Israel und die Folgen des Siedlungsbaus:Plan B für den Nahen Osten

Israel schafft mit dem Siedlungsbau weiter Fakten gegen den Frieden. Die Palästinenser sind enttäuscht und wollen nach dem Scheitern der Gespräche jetzt ohne Israels Zustimmung einen Staat gründen. Sie hoffen auf den Dominoeffekt.

Peter Münch, Tel Aviv

George Mitchell hat es noch einmal versucht. In dieser Woche ist der amerikanische Sondergesandte wieder durch seine Nahost-Region gereist, doch mit leeren Händen ist er heimgekehrt. Die Palästinenser haben ihn ins Leere pendeln lassen, sie sind zu keinerlei neuen Friedensgesprächen bereit, solange Israel mit dem Siedlungsbau weiter Fakten gegen den Frieden schafft. Auch in Kairo kam Mitchell nicht weiter.

Houses under construction are seen in a Jewish settlement near Jerusalem

Der weitere Bau israelischer Siedlungen - wie hier in Har Homa im Süden Jerusalems - ist derzeit das größte Problem im Friedensprozess.

(Foto: REUTERS)

Die Arabische Liga hat den Palästinensern bei einem eigens anberaumten Treffen Rückendeckung gegeben für den Verhandlungsboykott. So sehr sich Washington auch müht - in Ramallah haben sie, fürs Erste zumindest, umgeschaltet auf Plan B: Statt auf eine mit Israel ausgehandelte Staatsgründung hoffen sie auf internationale Anerkennung für ihren einseitig proklamierten Staat. Und sie setzten dabei auf den Domino-Effekt.

Den Anfang hatten in der vorigen Woche Brasilien und Argentinien gemacht, die mit einem Schreiben an Palästinenserpräsident Machmud Abbas den Palästinenser-Staat in den Grenzen von 1967, also vor dem Sechstagekrieg, anerkannt haben. Aus Südamerika kamen in der Folge weitere entsprechende Signale. Das allein jedoch ist gewiss nicht genug, um die kritische Masse zu erreichen. Im Hintergrund stehen zwar auch noch die arabischen Bruderstaaten, viele Afrikaner und noch ein paar andere, die nach der ersten Ausrufung des Palästinensers-Staats durch Jassir Arafat anno 1988 mit ihrer Anerkennung ein eher symbolisches Zeichen der Solidarität gesetzt hatten. Summa summarum sind das bis heute mehr als hundert Staaten. Aber im Fokus der palästinensischen Hoffnungen stehen nun die westlichen Mächte: Vorneweg natürlich die USA, dahinter gleich die Europäer.

Washington jedoch ist für die Palästinenser schon immer ein schwieriger Partner gewesen. Wenig überraschend stellte auch nun die US-Regierung sogleich klar, dass es für sie keine Alternative zu einer Verhandlungslösung mit Israel gebe. Das Repräsentantenhaus hat dann noch einmal nachgelegt mit einer Erklärung, die wohl zur Sicherheit dem bisweilen wechselhaften Präsidenten Barack Obama die Hände binden soll. Darin heißt es klipp und klar, dass die USA keinen einseitig ausgerufenen Palästinenser-Staat anerkennen werden. Alle Anerkennungsbemühungen über den UN-Sicherheitsrat sollen zudem mit einem Washingtoner Veto blockiert werden.

Zwei Konsequenzen ziehen die Palästinenser nun daraus: Zum einen wenden sie sich enttäuscht von den USA ab - diese gelten nun nicht mehr als ehrlicher Makler, sondern werden wieder als Schutzmacht Israels gesehen. Der Vermittler Mitchell hat das bereits zu spüren bekommen bei seiner jüngsten Reise, wo er allein in Jerusalem freudig empfangen worden war. Zum anderen aber wird das Werben um die Europäer stärker, und hier mag es für die Palästinenser auch größere Erfolgsaussichten geben.

Das EU-Außenminister-Treffen in dieser Woche hatten die Staats-Strategen in Ramallah für einen ersten Vorstoß auserkoren. "Es ist Zeit für die Länder in aller Welt, den Staat Palästina mit der Hauptstadt Ostjerusalem anzuerkennen", lautete die Aufforderung des palästinensischen Chef-Unterhändlers Saeb Erekat. Die Abschlusserklärung des EU-Treffens blieb allerdings weit hinter den Erwartungen zurück. Die Anerkennung eines Palästinenser-Staats wurde lediglich "zu angemessener Zeit" in Aussicht gestellt. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte zudem nach einem Treffen mit Mitchell in Brüssel, dass die Europäer ebenso wie die Amerikaner Fortschritte nur durch Verhandlungen erwarteten.

Aufgeben wollen die Palästinenser aber noch nicht, vielmehr versuchen sie jetzt, sich die außenpolitische Uneinigkeit der EU zunutze zu machen und einzelne Mitglieder auf ihre Seite zu ziehen. Vier europäische Länder - Frankreich, Großbritannien, Schweden und Dänemark - sind deshalb jetzt noch einmal gesondert zur Anerkennung eines Palästinenser-Staats aufgefordert worden.

Es ist ein mühevolles Ringen, und noch ist nicht klar, wohin das führt. Selbst der Premierminister Salam Fajad räumte in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Channel 2 ein, dass auch einseitige Anerkennungen die Palästinenser ihrem Staat nicht näher brächten. Schließlich stehen noch viele israelische Soldaten auf dem besetzten Gebiet. In Jerusalem allerdings werden die palästinensischen Aktivitäten mit zunehmender Schärfe verurteilt. Das immerhin darf in Ramallah als Zeichen dafür verbucht werden, dass zumindest die Drohkulisse Wirkung zeigt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: