Süddeutsche Zeitung

Türkei:Israelische Touristen unter Spionageverdacht verhaftet

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Das Verhältnis zwischen Israel und der Türkei schien sich zuletzt zu bessern. Die Festnahme eines israelischen Paares in Istanbul führt nun wieder zu diplomatischen Verstimmungen.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Ein Foto wurde ihnen zum Verhängnis. Natalie und Mordi Oknin aus Israel haben es bei ihrer Reise nach Istanbul vom Fernsehturm aus geschossen und per Whatsapp an ihre Familie daheim weitergeleitet. Das Motiv: der Dolmabahçe-Palast, in dem der türkische Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan ab und an Staatsempfänge abhält. Die Folge: Die beiden wurden verhaftet. Der Vorwurf: politische und militärische Spionage.

Seit rund einer Woche sitzt das Ehepaar aus Modi'in nun schon in türkischer Haft, getrennt voneinander und auch von anderen Gefangenen. Zu Hause sorgen sich die Angehörigen und inzwischen auch die ganze Nation um ihr Wohlergehen. Denn aus israelischer Sicht werden hier zwei unschuldige Touristen festgehalten, beide Busfahrer von Beruf, die nur ein paar Tage ausspannen wollten in Istanbul. Dass sie nun in der Türkei in einer Zelle sitzen, bietet demnach eine gute Gelegenheit, die ohnehin seit Langem schwierigen Beziehungen zwischen Israel und der Türkei weiter zu vergiften.

Denn Erdoğan und Israel, das ist eine Geschichte voller Reizthemen. Die früher mal gedeihlichen Beziehungen schlugen radikal ins Gegenteil um, als sich im Mai 2010 der mit Erdoğans Segen in der Türkei gestartete Frachter Mavi Marmara anschickte, die israelische Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Israels Marine stoppte das Schiff und tötete neun Aktivisten. Seither profiliert sich Erdoğan gern als Schutzpatron der Palästinenser, schwingt sich verbal auf zum Verteidiger der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee und gewährt Hamas-Führern Unterschlupf in der Türkei.

Innenpolitisch kann er damit punkten, außenpolitisch aber sorgt das permanent für Reibungsflächen. Erst vor einem Monat verkündeten die türkischen Behörden mit Aplomb, sie hätten eine Zelle des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad hochgenommen, die über Jahre hinweg der Hamas im Land hinterherspioniert habe. Bilder von 15 mutmaßlichen Agenten, allesamt arabischer Herkunft, wurden prominent in den Zeitungen veröffentlicht. Und nun also die Oknins aus Modi'in mit ihrer Handykamera.

In Israel schlagen die Wellen von Tag zu Tag höher

Der neue Vorfall scheint alle Hoffnungen auf eine Verbesserung der Beziehungen zu begraben. Aufgekeimt waren sie im Sommer, als Erdoğan den frisch gewählten israelischen Präsidenten Isaac Herzog angerufen hatte, um ihm zu gratulieren. 40 Minuten dauerte das Telefonat, es war das erste auf dieser Ebene seit 2013, und die allgemeine Lesart lautete, dass der türkische Staatschef wieder den Dialog suche.

Danach jedoch brach wieder Schweigen aus - und im aktuellen Fall wird dieses Schweigen sogar als positives Zeichen gewertet. Denn dass Erdoğan sich bislang mit keinem Wort zum vermeintlichen neuen Spionagefall geäußert hat, dass er die Oknins weder vorverurteilt noch einen Preis für ihre Freilassung gefordert hat, hält bis auf Weiteres die Chance offen, den Fall noch einigermaßen geräuschlos beizulegen.

In Israel allerdings schlagen die Wellen von Tag zu Tag höher. Präsident Herzog, Außenminister Jair Lapid und Premierminister Naftali Bennett haben, einer nach dem anderen, mit der Familie der beiden Inhaftierten telefoniert - und dies sogleich die Öffentlichkeit wissen lassen. Man arbeite "rund um die Uhr und auf höchster Ebene" daran, die beiden freizubekommen, erklärte Lapid. "Sie sind zwei unschuldige Bürger, die zufällig in eine komplizierte Situation geraten sind", sagte Bennett. Um auch den Türken noch einmal zu versichern, dass es sich bestimmt nicht um Agenten handele, rief zu Wochenbeginn sogar der Mossad-Chef David Barnea persönlich bei seinem türkischen Amtskollegen an.

Fortschritte in Richtung Freilassung wurden jedoch bislang nicht erzielt. Inzwischen konnte aber zumindest der israelische Anwalt Nir Yaslovich den inhaftierten Mordi Oknin besuchen. Er berichtete hinterher von "schwierigen Bedingungen" und "vielen Tränen". Am Ende, so erzählte der Anwalt, habe er versucht, seinem Klienten wenigstens Hoffnung zu machen: "Ich habe ihm versprochen, dass ich ihn nach Hause bringe."

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