Israel:Offizielle Kampfansage

Lesezeit: 2 min

Der frühere Bildungs- und Innenminister Gideon Saar, 53, bezeichnete die Zweistaatenlösung kürzlich als "Illusion". Am 26. Dezember wird er bei der Wahl zum Likud-Vorsitz antreten. (Foto: AFP)

Der frühere Bildungsminister Saar will Premier Netanjahu an der Parteispitze ablösen - und hat bereits prominente Mitstreiter an seiner Seite.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv

Gideon Saar hat seinen eigenen Wahlkampf gestartet. "Nur Saar kann es!", stand auf Bannern auf der Bühne in Or Yehuda, einem Vorort von Tel Aviv. Rund tausend Anhänger jubelten am Montagabend dem ehemaligen Innen- und Bildungsminister zu, als sich Saar offiziell für den Vorsitz der rechtsnationalen Likud-Partei bewarb. Der 53-Jährige ließ keinen Zweifel daran, für die Nachfolge des amtierenden Parteichefs Benjamin Netanjahu bereitzustehen.

Dem Premierminister traut er nach den Korruptionsanklagen nicht mehr zu, beim dritten Versuch nach den erneuten Wahlen am 2. März 2020 eine Regierung bilden zu können. "Ein Votum für Netanjahu ist ein Votum für den nächsten Oppositionschef", sagte Saar. "Ein Votum für mich wird sicherstellen, dass Likud regiert und eine neue Regierung mit uns an der Spitze gebildet wird." Netanjahu habe es vier Mal geschafft, den Likud an die Macht zu bringen, aber diese Tage seien gezählt. "Es wird kein fünftes Mal geben", sagte Saar.

Insgesamt dreizehn Jahre lang regiert Netanjahu als Ministerpräsident - er ist der längstdienende Regierungschef in der Geschichte des Landes. Aber nach den zwei Wahlen im April und September konnte Netanjahu nicht genügend Koalitionspartner zur Bildung einer Regierung auf seine Seite ziehen. Im zweiten Urnengang verlor der Likud außerdem 300 000 Stimmen und landete nur noch auf Platz zwei. Nach den drei Anklagen wegen Betrugs, Bestechlichkeit und Untreue, die Ende November verkündet worden sind, verliert Netanjahu in Umfragen an Unterstützung in der Bevölkerung.

Diese Situation nutzte der seit Langem als Kronprinz gehandelte Saar aus. Mit seinen öffentlichen Kampfansagen hat der in der Partei populäre Politiker bereits erreicht, dass sich Netanjahu einer Abstimmung über den Parteivorsitz unterziehen muss. Zum ersten Mal seit 14 Jahren gibt es mit Saar einen ernst zu nehmenden Herausforderer. Rund 120 000 Parteimitglieder sind für den 26. Dezember zu einer Abstimmung aufgerufen.

Rund ein halbes Dutzend Knesset-Abgeordnete hat sich bereits zu Saar bekannt, mit Chaim Katz ist der Vorsitzende des Wahlausschusses an seiner Seite. Ein Teil der hochrangigen Likud-Politiker hält sich in diesem Duell noch mit Unterstützungserklärungen zurück. Mit Knesset-Präsident Juli Edelstein oder Minister Gilad Erdan gibt es andere, die sich Chancen auf die Nachfolge ausrechnen, aber noch keine Kandidatur angekündigt haben.

Saar forderte in den sozialen Medien kurz vor seinem Kampagnenstart Netanjahu zu inhaltlichen Debatten auf - was der amtierende Regierungschef immer verweigert. Er warf ihm auch vor, ihn persönlich zu diskreditieren und zu bedrohen. Saar positionierte sich in den vergangenen Tagen als strammer Rechtspolitiker: Er bezeichnete einen Staat für die Palästinenser als "Illusion". Saar sprach sich auch für eine Räumung des Beduinendorfes Khan al-Ahmar aus.

Jüngsten Umfragen zufolge könnte der Likud mit Saar an der Spitze und gemeinsam mit ultraorthodoxen und nationalistischen Partnern einen stärkeren Block bilden als unter Netanjahu, auch wenn der Likud unter Saars Führung weniger Sitze erhielte. Das blau-weiße Bündnis unter Benny Gantz könnte mit Saar eher eine große Koalition bilden. Gantz weigerte sich wegen der Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu, mit ihm zu regieren.

Mit Benny Begin, dem Sohn des Likud-Gründers Menachem Begin, meldete sich nun eine prominente Stimme gegen Netanjahu zu Wort. Er rief Netanjahu zum Rücktritt auf. "Es darf keine Situation geben, in der ein Premierminister im Amt bleibt nach diesen Anklagen", sagte Begin, der selbst insgesamt 18 Jahre als Likud-Abgeordneter in der Knesset vertreten war. Er selbst werde bei der nächsten Wahl nicht Likud wählen, gab Begin bekannt. Er begründete dies mit seinen ethischen Bedenken gegen Netanjahu und der rechten Likud-Politik.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: