Süddeutsche Zeitung

Israel:Wonder Woman kontert Netanjahu

Premierminister Benjamin Netanjahu schießt sich im Wahlkampf wieder einmal auf die arabische Minderheit im Land ein - und erntet diesmal Widerworte von prominenter Seite.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

In Israel gibt es ein neues Thema im Wahlkampf: "Die Araber" - gemeint sind jene Palästinenser, die in Israel leben und 17,5 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hatte die Debatte losgetreten, indem er auf Instagram auf eine Frage des israelischen Topmodels Rotem Sela antwortete. Sela hatte die Frage aufgeworfen: "Was ist das Problem mit Arabern? Wann zum Teufel wird jemand in dieser Regierung der Öffentlichkeit mitteilen, dass Israel ein Staat aller seiner Bürger ist. Und dass alle gleich geboren werden. Sogar Araber, Gott bewahre uns, sind Menschen!"

Überraschend antwortete der Regierungschef persönlich: "Liebe Rotem, eine wichtige Korrektur: Israel ist nicht der Staat aller seiner Bürger." Er verwies auf das im Juli verabschiedete Nationalstaatsgesetz, das den jüdischen Charakter des Staates betont und durch das Arabisch nicht mehr als Amtssprache eingestuft wird. "Laut dem Nationalstaatsgesetz, das wir verabschiedet haben, ist Israel der Nationalstaat des jüdischen Volkes, und zwar ausschließlich", schrieb Netanjahu.

Damit löste Netanjahu eine breite Diskussion aus. In den Kreis der Kritiker reihte sich Präsident Reuven Rivlin ein, der auf Twitter klarstellte: "Es gibt keine Bürger erster und zweiter Klasse." Aber Netanjahu legte nach und erteilte auch noch gleich einem eigenen Palästinenserstaat eine Absage: "Die arabischen Bürger haben 22 Nationalstaaten rundherum und brauchen nicht noch einen weiteren Staat. Wir definieren Israel als jüdischen und demokratischen Staat, den Nationalstaat des jüdischen Volkes mit gleichen Rechten für alle."

Am Dienstag schaltete sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein: "Ich verurteile entschieden diesen unverhohlenen Rassismus und diese Diskriminierung", schrieb Erdoğans Sprecher İbrahim Kalın am Dienstag im Kurzmitteilungsdienst Twitter. "1,6 Million Araber/Muslime leben in Israel. Werden die westlichen Regierungen reagieren oder unter Druck weiter schweigen?" Die Türkei hatte Israel wiederholt wegen ihres Umgangs mit den Palästinensern kritisiert.

Netanjahu unterstellt den Arabern "Herdenverhalten" beim Urnengang

Netanjahu dürfte bewusst auf dieses Thema setzen, um vor der Wahl am 9. April möglichst viele Unterstützer im rechten Lager zu mobilisieren. In Umfragen liegt das blau-weiße Bündnis mit dem ehemaligen Generalstabschef Benny Gantz vor Netanjahus rechtsnationalem Likud, wenn auch der Vorsprung in den vergangenen Tagen geschmolzen ist. Dass Netanjahu dieses Thema im Wahlkampf aufgreift, ist nicht neu: Bei den letzten Wahlen 2015 veröffentlichte er ein Video, in dem er davor warnte, dass die Araber "in Horden" zu den Urnen strömten, um ihn zu stürzen. Er beschuldigte europäische Staaten, ihnen dafür die Busse zu finanzieren. Später entschuldigte der Premier sich für seine Aussagen - was ihn aber nicht davon abhielt, eine ähnliche Aussage vor zwei Wochen erneut zu machen: Er unterstellte den arabischen Israelis "Herdenverhalten" beim Urnengang.

Bezug nehmend auf seinen Spitznamen Bibi und den Namen des bekannten arabischen Knesset-Abgeordneten Ahmed Tibi warnt er immer wieder davor, diesmal gehe es um "Bibi oder Tibi" - also darum, ob er das Land weiter regiere oder arabische Politiker in die Regierung einziehen. Auch wenn das blau-weiße Bündnis solche Absichten in Abrede stellt, setzt der Likud weiter auf diesen Wahlkampfslogan.

Tibi, der mit seiner Partei für Erneuerung wieder zur Wahl antritt, nimmt es mit Humor: "Bisher wusste ich gar nicht, dass ich mich als Premierminister bewerbe." Von den 120 Abgeordneten in der Knesset sind 13 arabische Israelis.

In die politische Debatte hat sich auch die Schauspielerin Gal Gadot - bekannt durch ihre Rolle als "Wonder Woman" - eingeschaltet, die ihrer Modelkollegin Sela beisprang: "Es geht nicht um Rechte oder Linke, Juden oder Araber, um Säkulare oder Religiöse. Es ist eine Frage des Dialogs, der Diskussion von Frieden und Gleichheit und unserer Toleranz füreinander. Die Verantwortung, Hoffnung für eine bessere Zukunft für unsere Kinder zu säen, liegt bei uns. Rotem, Schwester, du bist eine Inspiration für uns alle", schrieb Gadot, die auf Instagram mehr als 28 Millionen Follower hat. Auch die liberale jüdische Organisation J Group aus den USA geißelte in einer Stellungnahme die "schändliche, rassistische Rhetorik Netanjahus". Auf Kritik ging Israels Premier bisher nicht ein.

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SZ vom 13.03.2019
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