Süddeutsche Zeitung

Israel und Iran:Säbelrasseln in Richtung Teheran

Lesezeit: 3 min

"Wir bereiten uns auf den Ernstfall vor": Israel stimmt seine Armee und die Bevölkerung in aller Offenheit auf einen Militärschlag gegen Iran ein.

Thorsten Schmitz, Tel Aviv

Mit auffälligem Schweigen hat die israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu die Diskussionen und Dementis der US-Regierung zu einem Angriff Israels auf Irans Atomanlagen quittiert. Laut der israelischen Tageszeitung Haaretz ist das Schweigen Programm: Israel, so das Blatt, habe sich längst entschieden, in einer Militäroperation die im Bau befindlichen iranischen Atomanlagen zu zerstören, falls Teheran die Arbeiten nicht doch noch stoppt.

Die Niederschlagung der iranischen Proteste gegen den Wahlsieg von Mahmud Ahmadinedschad dient der israelischen Regierung als Beleg, dass ein Dialog mit Teheran, wie er von Obama favorisiert wird, zwecklos sei. Wenn man mit Regierungsmitgliedern in Jerusalem spricht, sind sie parteiübergreifend der Auffassung, dass Israel sich letztlich nicht auf die internationale Staatengemeinschaft verlassen könne.

"Sanktionen werden Irans Atomprogramm nicht stoppen"

Ein Regierungsbeamter, der nicht mit Namen zitiert werden möchte, sagte: "Sanktionen werden Irans Atomprogramm nicht stoppen." Auf die Frage, ob Israel bereits Einsatzpläne in der Schublade habe für einen Angriff, sagte er: "Wir bereiten uns auf den Ernstfall vor." Die US-Zeitung Washington Times berichtete, Netanjahu habe bei seiner Begegnung mit US-Präsident Barack Obama in Washington bewusst nicht Hilfe oder Zustimmung für einen israelischen Angriff auf Irans Atomanlagen erbeten, um keine negative Antwort zu erhalten. Netanjahu sei der Ansicht, dass es sinnlos sei, Obama um Zustimmung zu bitten, da bereits dessen Vorgänger George W. Bush diese nicht erteilt hatte.

In den israelischen Medien, die der Militärzensur unterliegen, wird seit Tagen ausführlich über das Szenario eines israelischen Angriffs auf Iran spekuliert. Die Luftwaffe, berichtete die Jerusalem Post, habe bereits mehrere Pläne entworfen für den Fall, dass die USA Israel keine Überflugrechte für Irak gewährten. Falls Israel die iranischen Atomanlagen angreifen wollte, wäre die direkte Route über Jordanien und Irak die kürzeste.

Die britische Sunday Times meldete kürzlich, Israels Mossad-Chef Meir Dagan habe von Riad für einen Angriff auf Iran stillschweigend die Überflugerlaubnis erhalten - obwohl beide Staaten keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Saudi-Arabien hätte ein Interesse an einer Schwächung Irans. Dessen Bestrebungen, Saudi-Arabien als muslimische Führungsmacht abzulösen, beobachtet Riad mit Argwohn.

Die Zeichen für einen Militärschlag Israels gegen Iran mehren sich. Netanjahu, der Ahmadinedschad mit Adolf Hitler und das iranische Atomprogramm mit dem Holocaust vergleicht, soll dem Verteidigungsministerium grünes Licht für den Kauf von drei Awacs-Radarflugzeugen gegeben haben. Wie die Sunday Times unter Berufung auf Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums berichtete, war die landesweite Zivilschutzübung vor wenigen Wochen Teil der Vorbereitungen für den Militärschlag und eine mögliche Vergeltung Irans.

Zwölf unterschiedliche Ziele

Als Teil der Vorbereitungen für einen Militärschlag könnte die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in der Negev-Wüste und der Kauf von F-35-Kampfflugzeugen gedeutet werden, dem Washington kürzlich zugestimmt hat. Die Tarnkappenbomber können in feindliche Gebiete fliegen, ohne von deren Radar erfasst zu werden.

Das wäre von großem Vorteil für die israelische Luftwaffe, die nach Expertenmeinung mehr als zwölf unterschiedliche Ziele angreifen müsste. Darunter befänden sich Natans, wo Tausende Zentrifugen angereichertes Uranium herstellen, und Arak, wo ein Schwerwasser-Reaktor Plutonium produzieren soll. Die Jerusalem Post meldete, dass israelische Kampfflugzeuge demnächst an einem Manöver in einem europäischen Nato-Mitgliedsland und an zwei Übungen in den USA teilnehmen, um Piloten auf Langstreckenflüge vorzubereiten. Das EU-Land dürfe nicht genannt werden.

Die Orte, an denen Iran unter dem Deckmantel eines zivilen Nuklearprogramms eine Atombombe entwickeln soll, liegen weit verstreut zwischen 1800 und 2000 Kilometer von Israel entfernt.

Einen weiteren Hinweis, dass sich Israels Armee auf einen Militärschlag vorbereitet, lieferte kürzlich die Fahrt eines Unterseeboots der Dolphin-Klasse vom Mittelmeer durch den ägyptischen Suez-Kanal zum Hafen der israelischen Küstenstadt Eilat am Roten Meer. Ohne die für Israels Armee übliche Geheimhaltung war das in Deutschland gebaute U-Boot für alle Welt sichtbar nach Eilat und wieder zurück nach Haifa gefahren. Vier der zehn Torpedorohre können nukleare Sprengköpfe abschießen. Der Militärkorrespondent der größten israelischen Tageszeitung, Ron Ben Jischai, sagt, die Durchfahrt des U-Bootes müsse mit Ägypten abgesprochen worden sein. Ägypten sehe wie Saudi-Arabien im Hegemoniestreben Irans eine Gefahr für die Region.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.90824
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.07.2009
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.