Pegasus-Projekt:Israel verschärft Vorschriften für Export von Spähsoftware

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Mit der Spionagesoftware des israelischen Unternehmens NSO Group - hier ein Gebäude der Firma in Sapir - sollten offenbar auch Politiker wie Frankreichs Präsident Macron abgehört werden. (Foto: Sebastian Scheiner/AP)

Mit neuen Vorgaben für Cybertechnologie reagiert die Regierung auf den Skandal um die Spionagesoftware "Pegasus" des israelischen Unternehmens NSO. Kritiker fürchten einen "Bluff".

Von Peter Münch, Tel Aviv

Israel hat die Vorschriften für den Export von Cybertechnologie verschärft. Dem Verteidigungsministerium zufolge soll damit sichergestellt werden, dass zum Beispiel bestimmte Spionagesoftware tatsächlich nur noch zur Verhinderung von Terrorakten und schweren Straftaten eingesetzt wird.

Israels Regierung reagiert damit offensichtlich auf die Recherchen des "Pegasus-Projekts", bei dem ein internationales Journalistenkonsortium unter Beteiligung der Süddeutschen Zeitung einen weit verbreiteten Missbrauch der Spähsoftware des israelischen Unternehmens NSO aufgedeckt hatte. Hunderte Aktivisten, Journalisten und Politiker bis hinauf zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron waren dabei offenbar zum Ziel dubioser Abhörmanöver geworden.

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Israels Regierung, die den Export solcher Cybertechnologie in jedem einzelnen Fall genehmigen muss, war nach den Veröffentlichungen in diesem Sommer unter erheblichen Druck geraten. Verteidigungsminister Benny Gantz hatte bei einem Besuch in Frankreich Rede und Antwort zur Abhör-Affäre stehen müssen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach sich für eine Verkaufsbeschränkung solcher Spähsoftware aus. Das US-Handelsministerium setzte schließlich das Unternehmen NSO auf eine Sanktionsliste. Zuletzt war am vorigen Wochenende durch einen Bericht der Nachrichtenagentur Reuters bekannt geworden, dass auch Mitarbeiter des US-Außenministeriums in Afrika zum Opfer der Pegasus-Software geworden waren.

Wer Israels Cybertechnologie nutzen will, muss eine Erklärung unterschreiben

Die neuen israelischen Export-Richtlinien, die von einem Team des Verteidigungs- und des Außenministeriums gemeinsam formuliert worden sind, geben nun konkreter vor, wo solche Cybertechnologie eingesetzt werden darf - und wo nicht. "Die Definitionen für schwere Straftaten und terroristische Handlungen wurden verschärft, um zu verhindern, dass die Grenzen in diesem Zusammenhang verwischt werden", heißt es dazu.

Ausdrücklich festgehalten wird dabei, dass "Meinungsäußerungen oder Kritik" nicht in die Kategorien Terror- oder Straftaten fallen. Verboten wird der Einsatz solcher Späh-Programme gegen einzelne Personen oder Gruppen aufgrund ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer ethnischen Zugehörigkeit oder ihrer politischen Einstellung. Alle Staaten, die israelische Cybertechnologie erwerben wollen, müssen eine entsprechende Erklärung unterzeichnen. Wer die Vorgaben missachtet, dem soll die Lizenz zur Nutzung entzogen werden.

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Zuvor hatte bereits das israelische Wirtschaftsmagazin Calcalist berichtet, dass die Liste der Länder, in die israelische Cybertechnologie exportiert werden darf, von 102 auf 37 Staaten reduziert worden sei. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht. Auf der Liste sollen sich dem Bericht zufolge nun vor allem noch westeuropäische Länder sowie die USA und Kanada finden - aber nicht mehr Staaten wie Ungarn, die Vereinigten Arabischen Emirate, Saudi-Arabien oder Marokko, in denen nach Recherchen des Pegasus-Projekts grober Missbrauch mit der Spähsoftware getrieben wurde.

Ein Menschenrechtsanwalt spricht von "PR-Show"

Zumindest in früherer Zeit hatte Israels Regierung den Verkauf von Cybertechnologie offenbar gezielt auch als diplomatischen Türöffner genutzt. So gab es vorab Exportgenehmigungen in jene arabischen Staaten, mit denen später im Abraham-Abkommen eine Normalisierung der Beziehungen vereinbart wurde.

Der Jerusalemer Menschenrechtsanwalt Eitay Mack, der seit vielen Jahren die israelische Exportpraxis in diesem Bereich kritisiert, hält jedoch auch die neuen Regelungen für wenig hilfreich. Er vermutet einen "Bluff" und eine "PR-Show", mit der allein dem internationalen Druck nach der Aufregung über die Pegasus-Recherchen ausgewichen werden soll. "Mit dem neuen Formular unterschreibt ein Diktator, dass er kein Diktator ist", sagte er der Süddeutschen Zeitung. Ob ein Menschenrechtler oder ein Journalist eine Bedrohung darstellt, könnten solche Regime auch unter den neuen Vorgaben auf ihre Weise definieren.

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