Netanjahu in den USA:Verbunden in herzlicher Abneigung

Obama und Netanjahu

Mehr als ein Jahr ist seit dem vorigen Treffen zwischen Obama und Netanjahu vergangen.

(Foto: AFP)

Israels Premier Netanjahu reist nach Washington - und wohl zu seinem letzten Treffen mit US-Präsident Obama. Den amerikanischen Freund hat er längst verprellt.

Kommentar von Peter Münch

Zeit zum Streiten haben sie wahrlich genug gehabt in den vergangenen Jahren: Wenn sich US-Präsident Barack Obama und Israels Premierminister Benjamin Netanjahu an diesem Montag ins Oval Office zurückziehen, wird dies, so rechnen es die israelischen Zeitungen vor, ihr 16. Treffen sein. Ob es um den Friedensprozess mit den Palästinensern oder das Atomabkommen mit Iran ging - immer prallten dabei die unterschiedlichen Interessen und die verschiedenen Weltsichten aufeinander. Geprägt also sind die Beziehungen von Misstrauen und Enttäuschung. Doch das schützt nicht vor Schulterklopfen und der rituellen Beteuerung des "unverbrüchlichen Bundes" zwischen beiden Ländern.

Zum einen liegt das daran, dass zur Politik stets Schauspielkunst gehört, zum anderen verhält es sich mit Barack & Bibi wie bei einem alten Ehepaar, das in aufreibenden Auseinandersetzungen die Fronten geklärt hat und jetzt möglichst kein neues Fass mehr aufmachen will. Hilft ja auch nichts, denn die Fakten sind so, wie sie sind. Nun geht es nur noch darum, einen Modus Vivendi zu finden.

Heute kann sich Obama generös zeigen

Zum Beispiel Iran: Hier darf sich Obama als Sieger fühlen. Das Atomabkommen ist unter Dach und Fach, obwohl Netanjahu nach Art des Einzelkämpfers aus der Eliteeinheit Sajeret Matkal, der er mal war, dagegen angekämpft hat. Natürlich ist im Weißen Haus weder vergessen noch vergeben, dass sich Israels Premier im März sogar in den US-Kongress begeben hatte, um in Komplizenschaft mit den Republikanern auf amerikanischem Boden dem amerikanischen Präsidenten das Wasser abzugraben. Doch heute kann sich Obama generös zeigen, wenn Netanjahu als Bittsteller kommt und um eine Erhöhung der jährlichen US-Militärhilfe nachsucht.

Gewiss kennt Obamas Großzügigkeit Grenzen und es ist fraglich, ob Israels Regierungschef tatsächlich die erhofften 50 Milliarden Dollar für die nächsten zehn Jahre herausschlägt. Doch mit leeren Händen dürfte er gleich aus drei Gründen nicht nach Hause fahren: Obama wird zeigen wollen, dass es ihm nicht um persönliche Differenzen, sondern um Israels Sicherheit geht. Zudem hat er vor dem Iran-Abkommen auch den schwankenden demokratischen Abgeordneten eine Kompensation für Israel versprochen. Und überdies liegt es im amerikanischen Interesse, wenn die Ayatollahs in Teheran wissen, dass in Jerusalem noch ein gut gerüsteter Mann für Grobe über jeden ihrer Schritte auf atomarem Terrain wacht.

Netanjahu hat sich durchgesetzt

Ebenso wie in der Causa Iran gibt es auch in Sachen Friedensprozess mit den Palästinensern kaum mehr Grund für neuen Streit. Hier hat sich Netanjahu durchgesetzt, und Obama hat sich in die Realpolitik gefügt. Von der Tatkraft zu Beginn seiner Amtszeit, als er der arabischen Welt die Hand reichen und die Region befrieden wollte, ist nichts mehr geblieben. Dem Treffen im Weißen Haus schickte der US-Präsident eine Kapitulationserklärung voraus: Er glaube nicht mehr daran, dass in seiner Amtszeit ein Abkommen zwischen Israelis und Palästinensern geschlossen werde. Hatte er 2009 Netanjahu noch zu einem Baustopp bei den Siedlungen gezwungen, erwartet er nun nur noch ein paar "vertrauensbildende Maßnahmen", um den Konflikt nicht weiter anzuheizen.

Mehr als ein Jahr ist seit dem vorigen Treffen zwischen Obama und Netanjahu vergangen - und die beste Nachricht für den US-Präsidenten ist es womöglich, dass diesem Rhythmus zufolge diese Zusammenkunft schon die letzte sein könnte. In einem Jahr wird in den USA ein neuer Präsident gewählt, der sich dann aller Voraussicht nach weiter an Netanjahu abarbeiten darf. Die schlechte Nachricht für die Israelis allerdings ist, dass ihr Dauer-Premier auch die besten Freunde verprellen kann.

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