Die USA und der Nahe Osten:Faustgruß für den Paria

Die USA und der Nahe Osten: US-Präsident Joe Biden (l) trifft in der Hafenstadt Dschidda auf den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

US-Präsident Joe Biden (l) trifft in der Hafenstadt Dschidda auf den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

(Foto: Bandar Aljaloud/AP)

Den einen helfen, dem anderen bloß nicht: US-Präsident Joe Biden fliegt nach dem Treffen mit Palästinensern in Israel weiter nach Saudi-Arabien. Dort wird er auf jede Geste achten müssen.

Von Peter Münch, Jerusalem, und Dunja Ramadan

Es wurde also doch nur ein Faustgruß, der viel diskutierte Handschlag fiel aus: Als US-Präsident Joe Biden am Freitagabend vor den Alsalam Palast in der Hafenstadt Dschidda vorfuhr, kam ihm der umstrittene Kronprinz Mohammed bin Salman entgegen. Es waren spannende Sekunden, Nachrichtenagenturen schickten kurz darauf eine Eilmeldung auf die Handys. Die Begrüßung, ein Politikum. Es ist das erste Mal, dass Biden nach Saudi-Arabien fliegt. Es ist das erste Mal, dass er Mohammed bin Salman live trifft.

Jenen Kronprinzen, den die CIA für den Auftragsmord an dem Washington-Post-Journalisten und Regimekritiker Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul verantwortlich macht. Und den Biden eigentlich als "Paria" ächten wollte, wie er im Wahlkampf 2020 noch ankündigte. Doch die Welt verändert sich. Und auch die Corona-konforme Begrüßungsform, die Biden gerade noch so wichtig war, ist es wenige Sekunden später offenbar nicht mehr. Denn als Biden auf den saudischen König Salman, den Vater von MbS trifft, schütteln sich die beiden die Hände. Das dürfte den Kronprinzen geärgert haben.

Am späten Freitagabend trat Joe Biden noch vor die Kameras. Er sprach unter anderem über die Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Israel, den Waffenstillstand im Jemen - und das Thema Menschenrechte. Er machte deutlich, dass er den Kronprinzen auf den Mord an Khashoggi angesprochen habe - dieser habe jedoch jede Verantwortung zurückgewiesen. "Er sagte im Grunde, dass er nicht persönlich dafür verantwortlich sei. Ich deutete an, dass ich glaube, er ist es", sagte Biden.

Auf die Frage eines Journalisten, was er Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz antworten würde - diese twitterte: "Das Blut von MBS' nächsten Opfern klebt an Ihren Händen" - antwortete Biden: "Es tut mir leid, dass sie sich so fühlt". Nach einigen Minuten reagierte Biden angesichts der vielen kritischen Nachfragen der Journalisten ungehalten. Er bereue nichts, was er gesagt habe. "Was mit Khashoggi passiert ist, war ungeheuerlich."

Der Empfang am Flughafen zeigte: Die Saudis werden es Biden nicht leicht machen

Die Ziele seiner umstrittenen Reise erklärte Biden im Vorfeld in einem Beitrag in der Washington Post. Er kündigte an: "Wir müssen Russlands Aggression etwas entgegensetzen, wir müssen uns bestmöglich aufstellen, um China auszustechen." Wie erfolgreich er Saudi-Arabien von Russland und China weglocken kann, bleibt ungewiss. Fest steht, dass sie es ihm nicht leicht machen werden.

Das zeigte bereits der Empfang am Flughafen von Dschidda: Prinz Khalid bin Faisal Al Saud, der Gouverneur von Mekka, und Prinzessin Reema bint Bandar Al Saud, Botschafterin in den USA haben Biden begrüßt. Weder König noch Kronprinz auf dem Rollfeld, keine militärischen Ehren, kein großes Tamtam.

