Süddeutsche Zeitung

Israel:Isaac Herzog zum neuen Staatspräsidenten gewählt

Der einstige Oppositionsführer setzt sich mit 87 zu 26 Stimmen durch. Die Bildung einer neuen Regierung zur Ablösung Netanjahus nimmt derweil Formen an. Doch die Frist dafür läuft bald ab.

Inmitten einer politischen Umbruchsituation hat Israels Parlament den früheren Oppositionsführer Isaac Herzog zum Staatspräsidenten gewählt. Der 60-Jährige gewann mit 87 zu 26 Stimmen gegen die 67 Jahre alte Lehrerin und Aktivistin Miriam Peretz. Herzog übernimmt am 9. Juli das Amt des bisherigen Präsidenten Reuven Rivlin.

Herzog führte seit 2013 die Arbeitspartei. Sein Vater Chaim Herzog war bereits Israels Staatspräsident. 2018 wurde er Vorsitzender der Hilfsorganisation Jewish Agency, die unter anderem für die Einwanderung nach Israel zuständig ist.

Der Präsident hat in Israel eine vor allem repräsentative Funktion. Die wichtigsten Aufgaben sind die Begnadigung von Häftlingen und die Erteilung eines Auftrags zur Regierungsbildung. Er wird alle sieben Jahre in einer geheimen Abstimmung vom Parlament bestimmt.

Die Wahl fand kurz vor einer erwarteten Ablösung des langjährigen rechtskonservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu statt. Der 71-jährige regiert seit 2009 und ist damit der am längsten amtierende Ministerpräsident Israels. Er steht wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck. Oppositionsführer Jair Lapid könnte ihn nun ersetzen.

Der liberale Politiker habe sich vor Ablauf der Frist am Abend bereits mit mehreren Parteien aus verschiedenen politischen Richtungen auf die Bildung einer Regierungskoalition verständigt, sagte ein Sprecher. Dazu gehöre auch die Zentrumspartei Blau-Weiß von Verteidigungsminister Benny Gantz. Auch mit der linken Merez- und der linken Arbeitspartei sowie mit der nationalistischen Jisrael Beitenu von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman seien Absprachen getroffen worden. Eine Einigung mit der ultranationalistischen Partei Jamina von Naftali Bennett, der den Plänen zufolge zunächst das Amt des Ministerpräsidenten übernehmen und später an Lapid übergeben soll, stand zunächst noch aus.

Verhandlungen auch mit Vereinigten Arabischen Liste

Die Jesch-Atid-Partei des 57-jährigen Lapid und Blau-Weiß teilten in einer gemeinsamen Erklärung mit, sie hätten sich auf die Umrisse einer Regierung und Kernthemen in Bezug auf die Stärkung der Demokratie und der israelischen Gesellschaft geeinigt. Zudem solle Gantz Verteidigungsminister bleiben. Lapid verhandelt auch mit der Vereinigten Arabischen Liste über einen Koalitionsbeitritt. Sollte es dazu kommen, wäre erstmals in der Geschichte Israels eine unabhängige arabische Partei Mitglied der Regierung.

Lapids Frist zur Regierungsbildung läuft am Mittwochabend ab. Seine liberale Partei Jesch Atid war bei der Parlamentswahl am 23. März - der vierten Wahl binnen zwei Jahren - zweitstärkste Kraft hinter dem nationalkonservativen Likud von Netanjahu geworden. Diesem war es erneut nicht gelungen, innerhalb der gesetzten Frist eine Regierung zu bilden. Sollte am Ende erneut keine neue Regierung zustande kommen, dürfte es wieder Neuwahlen geben - die fünften binnen zwei Jahren.

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