Israel:Wie Bethlehem unter der Gewalt leidet

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Zeiten des Unfriedens: israelische Soldaten in Bethlehem, wo Palästinenser gegen Donald Trumps Jerusalem-Entscheidung protestiert hatten. (Foto: Musa al Shaer/AFP)

Nach Trumps Jerusalem-Entscheidung verderben Straßenschlachten den Händlern das Geschäft und den Pilgern die Freude auf die Feiertage.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Bethlehem

Am frühen Sonntagnachmittag steigen sie wieder auf, die dunklen Rauchsäulen, die man auch von Jerusalem aus sieht. Beim Eingang zum Flüchtlingslager brennen Autoreifen, es prasseln Steine nieder, auf die uniformierten Israelis und auf jeden, der sich in die Nähe wagt. Nicht nur junge Palästinenser, sondern auch Kinder werfen mit den faustgroßen Steinen, die sie neben der Grenzmauer zu Jerusalem und dem Wachturm zuhauf finden.

Bethlehem ist jener Ort im Westjordanland, in dem seit dem 5. Dezember jeden Tag Protestaktionen gegen die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stattfinden. Begonnen hatte es mit dem Verbrennen von Bildern mit dem Konterfei Trumps am Vorabend, als die Entscheidung publik wurde. Dies geschah just vor dem mit goldenen und weinroten Kugeln geschmückten riesigen Weihnachtsbaum auf dem Krippenplatz direkt neben Jesu Geburtskirche.

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Inzwischen wurde auf dem Platz auch eine Krippe mit fast lebensgroßen Figuren aufstellt, an den Gebäuden links und rechts davon hängen riesige Transparente. Auf Arabisch und Englisch steht dort unter einem Bild des Felsendoms und der Al-Aksa-Moschee: "Jerusalem wird immer die ewige Hauptstadt von Palästina sein." Die Farben Grün, Rot und Schwarz der Transparente erinnern an die palästinensische Fahne.

Auf der Straße liegen massenhaft Steine und verkohlte Gegenstände

In den zahlreichen Geschäften rund um den Platz und in den Gassen, die sich um die Omar-Moschee den Hang hinauf ziehen, ist niemand gut auf die Steine werfenden Demonstranten zu sprechen. "Das verdirbt uns nur das Geschäft", meint Maruan Abu Diab, der Souvenirs verkauft. Auch an den Tischen im St. George-Restaurant ist man darauf bedacht, die Ausschreitungen als "begrenzte Aktion einiger Jugendlicher" abzutun. "Pilger sind hier sicher", versichert Samir Babour, der sein Geld als Reiseleiter verdient. Auch Bürgermeister Anton Salman beteuert, dass Weihnachten so wie immer gefeiert werde: "Es ist ein Fest des Friedens und der Freude."

Die Proteste haben sich zwar in den vergangenen Tagen weg vom Stadtzentrum Richtung Rachels Grab und Grenzmauer verlagert, aber friedlich sind sie nicht geworden. Regelrechte Straßenschlachten haben sich in den vergangenen Tagen in der Nähe des Luxushotels Jacir Palace und des deutlich weniger pompös wirkenden St. Michael Hotel abgespielt. Auf der Hebron-Straße liegen noch massenhaft Steine und verkohlte Gegenstände.

Direkt dahinter beginnt das berühmteste und bunteste Stück der rund fünf Meter hohen Mauer: Jener Teil, den der Street-Art-Künstler Banksy gestaltet hat, und wo sein Walled-Off-Hotel an der Mauer steht. Der Brite Banksy sieht sein Wirken zwar als politisches Statement, aber bei vielen Palästinensern in Bethlehem kommt sein Hotel nicht gut an. Er biete seinen Gästen Pakete an, sodass die Einheimischen nichts verdienen könnten, so der Vorwurf.

Jerusalem ist von Bethlehem nur acht Kilometer entfernt, ungefähr die gleiche Distanz liegt zwischen dem Gazastreifen und Sdei Avraham. Aber Jerusalem ist ganz nah - auch wenn die Wahrnehmungen völlig anders sind. "Das war und ist unsere Hauptstadt", sagt Yossi Yunger. "Trump hat nur etwas Selbstverständliches ausgedrückt. Und dass die Klagemauer zu uns gehört, ist erst recht selbstverständlich." Bei einer Friedenslösung müsse in jedem Fall die Klagemauer zu Israel gehören. Israelische Medien hatten dies am Wochenende im Weißen Haus gehört.

Israelische Siedler mussten Schutzräume aufsuchen

Yunger ist vor vier Jahren mit seiner Familie in die 1981 gegründete Siedlung gezogen. Er arbeitet an der Tankstelle, seine Frau in der nahe gelegenen Kaktusfarm, sie haben fünf Kinder. Anderswo, sagt der Mittdreißiger, könnte er sich diesen Lebensstil nicht leisten. Aber hier sei der Grund günstiger, wer will schon so nahe an am Gazastreifen leben? Man kennt sich in dem Ort mit etwas mehr als 300 Einwohnern. Und wen man nicht kennt, den fragt man beim Eingangstor, was er will.

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Die Orte hier sind gut gesichert, bieten aber keinen Schutz gegen das, was aus der Luft kommt. In der vergangenen Woche heulten drei Mal die Sirenen, die Bewohner mussten Schutzräume aufsuchen. Zwei Raketen wurden abgefangen, eine schlug auf freiem Feld ein, nicht weit entfernt von dieser Siedlung in der Region Eshkol. " Natürlich haben wir Angst, vor allem um unsere Kinder", sagt Yunger. Gehen will er nicht: "Unser Hiersein ist auch eine Art politischer Demonstration."

Orit Jelin, die auf einem mit israelischen Fahnen geschmückten Feld in Kerem Shalom arbeitet, beschreibt die vergangenen Nächte als "reinen Horror, wenn man nicht weiß, was kommt". In den ersten elf Monaten 2017 wurden neun Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert, seit der Trump-Erklärung bereits 16 - und am Sonntag Abend wurden zwei weitere Richtung Israel geschickt, die auf israelischem Gebiet explodierten. Aber wegziehen will die Mutter dreier Kinder nicht. "Das ist jüdisches Land. Ich mag das Leben hier, die Arbeit in der Natur und auch die Wüste."

Sandberge türmen sich links und rechts, wenn man sich dem Militärposten Kissufim nähert. Häuser jenseits des Zauns im Gazastreifen sind in Sichtweite. Zwei Soldaten nähern sich im Laufschritt und verweigern die Weiterfahrt. "Heute ist alles ruhig", sagt einer knapp. Am Freitag war das anders, da flogen die Steine auch über den Zaun, israelische Streitkräfte haben zurückgeschossen, zwei Demonstranten wurden getötet. Einer davon saß nach einer Amputation beider Beine im Rollstuhl. "Schrecklich", sagt einer der jungen Soldaten. "Aber wir wehren uns nur."

© SZ vom 18.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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