Parlamentswahl:Israel rückt noch weiter nach rechts

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  • Benjamin Netanjahu steht vor seiner fünften Amtszeit als Ministerpräsident Israels - mit der womöglich rechtesten Regierung in der Geschichte des Landes.
  • Sein rechtsnationaler Likud ist hauptverantwortlich dafür, dass es ein schmutziger Wahlkampf wurde.
  • Sogar am Wahltag bekamen die arabischen Israelis bestätigt, dass sie nicht als gleichberechtigte Bürger betrachtet werden.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv, Tel Aviv

Schimon Peres hatte recht: "Mit dem ist noch zu rechnen", sagte er, nachdem Benjamin Netanjahu 1999 die Wahl und damit nach drei Jahren das Amt des Ministerpräsidenten verloren hatte. Zehn Jahre sollte es dauern, ehe sich Netanjahu wieder an die Regierungsspitze gekämpft hatte. Auch diesmal, zwanzig Jahre später, hatten Netanjahu schon viele abgeschrieben, als nur wenige Wochen vor dem Urnengang die drohenden Korruptionsanklagen publik wurden und sein Herausforderer Benny Gantz die Umfragen bereits anführte, als er noch gar kein Programm und keine Partei hatte.

Aber Netanjahu hatte schon allerhand Affären überstanden und die aktuellen Korruptionsvorwürfe ignorierte er einfach. Wenn nötig, stellte er sich als Opfer einer "Hexenjagd" dar. Der 69-Jährige kämpfte mit der ihm eigenen Rücksichtslosigkeit, mit einer Mischung aus Egoismus, Chauvinismus, Populismus und Nationalismus. Sein rechtsnationaler Likud, der nach Auszählung von 98 Prozent aller Stimmen die Mehrheit hat, ist hauptverantwortlich dafür, dass es ein schmutziger Wahlkampf wurde.

Der Likud schickte 1200 Aktivisten mit versteckten Kameras in Wahllokale

Aber Netanjahu ist es gelungen, vielen Bürgern einzureden, nur er könne für Sicherheit, Prosperität und ein hohes Ansehen Israels in der Welt sorgen. Beihilfe leisteten US-Präsident Donald Trump durch die völkerrechtswidrige Anerkennung der Golanhöhen als Teil Israels und Russlands Präsident Wladimir Putin durch die Unterstützung bei der Heimholung der menschlichen Überreste eines 1982 in Libanon getöteten israelischen Soldaten.

Tatsächlich kann Netanjahu nicht nur gute Beziehungen zu den USA und Russland vorweisen. Die Wirtschaft floriert und Israel genießt weltweit einen hervorragenden Ruf als Start-up-Nation. Die diplomatischen Beziehungen zu arabischen Ländern wie Oman oder den Vereinigten Arabischen Emiraten hat er verbessert. Auch wenn er in Europa als Kriegstreiber gilt, so hat Netanjahu zuletzt vor zehn Tagen der Versuchung widerstanden, das Militär in eine kriegerische Auseinandersetzung mit der Hamas zu schicken. Dafür ist ihm Respekt zu zollen. Denn ein Großteil der Israelis hat seine Reaktion als zu lasch kritisiert.

Ernst zu nehmen ist seine Ankündigung kurz vor der Wahl, Teile des Westjordanlandes zu annektieren. Er will nicht nur die Siedlungsblöcke zum israelischen Gebiet erklären, sondern auch isolierte Außenposten. Das wäre der Todesstoß für die Zwei-Staaten-Lösung. Die Koalitionspartner, mit denen sich Netanjahu nun zusammentut, werden ihn an sein Wahlversprechen erinnern. Die ultraorthodoxen Parteien Schas und Vereinigtes Thora-Judentum sind auf dem dritten und vierten Platz gelandet und haben damit noch Einfluss in der Regierung. War es jetzt schon die nach eigener Definition rechteste Regierung in der Geschichte Israels, so wird die neue Koalition mit dem Einschluss von Extremisten wie der Partei Jüdische Stärke noch weiter nach rechts rücken. Die arabische Minderheit wird das zu spüren bekommen.

Das im vergangenen Sommer beschlossene Nationalstaatsgesetz grenzt ein Fünftel der Bevölkerung aus und sogar am Wahltag bekamen die arabischen Israelis bestätigt, dass sie nicht als gleichberechtigte Bürger betrachtet werden. Der Likud schickte 1200 Aktivisten mit versteckten Kameras in Wahllokale, in denen arabische Israelis ihre Stimmen abgeben, und verstieß damit gegen das Recht auf eine geheime Wahl. Dass diese Aktion von Netanjahu damit gerechtfertigt wurde, dies sei notwendig, "um faire Wahlen sicherzustellen", untergräbt das Fundament der Demokratie.

Seit gegen ihn ermittelt wird, greift er Polizei und Justiz an und stellt damit den Rechtsstaat infrage. Er stilisiert sich zum Opfer und macht "die Medien" und "die Linke" zu seinem Feindbild. Aber Netanjahu steht nicht über dem Gesetz. Sollte es zu einer Anklage und einer Verurteilung kommen, dann muss auch er zurücktreten. Wie lange er sich in der politischen Spitzenposition halten kann, dürften nun die Gerichte entscheiden. Aber im Sommer wird er sein Ziel erreichen, länger als Staatsgründer David Ben Gurion im Amt zu sein.

Netanjahu hat in seiner Amtszeit die Spaltung der Gesellschaft und die Erosion von Institutionen zu verantworten. Dass jüdische Siedlungen ausgebaut wurden und die Zusage an die Palästinenser, einen eigenen Staat zu bekommen, in seiner Amtszeit nicht realisiert wurde, ebenso. Das ist das Erbe, das er hinterlässt - egal, wie lange er im Amt bleibt.

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