Westjordanland:Israelische Experten empfehlen Zweistaatenlösung

Palestinian demonstrators scuffle with Israeli troops during a protest against Israeli settlement construction, in the village of Ras Karkar, near Ramallah in the occupied West Bank

Immer wieder kommt es bei Protesten gegen israelische Siedlungen im Westjordanland zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten, wie hier vergangenes Jahr nahe Ramallah.

(Foto: REUTERS)
  • Ein renommierter israelischer Thinktank empfiehlt für das israelisch-palästinensische Problem eine Zweistaatenlösung.
  • Konkrete Teilungsvorschläge haben die Experten aus Politik und Militär für das Westjordanland.
  • Für den Gazastreifen und die hochumstrittene Jerusalem-Frage haben sie keine Lösung parat.
  • Ministerpräsident Netanjahu hatte sich dem Plan gegenüber nicht ablehnend gezeigt, hat nun aber eine Annexion ins Spiel gebracht.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Zwei Jahre lang haben 13 Experten des Institute for National Security Studies (INSS) in Tel Aviv sich Gedanken gemacht. Wie nur ließe sich das israelisch-palästinensische Problem lösen? An den Beratungen des renommierten israelischen Thinktanks nahmen ehemalige Minister teil, Geheimdienstchefs, Generäle und Teilnehmer an früheren Friedensverhandlungen.

Zwölf Vorschläge wurden genau untersucht: von einer Ein-Staaten-Lösung bis zu einer Föderation. Heraus kam ein 121 Seiten umfassender Abschlussbericht mit dem sperrigen Titel "Strategisches Rahmenwerk für den israelisch-palästinensischen Bereich". Bei der Präsentation Ende des vergangenen Jahres wurde eine klare Empfehlung gegeben: eine Zweistaatenlösung - also nicht die Annexion, wie sie Premierminister Benjamin Netanjahu nun ins Spiel gebracht hat.

Laut dem Expertenplan soll Israel indes nicht alle im Sechstagekrieg 1967 eroberten Gebiete im Westjordanland zurückgeben. Weil inzwischen vor allem im westlichen Teil Siedler leben, soll dieser Bereich Israel zugeschlagen werden - das wären acht bis zehn Prozent des eigentlich für Palästinenser vorgesehenen Territoriums.

In diesen Siedlungen leben 86 Prozent der rund 400 000 Juden im Westjordanland. Für das Gebiet soll Israel die Staatengemeinschaft formal um Anerkennung als Teil ihres Staatsgebiets bitten. Umgekehrt soll sich Israel nach diesem Plan bereit erklären, die Kontrolle über weitere Gebiete im Westjordanland an die Palästinenser abzutreten.

Im Oslo-Abkommen von 1995 wurde das Westjordanland in die Gebiete A, B und C aufgeteilt. Die A-Gebiete bestehen aus den größeren Städten und wurden der Kontrolle der palästinensischen Autonomiebehörde unterstellt. In den B-Gebieten, in denen vor allem ländliche Gemeinden liegen, haben die Palästinenser die administrative Kontrolle, die Israelis sind für die Sicherheit zuständig. Die C-Gebiete - derzeit rund 60 Prozent des Territoriums - kontrollieren alleine die Israelis. Diese Einteilung war nur für eine Übergangszeit bis zur endgültigen Schaffung eines palästinensischen Staates vorgesehen.

Der Plan des Thinktanks sieht vor, dass den Palästinensern neben den A- auch die B-Gebiete sofort überantwortet werden. Damit wären rund 40 Prozent des Territoriums unter Verwaltung der palästinensischen Autonomiebehörde, wo allerdings fast alle der zwei Millionen Palästinenser leben - 98 Prozent der Bevölkerung. Weitere 20 Prozent der jetzigen C-Gebiete vor allem im Jordantal sollen vorerst unter israelischer Kontrolle bleiben, bis die Sicherheitslage und auch eine künftige palästinensische Regierung geklärt ist. Die anderen C-Gebiete sollen nach und nach übergeben werden.

Keinen Vorschlag gibt es für den Gazastreifen. Der israelische Premierminister Ariel Scharon hatte 2005 durchgesetzt, dass die rund 8000 Siedler ihre Häuser räumen mussten und Militärbasen geschlossen wurden. 2007 übernahm die radikalislamische Hamas die Macht im Gazastreifen, die seither mit der palästinensischen Autonomiebehörde heftige Auseinandersetzungen austrägt. Israel und Ägypten halten eine Blockade aufrecht.

Israel reklamiert ganz Jerusalem für sich

Auch für Jerusalem sieht der Plan keine endgültige Lösung vor. Israel hat 1980 das sogenannte Jerusalemgesetz beschlossen. Danach ist Jerusalem "in seiner Gesamtheit Hauptstadt Israels". Die Palästinenser beanspruchen aber den Ostteil der Stadt, wo rund 200 000 Juden leben, als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates.

Ehe sie ihren Plan der Öffentlichkeit vorstellten, waren die federführenden Autoren damit unterwegs. "Wie bei einer Roadshow", meint Udi Dekel lachend. Der ehemalige Brigadegeneral war 2007 Chefunterhändler der israelischen Seite bei der Nahost-Friedenskonferenz in Annapolis. "Wir haben die arabischen Länder besucht, die die Palästinenser unterstützen sollen. Dort hat man uns gesagt, dass es tatsächlich Verhandlungen geben und Israel bereit sein muss, wirklich etwas zu tun."

Bei allen Vorsitzenden der israelischen Parteien wurden die Autoren vorstellig - auch bei Premier Netanjahu. Seine Reaktion: "Netanjahu hat gesagt, dass er Koalitionspartner hat, mit denen er das nicht machen kann. Er hat nicht gesagt, dass er den Plan nicht akzeptieren kann." Die Vorschläge von Netanjahus Herausforderer Benny Gantz decken sich mit dem INSS-Plan weitgehend - kein Zufall. Der Ex-Generalstabschef wurde als externer Experte befragt.

Die Hoffnung, dass sein Plan für eine Zweistaatenlösung umgesetzt wird, hat Dekel nicht aufgegeben. "Nach der Wahl gibt es vielleicht neue Möglichkeiten in einer neuen Regierungsform. Wenn man unseren Vorschlag liest, dann kann man das auch als Plan B für Trump verstehen." Denn Trump will nach der Wahl angeblich endlich seinen Nahost-Friedensplan vorstellen.

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