Ganz anders war die Szene am Tel Aviver Ben-Gurion-Flughafen, 1250 Kilometer Luftlinie entfernt, wenige Stunden zuvor: Israels Präsident Isaac Herzog, Premierminister Jair Lapid und ein ansehnliches Gefolge winkender Würdenträger verabschiedeten den US-Präsidenten. Es war der erste offizielle Direktflug auf dieser Linie - und die in der Nacht zuvor verkündete Öffnung des saudischen Luftraums für Flüge von und nach Israel soll der Auftakt sein für die von Washington vermittelte schrittweise Normalisierung der Verhältnisse zwischen den beiden Ländern.

Das Schmieden neuer Allianzen, die Befriedung alter Feindschaften: Dies ist das überwölbende Thema der insgesamt auf vier Tage angelegten Nahost-Reise Bidens. Darüber hat er in Israel gesprochen, dafür wirbt er am Freitag und Samstag in Saudi-Arabien - und für den alten Nahen Osten und dessen Protagonisten, die Palästinenser, bleibt angesichts dieser Neuausrichtung nur ein kurzes Zwischenspiel am Freitagmorgen.

Zwei Termine hat die straffe Programmplanung erlaubt, mit denen Biden den Palästinensern signalisieren will, dass sie nicht ganz vergessen sind. Zunächst fuhr er auf dem Ölberg im arabischen Ostjerusalem am Auguste-Viktoria-Krankenhaus vor. Kaiser Wilhelm II. hatte es einst bauen und nach seiner Gemahlin benennen lassen. Doch nicht wegen des deutschen Erbes, sondern wegen der palästinensischen Nöte ist er hier: Das Krankenhaus, das anno 2010 schon von Bidens Frau Jill besucht worden war, gehört zu einem Netzwerk von Kliniken in Ostjerusalem, die das Rückgrat der palästinensischen Gesundheitsversorgung bilden - und die unter akuter Finanzknappheit leiden. Biden verspricht 100 Millionen Dollar. Das hilft.

Der Geldstrom, den Trump zum Versiegen gebracht hatte, fließt wieder

Großzügig tritt er danach auch in Bethlehem auf, wo er mit Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas zusammentrifft. Insgesamt verspricht er den Palästinensern in diesen wenigen Stunden Hilfe von 316 Millionen Dollar. Der Washingtoner Geldstrom, den Donald Trump als Präsident zum Versiegen gebracht hatte, fließt also wieder. Dazu kann Biden noch ein paar zusätzliche, mit Israel abgesprochene Maßnahmen verkünden, die das Leben der Palästinenser leichter machen und ihre Wirtschaft stärken sollen.

Die USA und der Nahe Osten: US-Präsident Joe Biden mit dem Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas in Bethlehem.

US-Präsident Joe Biden mit dem Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas in Bethlehem.

(Foto: Evelyn Hockstein/Reuters)

Das ist alles gut gemeint. Aber es ist weit entfernt von dem, was die Palästinenser von Biden erwarten. Sie hoffen auf politische Zeichen und konkrete Anstöße in dem seit 2014 eingeschlafenen Friedensprozess. Und sie hoffen vergeblich darauf.

Deshalb hängen Schatten über Bidens Treffen mit Abbas in Bethlehem. Beim gemeinsamen Auftritt bekennt sich der US-Präsident zwar zur Zweistaatenlösung, so wie er das zuvor auch schon in Israel getan hatte. "Das palästinensische Volk verdient einen eigenen Staat", sagt er. Doch er fügt sogleich ein großes Aber an. Die Zeit sei derzeit "nicht reif" für neue Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern.

Abbas will das nicht akzeptieren. "Es ist Zeit, dass die Besatzung endet", erklärte er. "Der Weg zum Frieden in unserer Region beginnt mit der Anerkennung des Staats Palästina." Das gab er Biden mit auf den Weg nach Dschidda, wo der US-Präsident kurz darauf auf die Machthaber von neun arabischen Staaten trifft, die längst andere Prioritäten gesetzt haben.

In Dschidda dürfte die Palästinenserfrage keine große Rolle spielen. Biden wird dort am Samstag auf die Herrscher am Golf treffen, die ganz andere Sorgen haben: Irans Nuklearprogramm steht ganz oben auf der Liste. An dem Treffen mit dem Golfkooperationsrat werden auch der Irak, Jordanien und Ägypten teilnehmen.

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