Krieg in der Ukraine:Ukraine fordert vehement Waffenlieferungen aus Israel

Krieg in der Ukraine: Hätte die Ukraine gerne: das israelische "Iron Dome"-Abwehrsystem (links), hier beim Einsatz gegen Raketen der Hamas 2021.

Hätte die Ukraine gerne: das israelische "Iron Dome"-Abwehrsystem (links), hier beim Einsatz gegen Raketen der Hamas 2021.

(Foto: Anas Baba/AFP)

Jerusalem hat das bisher immer abgelehnt - und dabei die komplizierten eigenen Interessen geltend gemacht. Doch die Lage könnte sich nun ändern, nachdem Iran Russland unterstützt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

In Kiew explodieren iranische Drohnen - und das Echo ist bis nach Israel zu hören. Denn der Einsatz dieser Waffen durch die russische Armee erhöht den Druck auf die Regierung in Jerusalem, doch noch Abwehrsysteme an die Ukraine zu liefern. Der Druck kommt aus Kiew und hinter den Kulissen offenbar auch aus Washington. Israels selbst gewählte Position an der Seitenlinie des Konflikts könnte dadurch ins Wanken geraten.

Denn die Ukraine fordert von Israel nun vehement den Schulterschluss. Schließlich gelte es ab jetzt, einen gemeinsamen Feind zu bekämpfen. "Dieselben Drohnen, die die Ukraine zerstören, sind auch auf Israel gerichtet", argumentiert Außenminister Dmytro Kuleba. Nachdem Iran nun "zum Komplizen bei den Verbrechen gegen die Ukraine geworden ist", sollte in Israel niemand mehr zögern, dem Land zu Hilfe zu kommen. Kuleba kündigt eine "offizielle Anfrage" in Israel zur Lieferung von Luftabwehrsystemen an.

Angefragt worden war allerdings schon seit Beginn des Krieges im Februar, vor allem ging es um das Kurzstrecken-Abwehrsystem Iron Dome. Doch bislang hat Israel stets abgelehnt und dabei die komplizierten eigenen Interessen in den Beziehungen zu Russland geltend gemacht. Zum einen will Israel die Handlungsfreiheit zum regelmäßigen Bombardement iranischer Stellungen in Syrien nicht verlieren, das bislang stillschweigend von den in Syrien engagierten Russen geduldet wird. Zum anderen wird auf die Verantwortung für die jüdische Diaspora in Russland verwiesen.

Israels Solidarität mit der Ukraine hat sich daher bislang vor allem in der Unterstützung von UN-Resolutionen, in warmen Worten und in humanitärer Hilfe wie dem Aufbau eines Feldlazaretts erschöpft. In jüngerer Zeit sollen zudem einem Bericht der New York Times zufolge ein paar Geheimdienst-Informationen zu den iranischen Drohnen weitergereicht worden sein. Doch von dieser fein gezogenen Linie gibt es nun auch innerhalb Israels die ersten Abweichungen.

Ein Putin-Vertrauter richtet schon einmal eine Warnung an Israel

Als bislang Erster aus dem Kabinett hat der für die Diaspora zuständige Minister Nachman Schai lautstark Waffenlieferungen an die Ukraine gefordert. Es dürfe "keinen Zweifel mehr geben, wo Israel in diesem blutigen Konflikt steht", twitterte er. Unterstützung bekommt er zum Beispiel von Natan Scharanski, einem früheren sowjetischen Dissidenten, der nach seiner Auswanderung lange Jahre die Jewish Agency in Israel leitete. Israel sei "das letzte Land in der freien Welt, das immer noch Angst davor hat, Putin zu reizen", erklärte er. Aber nun sei es Zeit für eine klare Position, nicht nur aus moralischen Gründen, sondern nach der russisch-iranischen Allianz auch im eigenen Interesse. Militärexperten verweisen in den Medien bereits darauf, dass der Drohneneinsatz in der Ukraine es Teheran ermögliche, noch mehr Kampferfahrung zu sammeln - für spätere Auseinandersetzungen mit Israel.

Die Diskussion also ist eröffnet in Israel, doch knapp zwei Wochen vor der Parlamentswahl kommt sie für die Regierung zur Unzeit. Oppositionschef Benjamin Netanjahu, der stets engsten Kontakt mit Putin gepflegt hatte, hat den Ball bereits aufgenommen und gewarnt, dass Waffen, die in die Ukraine geliefert werden, am Ende in iranischen Händen landen könnten. Verteidigungsminister Benjamin Gantz erklärte am Mittwoch kategorisch: "Wir verkaufen keine Waffen an die Ukraine." Lediglich die Lieferung eines "zivilen Raketen-Warnsystems" sei vorstellbar. Ein längerfristig schon vereinbartes Telefongespräch mit seinem ukrainischen Kollegen wurde Berichten zufolge abgesagt. Premierminister Jair Lapid bleibt vorerst stumm und will sich vor dem Wahltag wohl lieber nicht festlegen.

Für alle Fälle hat Russland schon einmal vorsorglich eine Warnung an Israel gerichtet. Eine Waffenhilfe für die Ukraine wäre ein "sehr rücksichtsloser Schritt", erklärte der Putin-Vertraute und frühere Präsident Dmitrij Medwedjew. "Dies wird die Regierungsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern zerstören."

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