Ukraine-Krieg:Israels Premier reist nach Gesprächen mit Putin weiter zu Scholz

FILE PHOTO: Weekly cabinet meeting in Jerusalem

Vermied es zunächst, Russland überhaupt zu erwähnen: Israels Premier Naftali Bennett.

(Foto: REUTERS)

Naftali Bennett spricht im Kreml mit Putin über den Krieg in der Ukraine. Anschließend fliegt er nach Berlin zu einem Treffen mit dem Bundeskanzler. Ukraine-Präsident Selenskij hatte Israel mehrfach dazu aufgefordert, zu vermitteln.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israels Premierminister Naftali Bennett fliegt noch am Abend nach Berlin zu einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz. Das wurde der SZ aus Regierungskreisen in Berlin bestätigt. Die beiden hatten sich erst am Mittwoch beim Antrittsbesuch von Scholz in Jerusalem getroffen. Zuvor war Bennett überraschend nach Moskau gereist, um mit Russlands Präsident Wladimir Putin über den Ukraine-Krieg zu sprechen. Israel hatte seine Vermittlung in dem Konflikt angeboten, nachdem Wolodimir Selenskij, der jüdische Präsident der Ukraine, die Regierung in Jerusalem mehrfach dazu aufgefordert hat. Konkrete Inhalte des Gesprächs zwischen Putin und Bennett wurden zunächst nicht bekannt.

Israels Positionierung in diesem Konflikt hatte zuvor noch für einige Verwunderung gesorgt. Außenminister Jair Lapid hatte zwar sogleich Russlands Angriff auf die Ukraine als "ernste Verletzung der internationalen Ordnung" verurteilt und versichert, dass Israel "auf der richtigen Seite der Geschichte" stehen werde. Premier Bennett aber beschränkte sich darauf, das Blutvergießen in der Ukraine zu beklagen. Er verzichtete dabei aber darauf, Putin dafür verantwortlich zu machen und vermied es sogar, Russland überhaupt zu erwähnen.

Im Ergebnis hat Israel sich damit die Kanäle nach allen Seiten offen gehalten. Bennett hatte in den vergangenen Tagen jeweils zweimal mit Selenskij und mit Putin telefoniert. Dabei war auch die mögliche Vermittlerrolle Israels ins Gespräch gekommen. Für die Reise nach Moskau nahm Bennett offenbar auch eine Verletzung der Sabbat-Regel in Kauf, die es ihm als religiösem Juden eigentlich verbietet zu fliegen. Ausnahmen allerdings sind erlaubt in Fällen, wo es um die Rettung von Menschenleben geht. Nach Angaben von Bennetts Büro war bei dem Treffen mit Putin auch Israels Wohnungsbauminister Ze'ev Elkin zugegen, um bei der Übersetzung zu helfen. Elkin stammt aus der ukrainischen Stadt Charkiw.

Einerseits erscheint eine israelische Vermittlerrolle in diesem Konflikt fast als Paradox, weil die Regierung in Jerusalem im eigenen Konflikt mit den Palästinensern schließlich jegliche Vermittlung abblockt. Überdies hatte Bennett selbst gefordert, dass nun "die großen Mächte der Welt" schnell handeln müssten, um Russland und die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen. Andererseits aber pflegt Israel seit Längerem schon neben seiner engen Verbindung zu den USA auch recht enge Kontakte nach Moskau.

Israels Stärke und Sicherheit hängt von einer jährlichen Milliardenhilfe der USA ab

Die guten Beziehungen zum russischen Präsidenten Putin hatte der ehemalige Premierminister Benjamin Netanjahu aufgebaut. Im Wahlkampf 2019 war das halbe Land plakatiert mit Fotos, die ihn an Putins Seite zeigten. In der anderen Hälfte war er mit Donald Trump zu sehen. Auch Bennett hatte sich gleich nach Amtsantritt beeilt, den russischen Freund in Sotschi zu beehren. Dahinter steckt vor allem strategisches Kalkül: Russland ist in Israels Nachbarland Syrien die dominante Militärmacht - und erlaubt es den israelischen Kampfjets, die dort ebenfalls umtriebigen Iraner zu bombardieren. Diese stillschweigende Übereinkunft wollen die Israelis nicht gefährden.

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Zugleich steht die israelische Regierung jedoch auch vor der Aufgabe, dass die Beziehungen zu Russland nicht die Freundschaft zu den USA belasten dürfen. Schließlich hängt Israels Stärke und Sicherheit nicht zuletzt von einer jährlichen Militärhilfe der USA in Milliardenhöhe ab. In der aktuellen Krise war der Druck aus Washington bereits spürbar geworden, als Israel Mitte der Woche in der UN-Generalversammlung für eine Verurteilung Russlands gestimmt hatte. Wenige Tage zuvor noch hatte man den USA die solidarische Unterstützung für eine ähnliche Resolution im Sicherheitsrat versagt. Bennetts Reise nach Moskau, so hieß es in Israel, sei mit Washington abgesprochen und werde dort unterstützt.

Die ukrainische Führung hatte sich über eine mangelnde Unterstützung Israels zuletzt sehr enttäuscht gezeigt . Zwar hat die Regierung in Jerusalem humanitäre Hilfe geschickt, auch ein Feldlazarett für die Verwundeten der Kämpfe wurde zugesagt. Doch der Ruf nach Waffenlieferungen wurde ignoriert. Via Telegram hatte sich Selenskij sogar auf Hebräisch geäußert: "Seht ihr nicht, was gerade passiert?", schrieb er in seinem Aufruf. " Es ist wichtig, dass Millionen von Juden weltweit nicht mehr länger schweigen."

Auch innenpolitisch birgt der Angriff Russlands auf die Ukraine für Israel manche Herausforderung. Es leben rund eine Million Einwanderer aus der früheren Sowjetunion im Land, darunter viele aus Russland und viele aus der Ukraine. In beiden Staaten gibt es zudem noch relativ starke jüdische Minderheiten. Bennett sprach allein von 200 000 Ukrainern, die das Recht auf eine israelische Staatsbürgerschaft hätten. Innenministerin Ajelet Schaked erwartet angesichts eines ausufernden Konflikts bereits eine neue Einwanderungswelle von Hunderttausenden - nicht nur aus der Ukraine, sondern auch aus Russland und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken.

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