In Entebbe ist sein Flugzeug gelandet, und natürlich ist das ein historisches Ereignis: Benjamin Netanjahu ist der erste israelische Regierungschef seit Jitzchak Schamir anno 1987 auf Besuch südlich der Sahara. Vier afrikanische Länder in fünf Tagen will er bereisen. Doch der Auftakt in Uganda ist historisch vor allem aus einem anderen Grund: Genau vor 40 Jahren, am 4. Juli 1976, befreiten israelische Spezialkräfte auf dem Flughafen von Entebbe mehr als 100 Geiseln aus der Hand eines palästinensisch-deutschen Terrorkommandos.
Angeführt wurden die Soldaten damals von Netanjahus Bruder Jonathan, der bei dieser Aktion ums Leben kam. Nun kehrt Benjamin Netanjahu an den Ort zurück, an dem sein Bruder starb - und an dem seine eigene politische Karriere ihren Anfang nahm.
Beim Tod des dreieinhalb Jahre älteren Bruders lebte Benjamin Netanjahu in Amerika. Mit 26 Jahren hatte er ein Studium in Architektur und Wirtschaft hinter sich und bei Boston Consulting angeheuert. Vieles deutete auf eine Karriere als Geschäftsmann in den USA hin. Entebbe aber änderte alles.
"Der Tod meines Bruders hat mein Leben in die jetzige Richtung gebracht", sagte Netanjahu vor einigen Jahren in einem Interview. Zunächst gründete er zur Erinnerung an den Bruder 1978 das "Jonathan-Institut", das sich dem Anti-Terror-Kampf widmete und Netanjahu die erste öffentliche Aufmerksamkeit sicherte. Bald danach fing er im diplomatischen Dienst Israels an, wo er schnell zum UN-Botschafter in New York aufstieg. 20 Jahre nach Entebbe schließlich wurde Netanjahu 1996 zum israelischen Premier gewählt.
Israel vergisst seine Helden nicht
Die Popularität des toten Bruders hat dabei stets den Aufstieg begleitet. Israel vergisst seine Helden nicht und auch nicht die trauernden Angehörigen. Die Befreiungsaktion von Entebbe wurde sogar offiziell umgetauft in "Operation Jonathan", Filme und Bücher erschienen dazu.
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Entebbe hatte schließlich alles, was zum Mythos taugt: Es war eine heldenhafte Befreiungsaktion, die in Israel eine neue Zeit des Stolzes einläute - nach dem fast verlorenen Jom-Kippur-Krieg von 1973 und dem Trauma von 1972, als das Land hilflos zusehen musste, wie bei den Olympischen Spielen in München israelische Sportler als Geiseln genommen und getötet wurden.
Entebbe hat Israel Kraft und Zuversicht gegeben, und Benjamin Netanjahu hat dort sein großes Thema gefunden: den Kampf gegen den Terror, um den Preis der Trauer um den Bruder. "Sein Tod in Entebbe markiert einen einzigartigen Wendpunkt im weltweiten Kampf gegen den Terrorismus", sagte er. "Denn nach Entebbe war es sehr schwierig zu sagen, es gebe keine andere Wahl als die Kapitulation."
Entebbe wurde zum Vorbild für andere Befreiungsaktionen, darunter auch gut ein Jahr später der Einsatz der deutschen GSG 9 in Mogadischu. Und für Netanjahu ist es die Grundlage, bis heute der Welt zu predigen, wie der Terrorismus zu bekämpfen ist.
Kommt Netanjahu nun als Premier oder als Bruder?
Um all das kreist auch die Gedenkveranstaltung an diesem Montagnachmittag in Entebbe. Netanjahu ist mit großer Entourage angereist: Eine Delegation der Armee ist dabei, Teilnehmer des Einsatzes von 1976, und auch einige der damaligen Geiseln.
Während damals noch der ugandische Diktator Idi Amin die Terroristen unterstützte, spricht heute Präsident Yoweri Museveni ein Grußwort. Kritische Stimmen in Israel stören sich allerdings an den Kosten dieser Afrika-Reise, die in den Medien auf 28 Millionen Schekel beziffert werden (mehr als sechs Millionen Euro). Die Zeitung Haaretz wirft Netanjahu vor, den Jubiläums-Trip nicht aus regierungspolitischer Notwendigkeit zu unternehmen, sondern um ein "emotionales Event" zu zelebrieren. Gefragt wird, ob er als Bruder oder als Premier reist. Aber wie gewohnt perlt solche Kritik an Netanjahu ab.
Er selbst hatte diese Reise kurz vor dem Abflug als "historisch" bezeichnet. In Uganda wird er im Anschluss an die Zeremonie auf einem Regionalgipfel noch sieben ostafrikanische Staatschefs treffen. Danach reist er weiter nach Kenia, Ruanda und Äthiopien. 80 israelische Unternehmer begleiten ihn, das Premiersamt hofft, "Kontakte zu knüpfen". Die Geschichte steht nie still, und Geschäfte sind stets willkommen.