Süddeutsche Zeitung

Wahlsieg in Israel:Wie ein König

Benjamin Netanjahu haben seine rechtspopulistischen Positionen sehr geholfen - und der Umstand, dass kein israelischer Politiker über eine so lange sicherheitspolitische Erfahrung verfügt wie er.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Benjamin Netanjahu war eine Notlösung. Eigentlich sollte nach dem Willen seines Vaters Benzion nicht er in die Politik gehen, sondern sein älterer Bruder. Aber Yoni starb als Kommandant einer Eliteeinheit bei der Befreiung von entführten Flugpassagieren im ugandischen Entebbe 1976. In Israel gilt er als Held, seine Geschichte kennt jedes Kind. Bei der Trauerfeier auf dem Jerusalemer Herzlberg trat Benjamin Netanjahu zum ersten Mal in der Öffentlichkeit auf. Damals war er noch Student und nannte sich Ben Nitay. Erst später wurde er zu Bibi - wie ihn Freund und Feind gleichermaßen nennen.

Sein Vater, Professor für jüdische Geschichte, war mit der Familie in die USA gezogen. In Israel, das damals von der Arbeitspartei dominiert wurde, fühlte sich der radikale Zionist wegen seiner Ansichten verfolgt - die Opferrolle sollte später auch sein Sohn häufig einnehmen. Benzion Netanjahu trat für Großisrael ein, über Palästinenser äußerte er sich abfällig: "Die Neigung zum Streit liegt in der Natur der Araber. Sie sind der geborene Feind."

Von seinem jüngeren Sohn, der nach ein paar Jahren im diplomatischen Dienst 1988 nach Israel zurückkehrte, schien er keine gute Meinung zu haben. Der Dokumentarfilmer Dan Shadur, der sich lange mit Netanjahus Aufstieg beschäftigt hat, zeigt in einem Film eine bezeichnende Szene aus dem Jahre 2009: Der damals fast hundertjährige Vater sollte in einem Wahlkampfspot für den Sohn werben, den Frontmann des rechtsnationalen Likud. "In der augenblicklichen Situation wäre er der beste Ministerpräsident", sagt der Alte - und sein da schon fast 60-jähriger Sohn steht bei dieser nicht gerade euphorischen Empfehlung wie ein Schuljunge daneben.

Als Zweiter gewonnen

Benjamin Netanjahu wurde damals nur Zweiter, aber er war es, der eine Koalition zustande brachte. Zehn Jahre hatte er gebraucht, um sich wieder an die Spitze zu kämpfen. 1996 hatte er schon einmal die Wahl gewonnen, drei Jahre später aber verloren - gegen einen ehemaligen Generalstabschef, Ehud Barak. Zwei Jahrzehnte später sah sich Netanjahu gar drei ehemaligen Generalstabschefs gegenüber und zog alle Register, um nicht wieder zu verlieren.

Mit den Medien hatte er schon früh umzugehen gelernt. In seiner 1976 erschienenen Masterarbeit am Massachusetts Institute of Technology (MIT) beschäftigte er sich mit der Computerisierung der Presse und prophezeite, dass jeder, der viel Geld hat, seine eigene Zeitung aufmachen könne. Er selbst eröffnete später einen Fernsehkanal auf Facebook, setzte früh auf soziale Medien und damit die direkte Ansprache der Bürger, ohne sich kritischen Fragen von Journalisten stellen zu müssen. Er wurde zum ersten Vertreter des modernen Rechtspopulismus, wie ihn Politiker wie Viktor Orbán oder Matteo Salvini pflegen.

Mit Clinton und Obama verband ihn herzliche Abneigung, Bush nahm er nicht so recht ernst

Mit dem Slogan "Netanjahu - einen sicheren Frieden schaffen" war er 1996 angetreten und gewann. Danach handelte er zwar mit Palästinenser-Führer Yassir Arafat das Wye-Abkommen zum Truppenabzug der israelischen Streitkräfte aus dem Westjordanland aus, gleichzeitig aber hob er den Baustopp für Siedlungen auf.

Mit den US-Präsidenten Bill Clinton und Barack Obama verband ihn auf Gegenseitigkeit beruhende Abneigung, George W. Bush schien er nicht ernst zu nehmen. Mit Donald Trump zog dann ein Partner ganz nach seinem Geschmack ins Weiße Haus ein. Beide sind zum dritten Mal verheiratet, beide stehen für Populismus und Nationalismus, beide greifen Linke und Medien an, beide sprechen von "Hexenjagden", wenn sie sich angegriffen sehen.

Netanjahu halte sich für einen unersetzlichen Politiker

Diejenigen, die Netanjahu näher kennen, wie der ehemalige Journalist und jetzige Oppositionspolitiker Jair Lapid, nennen das Jahr 2015 als Wendepunkt: Netanjahu habe sich von da an zu einem Politiker entwickelt, der sich für unfehlbar und unersetzlich halte. Mit seiner ihm selten von der Seite weichenden Frau Sara habe er begonnen, den Staat als Selbstbedienungsladen zu begreifen und zusehends Anstand missen zu lassen. Wer ihm, nicht nur in der Politik, im Weg stand, wurde diffamiert.

Dass ihn der Generalstaatsanwalt wegen Korruption anklagen will, empfindet Netanjahu als Zumutung angesichts dessen, was er für den Staat geleistet habe. Mit seinem Argument, es handle sich um Lappalien, ist der 69-Jährige bei Wählern augenscheinlich durchgedrungen. Viele Israelis haben sich davon überzeugen lassen, dass niemand sonst über so große Erfahrung verfüge, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten. Die Mehrheit ermöglichte ihm eine fünfte Amtszeit mit dem für ihn besten Likud-Ergebnis. Im Juli wird er sogar länger im Amt gewesen sein als Staatsgründer David Ben Gurion. "Er ist einfach der geschickteste Politiker, den es jemals in Israel gegeben hat", meint der Politologe Jonathan Rynhold. Für den Filmemacher Shadur hat die Bibi-Verehrung in Israel schon "monarchische Züge". Deshalb hat er seinen Film "King Bibi" genannt.

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SZ vom 11.04.2019
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