Die zweite Option, auf die ich eventuell Geld setzen würde, wenn ich denn welches hätte: Netanjahu bildet eine gemäßigte Regierung mit Kadima, Labour und den religiösen Jungs (die für den richtigen Preis mit jedem gehen, wie wir bereits bemerkt haben). Diese Regierung würde in der Mitte feststecken: Sie würde zwar den Eindruck vermitteln, dass sie sich vorwärts bewegen will, in Richtung Frieden, wäre aber nicht dazu in der Lage, auch nur einen Schritt in diese Richtung zu tun. So oder so wird es keinen großen Durchbruch geben bezüglich des einen großen Lebensthemas Israels: Frieden mit den Palästinensern.
Was bleibt also übrig für einen liberalen, friedensbejahenden Leftie wie mich? Eine Option war immer die Partei Meretz: Gute Leute, relevante Themen wie Umweltschutz, Kampf gegen religiöse Zwänge, Friedensarbeit und so weiter. Dennoch habe ich dieses Mal meine Probleme mit ihr. Erstens sind ihre Leitfiguren nicht mehr so beeindruckend wie früher. Zweitens waren sie sehr wankelmütig während des Gaza-Krieges. Zuerst haben sie ihn unterstützt, dann kritisiert, schließlich nicht mehr kritisiert. Dieses Hin und Her hat viele enttäuscht. Außerdem hasse ich ihre aktuelle Parole "Keine Kompromisse!" Keine Kompromisse? Was soll das? Selbstverständlich brauchen wir Kompromisse! Keine Kompromisse, das haben die Rechten und die Mitte doch schon vorgemacht, und schaut, wo es uns hingebracht hat.
Die andere Möglichkeit ist die Hadash, eine jüdisch-arabische und sozialistische Partei. Die sind immerhin beständig, haben das "kommunistische" Label zur rechten Zeit über Bord geworfen, unterstützen jüdisch-arabische Kooperationen, haben sich klar gegen den Krieg geäußert und unterstützen seit Jahren umweltpolitische Maßnahmen. Und trotzdem fühle ich mich unbehaglich mit ihnen - inwieweit sind sie Zionisten? Wie liberal sind sie wirklich? Wie ausgeglichen? Die ersten fünf Listenplätze belegen vier Araber und ein Jude.
Hier stehe ich also, so kurz vor den Wahlen, und merke, dass ich mit keiner der Möglichkeiten zufrieden bin. Bin ich ein alter Nörgler geworden? Oder werden unsere Politiker tatsächlich schlechter? Ich hoffe, eine Antwort zu haben, wenn ich heute in der Wahlkabine stehe.
Der Autor lebt als Schriftsteller und Sänger in Tel Aviv. Zuletzt erschien von ihm auf Deutsch der Roman "Ein schönes Attentat" (Luchterhand 2008). Deutsch von Angela Ullmann