Israel:Zu Tode gehungert in israelischer Haft

Israel: Palästinensische Kinder und Jugendliche halten Plakate mit dem Foto von Khader Adnan, der mit 45 Jahren starb.

Palästinensische Kinder und Jugendliche halten Plakate mit dem Foto von Khader Adnan, der mit 45 Jahren starb.

(Foto: Majdi Mohammed/AP)

Der oft als Held gefeierte Palästinenser Khader Adnan wird am 87. Tag seines Hungerstreiks tot in der Zelle gefunden. Nun drohen Islamischer Dschihad und Hamas mit neuer Gewalt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Bewusstlos haben ihn die Wärter am Dienstagmorgen in seiner Zelle gefunden, im Krankenhaus konnten die Ärzte später nur noch seinen Tod feststellen. Der Palästinenser Khader Adnan, 45 Jahre alt und Mitglied des militanten Islamischen Dschihad, ist am 87. Tag seines Hungerstreiks im Gefängnis der israelischen Stadt Ramle gestorben. Viele Warnungen wegen der dramatischen Verschlechterung seines Zustands waren zuvor verhallt. Nun ist die Wut groß auf palästinensischer Seite, wo Adnan oft als Held gefeiert worden ist. Dass neue Gewalt droht, zeigte sich schon bald: Gleich am Morgen wurden drei Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Am Nachmittag folgte weiterer Raketenbeschuss, drei Verletzte wurden auf israelischer Seite gemeldet.

Adnan, der in seinem Heimatdorf in der Nähe von Dschenin im Westjordanland eine Bäckerei betrieb, war Anfang Februar verhaftet worden, wie so oft in den vergangenen mehr als 20 Jahren. Anders als sonst wurde er dieses Mal jedoch unter Anklage gestellt wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation. Zuvor hatte er meist in sogenannter Verwaltungshaft gesessen, die es erlaubt, Verdächtige ohne Angabe von Gründen allein mit Verweis auf eine Sicherheitsgefährdung für sechs Monate einzusperren - mit unbegrenzter Verlängerungsoption.

Adnan hatte immer wieder mit Hungerstreiks gegen diese auch international kritisierte Maßnahme protestiert; er war damit zu einer Symbolfigur geworden, nicht nur unter den Anhängern des von Iran finanzierten Islamischen Dschihad. Denn 2012 hatte er nach 66 Tagen Hungerstreik seine Freilassung aus der Verwaltungshaft erreicht. Damals hatte sich neben Amnesty International und Human Rights Watch auch die EU-Außenpolitik-Beauftragte Catherine Ashton für ihn eingesetzt.

Ärzte lehnen Zwangsernährung als "Folter" ab

Ein paar Jahre später gelang ihm das noch einmal, auch Hunderte andere Häftlinge setzen immer wieder auf den Hungerstreik. Als Antwort verabschiedete das israelische Parlament 2015 ein Gesetz, das die Zwangsernährung im Gefängnis erlaubt. Doch angewendet wurde es bislang nicht, weil die israelische Mediziner-Vereinigung dies als "Folter" ablehnt und sich deshalb kein Arzt dazu bereit erklärte.

In Interviews bezeichnete Adnan den Hungerstreik als "Waffe des palästinensischen Volks". Als er im Februar verhaftet wurde, stellte er sogleich die Nahrungszufuhr ein und verweigerte auch die medizinische Behandlung und Tests im Gefängnishospital. "Wer freikommt, gewinnt", hatte er einmal gesagt, "und wer stirbt, wird immerhin Märtyrer."

Diesen Status hat er nun erlangt. Der Islamische Dschihad rief nach seinem Tod zu einem Generalstreik im Westjordanland sowie im Gazastreifen auf und drohte Israel mit Terror. "Der Feind wird den Preis für dieses Verbrechen zahlen", hieß es. Solidarisch zeigte sich auch die Hamas, die ankündigte: "Unser Volk mit all seinen Kräften und Fraktionen wird alle Formen des Widerstands eskalieren." Selbst die im Westjordanland regierende Palästinensische Autonomiebehörde hat sich angeschlossen, obwohl sie Adnan selbst schon inhaftiert hatte, zuletzt 2021. Nun warf Regierungschef Mohammed Schtaje Israel eine "absichtliche Ermordung" vor und forderte eine internationale Untersuchung des Vorfalls.

Vorwürfe kommen aber auch aus Israel. Der für die Gefängnisse zuständige Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, hat in den vergangenen Monaten immer wieder populistisch gefordert, "die Sommercamp-Bedingungen für mörderische Terroristen zu beenden". Noch zu Beginn dieser Woche hatte eine Vertreterin der israelischen NGO "Ärzte für Menschenrechte" Adnan in der Zelle besucht, anschließend Alarm geschlagen und seine sofortige Verlegung in ein ziviles Krankenhaus verlangt. "Wenn er dort gewesen und überwacht worden wäre, hätte es eine bessere Chance gegeben, sein Leben zu retten", sagte Hadas Ziv von der Ärzte-Organisation der Süddeutschen Zeitung. "Aber unsere Regierung ist dafür taub."

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