Vereidigung:Politischer Stillstand in Israel beendet

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Der am längsten amtierende Ministerpräsident in der Geschichte des Landes: Benjamin Netanjahu wird auch in den nächsten eineinhalb Jahren in Israel regieren. (Foto: Adina Valman/Reuters)

Nach drei Wahlen und 18 Monaten des Wartens ist die neue Regierung unter Premier Netanjahu im Amt. In der Knesset kommt es immer wieder zu Zwischenrufen.

Von Alexandra Föderl-Schmid, München

Immer wieder ist Benjamin Netanjahu von Zwischenrufen unterbrochen worden, als er am Sonntag in der Knesset vor der Vereidigung der Regierung redete. Er versprach dabei, sich in seiner neuen Amtszeit als Ministerpräsident nach der Corona-Krise vor allem darauf zu konzentrieren, neue Jobs zu schaffen. "Die Öffentlichkeit will eine Einheitsregierung und das ist, was nun kommt." Mit der Vereidigung wurde nach drei Wahlen und 18 Monaten des Tauziehens die politische Krise in Israel vorerst beendet. Der neuen Regierung gehören neben Netanjahus rechtsnationalem Likud noch die ultra-orthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum sowie das von Benny Gantz geführte Bündnis Blau-Weiß, die Arbeitspartei und zwei Abgeordnete anderer Gruppierungen an.

Begleitet von heftigen Protesten von Abgeordneten der arabischen Liste kündigte Netanjahu an, "ein glorreiches, neues Kapitel in der Geschichte des Zionismus aufzuschlagen", indem die israelische Souveränität auf Teile des Westjordanlandes ausgeweitet werden soll. "Es ist Zeit, dass Palästinenser erkennen, dass es Zeit für Frieden ist", sagte Netanjahu. Der arabische Abgeordnete Jusef Jabareen rief ihm zu: "Es wird keinen Frieden mit Besatzung und Apartheid geben!"

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Israels Regierungsbildung zieht sich bis kurz vor die Vereidigung. Premier Netanjahu soll bis November 2021 im Amt bleiben, dann soll sein bisheriger Rivale Benny Gantz übernehmen.

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Immer wieder schallten Netanjahu die Rufe "Betrug, Untreue und Bestechlichkeit" entgegen - das sind die Vorwürfe in der Anklage gegen Netanjahu, über die am 24. Mai erstmals vor Gericht verhandelt werden soll.

Der Preis der Einigung: Im Kabinett sitzen 36 Minister und 16 Vize-Minister

Netanjahu ließ sich auch nicht durch Zwischenrufe beirren, als er die lange Liste von Ministern und ihren Zuständigkeiten vorlas. Mit 36 Ministerposten und 16 Vizeministern ist es das größte Kabinett in der Geschichte des Landes. Netanjahu verteidigte die Größe mit dem Hinweis, das Kabinett sei noch günstiger als eine vierte Wahl.

Bis kurz vor der Vereidigung war noch um die Ressortzuschnitte und Posten gerungen worden. Netanjahu und Gantz hatten eine paritätische Aufteilung im Kabinett vereinbart: Netanjahu musste aber nicht nur seine eigenen Parteifreunde mit Posten versorgen, sondern auch Vertreter der Koalitionspartner Schas und Vereinigtes Tora-Judentum. Wegen des Unmuts in seiner Partei und Drohungen einzelner Likud-Abgeordneter, nicht für die Regierung zu stimmen, bat Netanjahu um die Verschiebung der für Donnerstagabend angesetzten Vereidigung auf Sonntag. So bekam einer der Kritiker, Tzachi Hanegbi, ein Ministerium ohne Portfolio. Er soll das Siedlungsministerium übernehmen, wenn Tzipi Hotovely als Botschafterin nach Großbritannien wechselt. So nominierte Netanjahu 19 Minister - einen mehr als Gantz, dessen blau-weiße Partei nur 17 Abgeordnete in der Knesset hat.

Netanjahu zeigte sich beim Ressortzuschnitt kreativ: So wurden Teile des Bildungsministerium abgespalten, um ein Ressort für "höhere Bildung" zu kreieren, das mit der Zuständigkeit für "Wasserressourcen" angereichert wurde. Ein Ministerium wurde zur "Stärkung der Kommunikation" geschaffen, eines für die Verbindungen zum Parlament. Aufgaben aus dem Energieministerium wurden auf andere Ministerien verteilt. Netanjahu vergab zur Aufwertung auch Positionen im Sicherheitskabinett, das heikle politische Entscheidungen bei Auseinandersetzungen mit der Hamas oder der Hisbollah trifft. Am Ende stimmten 73 der 120 Abgeordneten für die neue Koalition, die damit eine satte Mehrheit hat.

Am 17. November 2021 will Benjamin Netanjahu sein Amt an Benny Gantz übergeben

Keine Ministerämter bekamen die wichtigsten innerparteilichen Rivalen Netanjahus, Gideon Saar und Nir Barkat. Saar hatte im Dezember die Vertrauensabstimmung im Likud gegen Netanjahu verloren. Barkat war Bürgermeister in Jerusalem. Beide gelten als mögliche Nachfolger Netanjahus, der seit 2009 ununterbrochen an der Spitze der Regierung steht. Da er auch zwischen 1996 und 1999 Regierungschef war, ist er der am längsten amtierende Ministerpräsident in der Geschichte Israels.

Um weiter regieren zu können, hat er Schlüsselpositionen im Kabinett Benny Gantz und seiner blau-weißen Partei überlassen: Gantz übernimmt das Verteidigungsministerium und trägt auch den neu geschaffenen Titel Ersatzministerpräsident. Netanjahu nannte in seiner Rede auch das Datum, an dem er das Amt des Regierungschefs an Gantz abtreten will: am 17. November 2021. Er wird danach weiter in der offiziellen Residenz wohnen.

Gantz lobte in seiner Rede, die ebenfalls immer wieder durch Zwischenrufe aus dem Plenum unterbrochen wurde, die "tapfere, wichtige Entscheidung" Netanjahus für eine Einheitsregierung. Damit habe die "schlimmste politische Krise in Israel" nach fünfhundert Tagen mit einer Übergangsregierung beendet werden können. Gantz betonte, dass er sich für Versöhnung und Dialog mit allen Bevölkerungsgruppen einsetze. Er werde dafür sorgen, dass der "Rechtsstaat zurückkehrt". Netanjahu hatte wegen der Anklagen aufgrund von Korruptionsvorwürfen wiederholt die Justiz attackiert. Neuer Justizminister wird Gantz' Parteifreund Avi Nissenkorn, ein früherer Gewerkschaftschef.

Nach der Rotation an der Spitze der Regierung wird Gantz im November 2021 das Verteidigungsministerium an seinen Mitstreiter Gabi Aschkenasi übergeben, der in den nächsten eineinhalb Jahren als Außenminister amtieren wird. Aschkenasi, der wie Gantz ehemaliger Generalstabschef der Armee ist, wird von Miri Regev abgelöst. Die bisherige Kulturministerin vom Likud wird vorerst das Transportressort leiten. Der bisherige Außenminister Israel Katz, ebenfalls ein Likud-Politiker, wird neuer Finanzminister. Der frühere Parlamentspräsident Juli Edelstein übernimmt das Gesundheitsministerium.

© SZ vom 18.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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