Israel:Früherer Siedler-Chef soll Yad Vashem leiten

6th Annual Jerusalem Post conference in New York

Dani Dayan war bis 2020 Generalkonsul in New York und wurde dort als Brückenbauer gelobt.

(Foto: Lev Radin/picture alliance / Pacific Press)

Nach einer konfliktreichen Suche wurde Dani Dayan als neuer Vorsitzender der Holocaust-Gedenkstätte nominiert. Zustimmung kommt auch aus dem linken politischen Lager.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem soll nach längerer und konfliktreicher Suche einen neuen Vorsitzenden bekommen. Die Wahl der zuständigen Erziehungsministerin fiel auf den 65-jährigen Dani Dayan, einen Diplomaten und früheren Chef der Siedler-Dachorganisation Jescha-Rat. Er soll Avner Schalev nachfolgen, der 27 Jahre lang an der Spitze der Jerusalemer Institution gestanden hatte und Ende 2020 mit 81 Jahren in den Ruhestand gegangen war. Dayans Ernennung muss nun noch vom Kabinett bestätigt werden.

Die weltweit einzigartige Forschungs- und Gedenkstätte Yad Vashem ist traditionell überparteilich und apolitisch. Jedoch hatte die Suche nach einem neuen Vorsitzenden im vorigen Jahr eine heftige Kontroverse entfacht, nachdem die frühere Regierung unter Benjamin Netanjahu den ultrarechten General und Ex-Minister Ephraim "Effi" Eitam auf den Posten hieven wollte. In der Vergangenheit war er mit rassistischen Aussagen aufgefallen. Er hatte unter anderem mit der Vertreibung von Palästinensern aus dem Westjordanland gedroht, hatte arabische Israelis als "Krebsgeschwür im Körper der Nation" bezeichnet und die Entfernung von arabischen Abgeordneten aus der israelischen Politik gefordert.

Gegen Eitams Berufung hatten in einer Petition an die Regierung unter anderem 800 israelische und internationale Wissenschaftler sowie Mitarbeiter von jüdischen Gedenkstätten und Museen protestiert. Auch Colette Avital, Vorsitzende der Dachorganisation der Holocaust-Überlebenden in Israel, hatte Eitam als unqualifiziert für den Posten bezeichnet. Angeführt wurde von den Kritikern - unter anderem auch vom jetzigen Außenminister Jair Lapid -, dass eine Berufung Eitams Israel-Feinden und Holocaust-Leugnern in die Hände spielen würde.

Dayan hat zweimal vergeblich versucht, ins Parlament einzuziehen

Solche aufgewühlten Debatten und Proteste sind im Falle Dayan kaum zu erwarten. Colette Avital sprach bereits von einer "wunderbaren Ernennung" und lobte ihn als "Mann mit einem weiten Horizont". Zustimmung kam auch aus der linken Meretz-Partei, die der von Dayan einst angeführten Siedlerbewegung grundsätzlich fernsteht. Mickey Gitzin vom linken New Israel Fund erklärte, Dayan sei zwar "ein politischer Gegner, aber eine geeignete Führungspersönlichkeit".

Als Chef des Jescha-Rats hatte Dayan von 2007 bis 2013 für rund 300 000 israelische Siedler im Westjordanland gesprochen. Er hatte dabei auch heftige Kontroversen mit der Regierung wegen eines zeitweiligen Siedlungsbaustopps nicht gescheut. Als säkularer Geschäftsmann, der schon mit 26 Jahren in Tel Aviv ein Software-Unternehmen gegründet hatte, sammelte er jedoch Punkte durch ein zumeist diplomatisches Auftreten.

Dayan wurde in Buenos Aires geboren und kam mit seinen Eltern im Alter von 15 Jahren aus Argentinien nach Israel. Seit 35 Jahren schon lebt er mit seiner Familie in der Siedlung Maale Schomron im nördlichen Westjordanland. Zwei Mal hat er vergeblich versucht, ins israelische Parlament einzuziehen. 2015 kandidierte er auf der Liste der vom heutigen Premierminister Naftali Bennett geführten Siedlerpartei Jüdisches Heim. In diesem Frühjahr scheiterte er auf einem Listenplatz der jetzigen rechten Regierungspartei Neue Hoffnung von Justizminister Gideon Saar.

Ins Zentrum einer diplomatischen Kontroverse geriet er, als er Ende 2015 von der Netanjahu-Regierung als Botschafter in Brasilien nominiert wurde. Die damals noch linke brasilianische Regierung zögerte seine Akkreditierung so lange hinaus, bis Israel zurückzog. Dayan wurde stattdessen als Generalkonsul nach New York entsandt.

In seiner dortigen Zeit von 2016 bis 2020 entwickelte er enge Arbeitsbeziehungen auch zu liberalen und linken Gruppen der amerikanischen jüdischen Diaspora und wurde dafür als Brückenbauer gelobt. Nach der jüngsten Parlamentswahl im März sorgte er mit einem Beitrag in der linksliberalen Zeitung Haaretz für einiges Aufsehen, indem er Netanjahus Pläne zur Bildung einer rein rechten Regierung für gefährlich erklärte und sich selbst als "jüdisch zionistisch, national und liberal" beschrieb.

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