Israels Wahlkampf geht in die heiße Phase: Bis zum Donnerstagabend, Punkt 22 Uhr, mussten die Kandidatenlisten für die Neuwahl am 23. März bei der Zentralen Wahlkommission eingereicht werden. An der Startlinie herrscht nun dichtes Gedränge. 39 Parteien bewerben sich um nur 120 Parlamentssitze. Realistische Chancen auf einen Einzug in die Knesset haben davon wohl nur gut ein Dutzend. Doch auch dies garantiert eine Vielfalt, die leicht ins Unübersichtliche lappt. Profiteur dieser Zersplitterung dürfte Premierminister Benjamin Netanjahu sein, der das Land ununterbrochen seit 2009 regiert und in Atem hält.
Allen Umfragen zufolge wird Netanjahus Likud-Partei bei dieser vierten Wahl binnen zwei Jahren mit Abstand die meisten Sitze gewinnen. Allerdings kann auch sie nur auf etwa ein Viertel der Mandate hoffen - die Regierungsbildung dürfte also zu einer komplizierten Rechenaufgabe werden. Anders als früher wird die Koalitionsarithmetik jedoch weniger von Ideologien beeinflusst sein. Bei dieser Wahl prallen nicht rechts und links, sondern das Pro- und Anti-Netanjahu-Lager aufeinander. 46 Tage vor der Wahl ist dieses Rennen für Netanjahu noch längst nicht gewonnen.
Relativ fest kann er nur mit der Unterstützung der beiden religiösen Parteien Shas und Vereinigtes Torah Judentum rechnen. Deren Klientelbedürfnisse hat er in den vergangenen Jahren oft zu Lasten der Allgemeinheit bedient. Abgesichert hat sich der 71-jährige Regierungschef zudem nach rechts bis weit ins Rechtsextreme, indem er tatkräftig eine Vereinigung der beiden Parteien Nationale Union und Jüdische Stärke vorangetrieben hat. Gemeinsam könnten sie den Sprung über die 3,25-Prozent-Hürde schaffen und Netanjahus Camp verstärken. Zusammengenomen wird all dies nach jetzigem Stand jedoch nicht mehr als 50 Sitze ergeben.
Mit Genugtuung dürfte Netanjahu deshalb sehen, dass alle Bemühungen seiner Gegner, schlagkräftige Verbindungen herauszubilden, gescheitert sind. Im linken Lager marschieren jetzt, anders als bei der vorigen Wahl, die Arbeitspartei und Meretz getrennt. Bei beiden ist der Parlamentseinzug nicht sicher. Der mit lauten Fanfarenklängen und einer neuen Partei namens Die Israelis gestartete Tel Aviver Bürgermeister Ron Huldai hat am Abend der Listenabgabe seinen Rückzug erklärt. Auch andere frühere Schwergewichte sind bereits ausgestiegen oder kämpfen wie der jetzige Verteidigungsminister Benny Gantz ums politische Überleben.
Drei mittelstarke Männer wollen es wissen
Einen Keil hat Netanjahu überdies noch ins politische Lager der arabischen Minderheit geschlagen. Aus der Vereinten Liste, die bei der vorigen Wahl noch 15 Mandate gewann, ist die konservativ-islamische Raam-Partei ausgeschert. Deren Vorsitzender Mansour Abbas hatte zuvor für Streit gesorgt durch eine seltsam anmutende Liaison mit Netanjahu. Nun wirbt der Likud selbst offensiv um Stimmen der zuvor bestenfalls ignorierten arabischen Israelis.
Drei mittelstarke Männer mit Ministererfahrung hoffen trotzdem - jeder für sich - Netanjahu als Regierungschef abzulösen. Jair Lapid mit seiner Zentrumspartei Jesch Atid (Es gibt eine Zukunft) präsentiert sich dabei als Stimme der Säkularen und Liberalen. Gideon Saar positioniert sich mit einer Partei namens Neue Hoffnung als saubere Kopie seiner früheren Likud-Partei. Seine Liste ist gefüllt mit prominenten Ex-Likudniks. Als Dritter schließlich tritt Naftali Bennett mit seiner siedlernahen Yamina-Partei an. Als Einziger aus diesem Trio hat er es vermieden, eine Koalition mit Netanjahu auszuschließen. Er könnte so zum Königsmacher werden.