungen erwartet haben. Aber: Sie sprach die Differenzen zwischen Israel und Deutschland klar und deutlich an. Sie agierte damit weder in Rambo-Manier, wie der frühere Außenminister Sigmar Gabriel, noch so duckmäuserisch wie sein Nachfolger Heiko Maas, der sich im Angesicht Netanjahus nicht einmal Kritik an der Besatzungspolitik Israels zu äußern traute.

In puncto Iran wollte Merkel nicht einmal einen Dissens erkennen: Beide Staaten wollten die nukleare Bewaffnung des Iran verhindern - es gebe lediglich unterschiedliche Einschätzungen, wie das zu verhindern sei, per Atomvertrag oder mittels Sanktionen. Forderungen, dass sich Deutschland der Position der USA anschließen sollte, lehnte Merkel mit Nachdruck ab und warb für die europäische Position. Netanjahu schien nicht überzeugt, mochte aber auch keinen öffentlichen Streit darüber austragen. Sowohl Merkel als auch Netanjahu versuchten, den Anschein von Normalität zu vermitteln und sich auf gemeinsame Interessen zu konzentrieren: die verstärkte Zusammenarbeit in den Bereichen Wissenschaft und Wirtschaft.

Davon profitieren Israel und Deutschland, durch diesen Zugang normalisiert sich auch das Verhältnis beider Staaten. Ob Merkel mit ihrem pragmatischen Zugang in den strittigen Punkten etwas erreicht, wird sich erst zeigen. Zumindest hat sie mit ihrem Vorgehen geschafft, dass Deutschland wieder als Partner in Israel ernst genommen wird.

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Deutsch-israelische Regierungskonsultationen
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