Israel und Ungarn:Kleine Geschenke erhalten die Männerfreundschaft

Israel und Ungarn: Viktor Orbán und Benjamin Netanjahu - hier 2019 bei einem Treffen in Jerusalem - verbindet eine ähnliche Sicht auf die Welt.

Viktor Orbán und Benjamin Netanjahu - hier 2019 bei einem Treffen in Jerusalem - verbindet eine ähnliche Sicht auf die Welt.

(Foto: DEBBIE HILL/imago)

Während Benjamin Netanjahu Israel nach ungarischem Vorbild umbaut, will Viktor Orbán angeblich die Botschaft seines Landes nach Jerusalem verlegen. Über zwei Brüder im Geiste.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Männerfreundschaften mögen ein überkommenes Modell der internationalen Diplomatie sein, doch Benjamin Netanjahu und Viktor Orbán zelebrieren sie gern und unbeirrt. In vielerlei Hinsicht dürfen der israelische und der ungarische Regierungschef als Brüder im Geiste gelten, und nun scheint Orbán seinem alten Kumpel in Zeiten der Bedrängnis ein besonderes Geschenk machen zu wollen: Ungarns Botschaft soll, wie die Times of Israel unter Berufung auf eine hohe, anonym bleibende Quelle im israelischen Außenministerium berichtet, von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden, im nächsten Monat schon. Orbán würde damit auf den Pfaden des früheren US-Präsidenten Donald Trump wandeln - und mit Wucht aus der EU-Politik gegenüber Israel ausscheren.

Ungarns Präsidentin Katalin Novák sagte am Freitag am Rand eines Besuchs in Prag, dass über den Umzug der Botschaft noch nicht entschieden worden sei. Das berichtete die Jerusalem Post. Auch ein Sprecher des israelischen Außenministeriums wollte den Bericht auf Anfrage der SZ am Freitag nicht bestätigen. "Wir hoffen, dass alle Länder mit ihren Botschaften nach Jerusalem umziehen, weil das unsere Hauptstadt ist", sagte er. Dies allerdings ist völkerrechtlich höchst umstritten, und bislang sind nur vier Staaten mit ihren Vertretungen in Jerusalem ansässig: Auf den Umzug der USA, den Trump 2018 mit einem Paukenschlag vollzog, folgten allein Guatemala, Honduras und Kosovo.

Rund neunzig andere Staaten, unter ihnen auch alle Europäer, haben ihre diplomatischen Vertretungen am Standort Tel Aviv. Dies wird damit begründet, dass der endgültige Status von Jerusalem erst in Friedensverhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern geklärt werden müsse. Die Palästinenser beanspruchen den von Israel 1967 eroberten Ostteil als Hauptstadt ihres angestrebten Staates. Die Israelis wiederum haben rund 200 000 jüdische Siedler in Ostjerusalem angesiedelt, 1980 die arabischen Stadtteile annektiert und Jerusalem zur "ewigen und ungeteilten Hauptstadt" ausgerufen. Doch diese Versuche, Fakten zu schaffen, sind in zahlreichen UN-Resolutionen für ungültig erklärt worden.

Seit Trumps Entscheidung wartet Israel auf die Welle - doch die bleibt bislang aus

Seit Trump jedoch mit der jahrzehntelangen US-Politik gebrochen und Jerusalem als Hauptstadt anerkannt hat, wartet Israel auf die große Welle. Zuletzt hatte das Außenministerium vor fünf Tagen mit Stolz verkündet, dass Papua-Neuguinea eine Botschaft in Jerusalem eröffnen wolle. Ein paar andere Kandidaten werden noch genannt wie Togo, Malawi oder Vanuatu. Doch öfter noch gab es schlechte Nachrichten von dieser diplomatischen Front: Paraguay verlegte seine Botschaft in Jerusalem 2018 schon nach wenigen Monaten wieder zurück nach Tel Aviv. Australien machte nach dem Regierungswechsel im vorigen Herbst einen Rückzieher vom Umzugsversprechen. Und auch aus Rumäniens Plänen von 2019 ist nichts geworden.

Nun aber kommt die Meldung zur Einigung mit Ungarn, die dem Bericht zufolge nach Verhandlungen zwischen den beiden Außenministern Eli Cohen und Péter Szijjártó erzielt wurde. Um einen zumindest vorläufigen Standort müssen sich die Ungarn nicht einmal mehr bemühen. Denn 2019 war nach einem Besuch Orbáns in Jerusalem schon eine "Handelsvertretung mit diplomatischem Status" eröffnet worden.

Die Nachricht fällt in eine Zeit, in der Ungarn ohnehin sehr präsent ist in den israelischen Debatten - allerdings eher im negativen Kontext. "Israel ist keine Diktatur, Israel ist nicht Ungarn", rufen die Demonstranten, die seit Wochen gegen die von der rechtsnationalistischen Regierung geplanten Umwälzungen im Justizwesen auf die Straße gehen. Auf den Protestzügen sind Bilder zu sehen, erstellt per Photoshop, auf denen die Gesichter von Netanjahu und Orbán ineinander übergehen.

Orbán und Netanjahu haben viel gemeinsam - auch die Feindbilder

Die beiden verbindet eine ähnliche Sicht auf die Welt: eine Betonung des Patriotischen und Nationalistischen, eine Abkehr von der liberalen Demokratie. Außerdem pflegen sie gemeinsame Feindbilder. Dazu gehört George Soros, der als Sohn ungarischer Juden 1930 in Budapest geboren wurde. Der US-Milliardär finanziert regierungskritische Organisationen in beiden Ländern. Als Orbán Soros dies mit einer Kampagne heimzahlte, die von vielen als antisemitisch empfunden wurde, nahm Netanjahu Ungarns Regierungschef öffentlich in Schutz. Und er verzieh ihm obendrein, dass Orbán den Hitler-Verbündeten Miklós Horthy, mitverantwortlich für die Deportation von 600 000 ungarischen Juden, als "außergewöhnlichen Staatsmann" gepriesen hatte.

Nun könnte Orbán sich revanchieren. Als Netanjahu im November wieder ins Amt gewählt wurde, hatte er schon überschwänglich gratuliert und ein Foto gepostet, das ihn mit Netanjahus frisch veröffentlichter Autobiografie in der Hand zeigt.

Mit einer Verlegung der Botschaft würde er seinem Männerfreund nun einen beachtlichen diplomatischen Erfolg bescheren.

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