Nahost:Netanjahu kündigt harte Reaktion an

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Trauernde bei der Beisetzung eines Elfjährigen am Montag, der nach dem Raketenangriff zunächst als vermisst gegolten hatte. (Foto: Jalaa Marey/AFP)

Israels Premier macht die Hisbollah für den Raketenangriff verantwortlich, bei dem zwölf Kinder und Jugendliche starben. Das Auswärtige Amt fordert Deutsche in Libanon dringend zur Ausreise auf.

Von Matthias Kolb, München

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat am Montag nach einem Besuch des Anschlagsorts eine harte Reaktion auf den Raketenangriff angekündigt, bei dem am Wochenende auf den israelisch besetzten Golanhöhen zwölf Kinder und Jugendliche auf einem Fußballplatz getötet worden waren. „Der Staat Israel wird dies nicht hinnehmen und kann es auch nicht. Unsere Antwort wird kommen, und sie wird hart sein“, wird der Premier in einer Mitteilung seines Büros zitiert. Aus Libanon hatte die Hisbollah am Wochenende nach Überzeugung des Westens eine Rakete auf das Dorf Madschdal Schams abgefeuert.

Am Sonntagabend hatte Israels Sicherheitskabinett mehrere Stunden beraten. Schließlich wurden Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Gallant ermächtigt, „über die Art und den Zeitpunkt des Vorgehens gegen die Terrororganisation Hisbollah zu entscheiden“. Dieser hatte nach seiner Rückkehr aus den USA erklärt, die schiitische Hisbollah-Miliz werde einen „hohen Preis“ bezahlen. Am Montag meldeten israelische Medien sowie internationale Nachrichtenagenturen wie Reuters, die israelischen Streitkräfte (IDF) sollten mit ihren Vergeltungsaktionen die Hisbollah zwar schwächen, aber keinen umfassenden Krieg auslösen. In der Zeitung Yedioth Ahronoth beschrieb eine nicht näher genannte Quelle die geplante Reaktion als „begrenzt, aber signifikant“. Als Option werde erwogen, dass die IDF „mehrere Tage“ kämpfen würde, um etwa die militärische Infrastruktur der Hisbollah „sehr sichtbar“ anzugreifen.

Schon in der Nacht auf Montag gab es einen Vergeltungsschlag

Allerdings warnen israelische und internationale Experten, dass eine solch „begrenzte“ militärische Antwort trotzdem sehr riskant sei, da sich die Reaktion der Hisbollah beziehungsweise Irans nur schwer einschätzen lasse. So meldet etwa das Nachrichtenportal Axios, Vertreter der US-Regierung hätten Israel gewarnt, als Vergeltung Ziele der Hisbollah anzugreifen, da „die Situation wahrscheinlich außer Kontrolle geraten“ werde. Trotz dieser Ratschläge führten die israelischen Streitkräfte in der Nacht auf Montag einen Drohnenangriff auf den Süden Libanons durch, bei dem nach Angaben des Zivilschutzes zwei Menschen getötet wurden. Drei weitere Menschen seien verletzt worden, darunter ein Kind. Laut Hisbollah handelt es sich bei den beiden Toten um zwei ihrer Kämpfer.

Angesichts der drohenden Eskalation zwischen Israel und der Hisbollah-Miliz fordert die Bundesregierung alle Deutschen in Libanon auf, das Land zu verlassen. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes sagte am Montag, es seien über die Krisenvorsorgeliste Elefand noch 1300 Deutsche gemeldet, die einen Aufenthalt in Libanon angeben. Er appelliere „dringlich“ an alle, die noch bestehenden Chancen zur Ausreise zu nutzen.

Eine Regierungssprecherin verurteilte die Attacke auf das Dorf Madschdal Schams und nannte die „fortgesetzten Angriffe der Hisbollah und anderer Akteure“ inakzeptabel. Da die Hisbollah ebenso wie die Hamas im Gazastreifen von Iran finanziell und mit Waffen versorgt wird, forderte die Regierungssprecherin Teheran auf, auf eine Deeskalation hinzuwirken. Iran weist hingegen Israel die Schuld zu. Auch die Hisbollah hat dem US-Nachrichtenportal Axios zufolge den Vereinten Nationen erklärt, eine israelische Abwehrrakete habe die Explosion verursacht.

Libanons Regierung hat zur Einstellung der Gewalt aufgerufen

Neben der Bundesregierung warnten Länder wie die USA, Frankreich oder das G-7-Vorsitzland Italien vor einem „Flächenbrand“ in der Region und riefen beide Seiten zur Zurückhaltung auf. Der britische Außenminister David Lammy erklärte, er begrüße den Aufruf der libanesischen Regierung zu einer Einstellung der Gewalt. In einem Telefonat mit Israels Präsident Isaac Herzog betonte US-Außenminister Antony Blinken das „eiserne Bekenntnis“ der Vereinigten Staaten, für Israels Sicherheit zu sorgen. „Nach den Gesprächen, die wir geführt haben, glauben wir nicht, dass dies zu einer Eskalation oder zu einem breiteren Krieg führen muss“, sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby. Ein solches Szenario sei vermeidbar. Dem Wall Street Journal zufolge haben Vertreter Israels, Irans und Libanons gegenüber US-Diplomaten angedeutet, an einer Ausweitung des Konflikts nicht interessiert zu sein.

Hingegen drohte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Israel an, sich militärisch einzumischen. „So wie wir in Berg-Karabach reingegangen sind, so wie wir in Libyen reingegangen sind, werden wir mit ihnen dasselbe tun“, sagte er auf einer Veranstaltung seiner Regierungspartei AKP über Israel. Das bilaterale Verhältnis hat sich seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober mit mehr als 1000 Toten und dem anschließenden Krieg im Gazastreifen enorm verschlechtert. Von mittlerweile fast 40 000 Todesopfern auf palästinensischer Seite spricht die der Hamas unterstehende Gesundheitsbehörde.

Unterdessen strichen als Reaktion auf die Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah und die drohende Kriegsgefahr mehrere Fluggesellschaften ihre Verbindungen in die libanesische Hauptstadt Beirut, darunter die Lufthansa, Swiss, Eurowings und Air France. Als Grund wurden „Versicherungsrisiken“ genannt. Auch die libanesische Fluggesellschaft Middle East Airlines verschob nach eigenen Angaben am Abend die Rückkehr einiger ihrer Flüge.

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