Israel:Neue Allianzen im Nahen Osten

Herzog pauses during an address to young voters in Tel Aviv

"Ich glaube, die nächste Neuwahl ist nicht weit entfernt": Isaac Herzog, Vorsitzender der Arbeitspartei.

(Foto: Baz Ratner/Reuters)

Israels Oppositionsführer Isaac Herzog empfiehlt einen Schulterschluss mit "gemäßigten sunnitischen Staaten", etwa mit der Türkei und Ägypten, gegen Iran - und lobt Sigmar Gabriels Teheran-Besuch.

Interview von Ronen Steinke

Israels Oppositionsführer Isaac Herzog, 54, gilt als "linker Falke". Lange diente er als Minister unter dem rechtskonservativen Premier Benjamin Netanjahu, bevor er zum Vorsitzenden der Arbeitspartei gewählt wurde und sich im Frühjahr selbst um Netanjahus Amt bewarb.

SZ: Herr Herzog, Sie planen, nach Washington zu reisen, um die Abgeordneten im US-Kongress über das Iran-Abkommen zu informieren. Gibt es etwas an dem Deal, das Sie nicht ablehnen?

Isaac Herzog: Ich respektiere den Versuch der UN-Vetomächte und Deutschlands, Iran an den Verhandlungstisch zu bringen. Sigmar Gabriel hat den richtigen Ton angeschlagen, als er kürzlich in Teheran war. Er hat den Iranern gesagt, dass sie nicht weiter vorankommen werden, wenn sie nicht endlich Israel anerkennen und ebenso die historische Wahrheit des Holocaust. Ich finde, das war nachahmenswert.

Und das Abkommen selbst?

Es entfesselt ein Reich des Bösen, das imperialistische Ziele hat und mithilfe seiner Mittelsmänner Hisbollah und Hamas Terror in der ganzen Region verbreitet.

Dabei kritisieren Sie den israelischen Premier Benjamin Netanjahu dafür, dass er eine "Politik der Angst" betreibe.

Es ist ein Unterschied, ob man Ängste anfacht oder echte Sorgen ernst nimmt. Wenn wir heute nach vorne blicken, dann sind zwei Szenarien vorstellbar. Iran könnte sich beruhigen und sich zum Westen hin öffnen. Iran könnte aber auch eine Wendung nehmen, wie wir sie im Arabischen Frühling gesehen haben, als zunächst alle von einem neuen Nahen Osten geträumt haben und dann alles schlimmer geworden ist. Wenn ich heute Irans Präsidenten Hassan Rohani sprechen höre, der mein Land nur das "zionistische Gebilde" nennt, dann habe ich keinen Grund anzunehmen, dass Iran sich ändern will. Das einzige, was sich sicher ändern wird, ist: Als Folge der Sanktionslockerungen wird Iran in fünf Jahren beginnen, mehr Waffen anzuhäufen. Damit können Hisbollah, Hamas und das Assad-Regime noch mehr Gewalt ausüben.

Für eine Lösung im syrischen Bürgerkrieg, in Israels Nachbarland, bräuchte es die Mitwirkung Russlands und Irans. Sind das diplomatische Einlenken Irans in der Atomfrage und die Zusammenarbeit des Westens mit Russland da nicht gute Zeichen?

Es ist genau umgekehrt. Vergangene Woche haben zwei große Freunde Israels Reden gehalten, Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und Syriens Diktator Baschar al-Assad. Beide haben gejubelt und ihre Freude darüber ausgedrückt, dass Iran bald wieder wirtschaftlich stärker dastehen und sie mit noch mehr Waffen versorgen können wird. Dieser Analyse wage ich nicht zu widersprechen.

Was fordern Sie?

Von den frei gewählten Abgeordneten im US-Kongress fordere ich nichts. Das steht mir nicht zu. Aber von meiner eigenen Regierung fordere ich: Israel muss jetzt den Schulterschluss mit gemäßigten sunnitischen Staaten wie der Türkei und Ägypten suchen. Eine Koalition. Wir müssen besser zusammenhalten in der Region, um Iran künftig weiter abzuschrecken. Insofern sehe ich sogar eine Chance. Auch die Regierung der gemäßigten Palästinenser unter Mahmud Abbas sollten in diese Koalition eingeladen werden. Denn sie muss Iran und dessen Stellvertreter - Hamas und Hisbollah - genauso fürchten wie wir. Wenn wir dadurch mit den Palästinensern wieder an den Verhandlungstisch kommen, dann wäre das zumindest ein Glück im Unglück für unser Land. Leider sehe ich nicht, dass sich die Netanjahu-Regierung in irgendeiner Weise um diese Chance bemüht.

Neue regionale Allianzen entstehen bereits, wenn es um die Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat geht. Hier zieht sogar Iran am selben Strang. Steckt in dieser Konstellation nicht auch eine Chance?

Täuschen Sie sich nicht: Zwei extremistische Kräfte operieren in unserer Region, der IS und Iran. Wir müssen das Ziel haben, beide zu bekämpfen. Es scheint, dass sich die internationale Gemeinschaft zugunsten Irans entschieden hat. Aber das bedeutet nicht, dass Iran nicht genauso eine Gefahr für die Region wäre.

Das Mitte-links-Lager in Israel hat gerade zum vierten Mal eine Wahl gegen Netanjahu verloren. Historisch war es immer nur dann erfolgreich, wenn es von einem Ex-General in die Wahl geführt wurde. Sehen Sie sich allmählich nach einem um?

Ich bin der Anführer des Mitte-links-Lagers, und wir waren bei der jüngsten Wahl gar nicht weit davon entfernt, Netanjahu zu entthronen. Aber wenn ich es heute tiefer analysiere, dann waren die Sorgen der Menschen um ihre Sicherheit real und stark. Ich versuche, meine Partei mehr in die politische Mitte zu führen, indem wir diese Ängste ernst nehmen und verstehen. Ich glaube, die nächste Neuwahl ist nicht weit entfernt. Dann könnte ein Zivilist gegen Netanjahu gewinnen.

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