Israel verweigert Gaza-Besuch:Zentralrat der Juden nennt Niebel kindisch und zynisch

Israels Regierung hat Dirk Niebel einen geplanten Besuch im Gazastreifen verwehrt. Und damit heftige Kritik ausgelöst. Allerdings auch am polternden Auftritt des Entwicklungshilfeministers der FDP.

Israel hat Dirk Niebel nicht in den Gazastreifen einreisen lassen. So weit, so schlecht. Doch nun packt Niebel die große außenpolitische Keule aus: Diese Entscheidung sei ein "großer außenpolitischer Fehler", sagte Niebel der Leipziger Volkszeitung. Im ZDF zeigte sich Niebel enttäuscht von der Entscheidung der israelischen Behörden. "Ich hätte mir gewünscht, dass hier ein klares politisches Signal für eine Öffnung und für Transparenz gesetzt worden wäre", sagte der Vizepräsident der deutsch-israelischen Gesellschaf: Er sei "betrübt, dass es Israel momentan auch seinen treuesten Freunden so schwer macht, ihr Handeln zu verstehen".

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel in Nablus

Nablus: Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) mit dem palästinensischen Premierminister Salam Fayad.

(Foto: dpa)

Niebel war die Einreise in den von der radikalen Hamas beherrschten Gazastreifen kurz nach seiner Ankunft im Nahen Osten untersagt worden. "Wenn die israelische Regierung Unterstützung für ihre neue Gazastrategie erwartet, dann muss sie zunächst selbst für mehr Transparenz und für eine neue Partnerschaft sorgen", verlangte der Minister. Die Blockade sei "kein Zeichen von Stärke sondern eher ein Beleg unausgesprochener Angst".

Israel zeigt sich überrascht

Gerade dieser letzte Satz macht nun den Zentralrat der Juden fuchsig. Das Verhalten Israels gerade gegenüber einem ausgewiesenen Freund sei zwar ungeschickt und undiplomatisch, sagte Generalsekretär Stephan Kramer der Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung. Die Haltung Israels sei Niebel aber bekannt gewesen: "Es war sehr ungeschickt, wie Niebel das Ganze hat sich zuspitzen lassen."Scharfe Kritik äußerte Kramer an der Bemerkung Niebels, die Blockade des Gazastreifens sei kein Zeichen von Stärke, sondern eher ein Beleg unausgesprochener Angst: "Das ist kindisch und zynisch angesichts der israelischen Opfer in Sderot und andernorts durch Raketenangriffe aus dem Gazastreifen", sagte der Generalsekretär. Die Blockade berühre vielmehr "vitale Sicherheitsinteressen Israels". Israel verweigert ausländischen Ministern fast ausnahmslos die Einreise in den Gazastreifen. Die Regierung in Tel Aviv wurde nach dem blutigen Angriff auf einen Hilfskonvoi vor der Küste des Gazastreifens weltweit kritisiert.

Israel wolle "unbedingt jede Eskalation vermeiden", fügte Vizepräsident Dieter Graumann in der Onlineausgabe des Handelsblattes hinzu. Das Land fühle sich einer "vielfach übertriebenen und ungerechten Hetzkampagne" ausgesetzt und reagiere daher "besonders verletzt". Graumann riet dazu, den Vorfall nicht überzubewerten.

Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, attackierte Niebel: "Es zeigt sich wieder einmal, dass Außenpolitik nichts für die Halbstarkenpolitiker von der FDP ist." Das Einreiseverbot für den Minister finde er auch unverständlich. "Aber: Die unverhohlen Drohung Niebels an Israel ist völlig unangemessen", sagte Beck. Niebel müsse dies unverzüglich mit einer Klarstellung aus der Welt schaffen.

