Vom Ukraine-Krieg zum Nahen Osten:Israel und die Milliarden der Oligarchen

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Gegen den Multimilliardär Roman Abramowitsch und andere russische Oligarchen haben weite Teile der westlichen Welt Sanktionen verhängt. (Foto: Adam Davy/dpa)

Roman Abramowitsch und andere reiche Russen besitzen auch israelische Pässe. Washington warnt, sie könnten dies als Schlupfloch nutzen - um Sanktionen gegen Russland zu entgehen, die Israel nicht mitträgt.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Zu Wochenbeginn war er mal wieder zu Hause, jedenfalls wurde Roman Abramowitsch in Tel Aviv gesehen, am Flughafen. Aber was heißt schon "zu Hause" bei einem Multimilliardär, der überall auf der Welt Luxusimmobilien besitzt und obendrein drei Staatsbürgerschaften: die russische, die portugiesische, die israelische. Abramowitsch ist mal hier, mal dort. Gut möglich ist es allerdings, dass die Wahlheimat Israel für ihn gerade vorrangiger wird. Denn im Gegensatz zur EU und ihren westlichen Partnern hat Israel bislang keinerlei Sanktionen gegen Russland und Putin-nahe Oligarchen verhängt.

Auf dem Tel Aviver Flughafen ist in den vergangenen Tagen nicht nur Abramowitsch mit seiner Gulfstream G650 gesichtet worden. Israelische Medien berichten von mindestens 14 privaten Flugzeugen, die seit Beginn des Ukraine-Kriegs von Moskau kommend in Israel gelandet sind. Der Verdacht liegt nahe, dass einige, denen in Europa oder den USA eine Konfiszierung ihrer Besitztümer droht, in Israel ein sicheres Rückzugsgebiet suchen. Und dieser Verdacht wird nun auch in Washington gehegt.

Victoria Nuland, Vizeaußenministerin der USA, schickte bereits eine ernste Warnung in Richtung Jerusalem. In einem Interview mit einem israelischen TV-Sender forderte sie, die USA und alle ihre Verbündeten - einschließlich Israel! - müssten das Moskauer Regime und die Oligarchen unter äußersten Druck setzen. "Ihr wollt doch nicht der letzte Rückzugsort für das schmutzige Geld werden, das Putins Krieg befeuert", sagte sie.

Abramowitsch ist nur der prominenteste unter mehreren russischen Oligarchen, die durch ihre jüdischen Wurzeln mit Israel verbunden sind. Er besitzt seit 2018 die israelische Staatsbürgerschaft, just seitdem es die ersten Schwierigkeiten mit der Verlängerung seines Visums für Großbritannien gab. Israeli wurde er im Handumdrehen, basierend auf dem Recht, das jeder Person mit einem jüdischen Eltern- oder Großelternteil die Staatsbürgerschaft garantiert. Zum Begrüßungspaket gehört nicht nur der israelische Pass, sondern stets auch eine zehnjährige Steuerbefreiung für im Ausland erworbenes Einkommen. Zudem muss man dessen Quellen nicht preisgeben.

Israel laviert zwischen den Fronten

Für so viel Vertrauen und Großzügigkeit zeigte sich Abramowitsch in Israel von Beginn an erkenntlich. In Tel Aviv und in einer Villa im nahen Herzliya richtete er sich häuslich ein. Er investierte kräftig in die israelische Start-up-Szene. Und vor allem machte er sich als Wohltäter beliebt. Berichten zufolge soll er in den vergangenen Jahren rund 500 Millionen Dollar an israelische und jüdische Einrichtungen gespendet haben. Krankenhäuser zählen dazu, Kultureinrichtungen, und eine rechte Siedlerorganisation, an die allein 100 Millionen Dollar geflossen sein sollen. Zuletzt war Ende Februar eine zweistellige Millionenspende an die Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem bekannt geworden.

Wie gut dieses Geld angelegt war, zeigte sich, als kurz darauf der Westen wegen Russlands Überfall auf die Ukraine die ersten Sanktionen verhängte. Umgehend schickten die Chefs einflussreicher israelischer Organisationen, darunter auch der von Yad Vashem, einen Brief an den US-Botschafter in Israel mit der Bitte, Abramowitsch als Wohltäter der jüdischen Welt von solchen Strafen auszunehmen. Das aber kam nicht gut an im Westen - inzwischen gab Yad Vashem bekannt, die Zusammenarbeit mit Abramowitsch sei "suspendiert" worden.

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Von solcher Klarheit ist Israels Regierung noch ein gutes Stück entfernt. Dort herrscht eine Vielstimmigkeit vor, die fast wie eine Strategie erscheint, um Israel das Lavieren zwischen den Fronten zu erlauben. Da ist zum einen Finanzminister Avigdor Lieberman, einer von mehr als einer Million Israelis, die seit den Neunzigerjahren aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert sind. "Wir schließen uns keinen Sanktionen an", erklärte er. "Wir werden versuchen, mit der Welt im Rahmen von Israels Interessen zu kooperieren."

Und da ist Premierminister Naftali Bennett. Er gibt den Mann der Mitte, der sich auch international als Mediator zwischen Russland und der Ukraine angeboten hat. Dabei hofft er offenkundig darauf, als ehrlicher Makler um die Entscheidung herumzukommen, sich den Sanktionen anzuschließen. Außenminister Jair Lapid wiederum versucht, Washington und die anderen Partner mit einer Zusicherung zu besänftigen: "Israel wird nicht die Route sein, auf der die von den USA und anderen westlichen Ländern verhängten Sanktionen gegen Russland umgangen werden."

Um zu klären, wie Israel mit den Sanktionen umgehen soll, wurde in Jerusalem nun erst einmal eine interministerielle Arbeitsgruppe eingerichtet. Roman Abramowitsch ist übrigens zu Wochenbeginn nur kurz in Israel geblieben. Nach nur einer Nacht hob sein Privatjet wieder ab in Richtung Istanbul. Von dort, so heißt es, sei er weitergeflogen nach Moskau.

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