Israel:Olmert geht in Deckung

Ein neuer Untersuchungsbericht zum Libanon-Krieg wird Premierminister Olmert noch stärker unter Druck setzen. Ob er sich an der Macht halten kann, hängt von Verteidigungsminister Barak ab.

Ivo Marusczyk

Vor dem Haus von Ehud Barak, des israelischen Verteidigungsministers und Chefs der Arbeitspartei Awoda, haben Reservisten Stellung bezogen. Sie haben ein Zelt und eine Lautsprecheranlage aufgebaut. Vom frühen Abend an wollen sie Barak das Sündenregister seines Premierministers vorbeten und hoffen, ihn damit zu überzeugen, Olmerts Regierungsbündnis zu verlassen.

Israel: Der Untersuchungsbericht über den Libanon-Krieg dürfte Israels Premierminister Ehud Olmert noch schwerer unter Druck setzen.

Der Untersuchungsbericht über den Libanon-Krieg dürfte Israels Premierminister Ehud Olmert noch schwerer unter Druck setzen.

(Foto: Foto: Reuters)

Am Abend oder spätestens in den kommenden Tagen entscheidet sich damit das Schicksal der Regierung Olmert. Die ohnehin schon reichlich wackelige Koalition steuert auf eine weitere schwere Krise zu. Eine Krise mit Ansage.

Das Sündenregister, das in Israel mit großer Spannung erwartet wird, heißt "Winograd-Bericht", es ist 500 Seiten dick und wird am Abend zur besten Sendezeit veröffentlicht. Eine fünfköpfige Kommission unter Leitung von Eliahu Winograd, früher Richter am Obersten Gerichtshof, hat Olmerts Libanon-Krieg vom Sommer 2006 untersucht.

Schon jetzt gilt als sicher, dass der Winograd-Bericht die militärische Führung und den Premierminister selbst mit Vorwürfen überschütten wird. Schon der Zwischenbericht, den die Kommission im April 2007 vorlegte, steckte voll politischem Sprengstoff: Er warf Olmert "schwerwiegendes Versagen" bei der Abwägung militärischer Entscheidungen vor.

Der Krieg sei im Sommer 2006 ohne klaren Plan begonnen worden. Bei den Entscheidungen habe es eine "Schwäche im strategischen Denken" gegeben.

Die Einschätzung der Winograd-Kommission hatte Olmert schon damals schwer angeschlagen. Sollte der Abschlussbericht ähnlich scharf ausfallen, müsste er eigentlich zurücktreten, findet ein Großteil der Bevölkerung.

Und alles deutet darauf hin, dass der Abschlussbericht noch schärfer ausfällt. Denn im Mittelpunkt steht diesmal nicht die Entscheidung für den Angriff, sondern die umstrittene Bodenoffensive in den letzten Tagen des Krieges. Olmert hatte der Armee befohlen, im Libanon einzumarschieren, obwohl die Verhandlungen über einen Waffenstillstand schon liefen.

Olmert hat sich angesichts der zu erwartenden Vorwürfe schon einmal eingeigelt - und angekündigt, er werde auf keinen Fall zurücktreten. Auch Neuwahlen lehnt er ab. An seiner Seite weiß er die ultra-orthodoxe Schas-Partei. Deren geistiger Führer Rabbi Ovadia Josef wünschte Olmerts demonstrativ Glück und stellte sich hinter ihn. Auch Olmerts Parteifreunde von der Kadima-Partei stehen fest zu ihrem Premier. Sie argumentieren, Olmert habe es immerhin geschafft, die Wirtschaft in Schwung zu bringen.

Deswegen bekommt jetzt Ehud Barak den gesamten Druck ab. Er könnte die Regierung Olmert zu Fall bringen, wenn er sich aus der Koalition zurückzieht. Barak hat sich noch nicht festgelegt. Er will zunächst den Bericht genau studieren und sich dafür eventuell mehrere Tage Zeit lassen.

In der Zwischenzeit wollen die Olmert-Gegner den Druck verstärken. Unter anderem planen sie Großkundgebungen in Tel Aviv. Hunderttausende Menschen könnten sich dem Protest anschließen. Sicherheitshalber haben sie schon einmal den symbolträchtigen Rabin-Platz für Samstag reserviert. Fünfzig Kompaniechefs haben an Olmert geschrieben: Er solle die Konsequenzen aus dem unnützen Tod ihrer Kameraden ziehen und sein Amt niederlegen.

Israel wollte mit dem Einmarsch im Südlibanon die radikale Schiitenmiliz Hisbollah entscheidend schwächen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. In dem 34 Tage währenden Konflikt starben 1200 Libanesen und 160 Israelis. Den Krieg hatte Israel damit begründet, dass die Hisbollah am 12. Juli 2006 im Grenzgebiet zwei israelische Soldaten gefangen nahm. Von ihnen fehlt bis heute jede Spur.

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