Israel selbst reagierte überrascht: "Es gibt eine klare Politik", sagte ein Repräsentant des israelischen Außenamtes am Sonntag. "Wir haben den Europäern schon seit langem erklärt, dass wir die Einreise ranghoher Politiker in den Gazastreifen nicht erlauben." Der israelische Repräsentant, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte weiter, Israel erlaube keine Besuche ausländischer Politiker im Gazastreifen, weil die dort herrschende radikal- islamische Hamas diese zu Propagandazwecken ausnutze. Dies würde wiederum die gemäßigte Führung des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas im Westjordanland schwächen, so der Sprecher. "Wenn jeder Staat jemanden (nach Gaza) schicken würde, gäbe es eine unaufhörliche Bewegung, und die Hamas würde dies ausnutzen, um zu behaupten, es gäbe eine Normalität in den Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft", sagte der israelische Repräsentant im Außenministerium.

Verständnis für Niebel von FDP, CDU und Linke

FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle erklärte hingegen, er "bedaure die Entscheidung" Israels. Ziel der Bundesregierung bleibe das vollständige Ende der Abriegelung des Gazastreifens. Dies sei nicht nur die Haltung Deutschlands, sondern auch die der Europäischen Union.

Auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz (CDU), kritisiert Israel: Es sei ein "Fehler, dass Israel dem deutschen Entwicklungshilfeminister die Einreise verweigert hat", sagte Polenz dem Berliner Tagesspiegel. Es gebe keinen politischen Grund für diesen Schritt, fügte er hinzu. Deutschland beteiligte sich sowohl bilateral als auch über die EU in erheblichem Umfang an der humanitären Hilfe für den Gazastreifen. "Gerade diese Hilfe liegt auch im objektiven israelischen Interesse", sagte Polenz. Es sei eine "unkluge Haltung", wenn die israelischen Behörden Niebel die Möglichkeit eigener Eindrücke und Gespräche im Gazastreifen verwehrten, sagte Polenz. CDU-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff sagte dem Hamburger Abendblatt, mit solch einer Aktion schade Israel "seinen eigenen Interessen". Er forderte den "ungehinderten Zugang" für internationale Gäste und Politiker zum Gazastreifen.

Diese Entscheidung sei "rechtswidrig und provokativ", meint auch der außenpolitische Sprecher der Linken, Wolfgang Gehrcke. Israel habe damit die Pläne zur Lockerung der Blockade gegen den Gazastreifen "ad absurdum geführt". "Man muss kein Freund der FDP-Außen- und Entwicklungspolitik sein, um diesen Affront zu kritisieren."

Die Reaktion von Guido Westerwelle

Niebel startete am Samstag seine viertägige Nahostreise, im Rahmen derer er am Sonntag eigentlich den Gazastreifen besuchen wollte. Er war dort mit Vertretern des UN-Hilfswerks für die palästinensischen Flüchtlinge (UNRWA) verabredet. Der Zeitung sagte Niebel, wenn die israelische Regierung Unterstützung für ihre neue Strategie erwarte, dann müsse sie "zunächst selbst für mehr Transparenz und für eine neue Partnerschaft sorgen". Israel hatte sich nach immensem internationalem Druck zu einer Lockerung der Landblockade gegen den Gazastreifen bereiterklärt und will nun deutlich mehr Güter in das Gebiet liefern. Die Seeblockade will Israel jedoch aufrechterhalten.

Im Westjordanland, wo sich Niebel am Samstag aufhielt, bekräftigte er indes das Engagement Deutschlands in den Palästinensergebieten. Nach Angaben des Entwicklungsministeriums sagte die Regierung für das Jahr 2010 insgesamt 42,5 Millionen Euro für die deutsch-palästinensische Entwicklungszusammenarbeit zu. Kernpunkte der Unterstützung sind demnach der Wasser- und Abwassersektor und die Wirtschaft in den Palästinensergebieten. Nahe Nablus im Westjordanland setzte Niebel mit dem palästinensischen Regierungschef Salam Fajad den Bau einer neuen Kläranlage in Gang, von der mittelfristig 250.000 Menschen profitieren sollen. Niebel traf im Westjordanland auch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammen. Am Montag und Dienstag will er sich in Jerusalem aufhalten.

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